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Astronomie

Beteigeuze leuchtete in der Antike noch gelb

Historische Quellen deuten auf Farbwechsel des Roten Überriesen in den letzten 2.000 Jahren hin

Beteigeuze
Der rote Überriese Beteigeuze leuchtet heute eindeutig rötlich. Doch in der Antike war dies noch nicht so. © Adam Block, Steward Observatory/ University of Arizona, CC-by-sa 3.0

Stellarer Farbwechsel: Der Riesenstern Beteigeuze leuchtet heute eindeutig erkennbar rötlich. Doch noch vor 2.000 Jahren strahlte dieser Schulterstern des Orion offenbar noch gelb-orange, wie nun eine Auswertung historischer Quellen enthüllt. In diesen beschreiben römische und chinesische Astronomen den Stern noch als eher gelblich, wie ein Forschungsteam berichtet. Das deutet darauf hin, dass Beteigeuze noch nicht lange ein Roter Überriese ist und erlaubt Rückschlüsse auf seine Masse und sein Alter.

Der Rote Überriese Beteigeuze ist am Himmel kaum zu übersehen: Er bildet den von uns aus gesehen linken Schulterstern des Orion. Der auf gut 700-fache Größe der Sonne aufgeblähte Riesenstern steht am Ende seines Lebenszyklus und hat bereits damit begonnen, seine äußeren Gashüllen abzustoßen. In die Schlagzeilen geriet Beteigeuze jedoch, weil er sich Ende 2019 aus zunächst unerfindlichen Gründen stark verdunkelte. Inzwischen ist klar, dass der Stern ein gewaltiges Stück seiner Oberfläche ausgeschleudert hat – eine Eruption, die bis heute Folgen hat.

Orion
Beteigeuze ist der von uns aus gesehen linke Schulterstern des Orion. © Davidhajnal / Getty images

Spurensuche in historischen Sternbeschreibungen

Doch wie sich jetzt zeigt, sah Beteigeuze noch in der Antike deutlich anders aus als heute. Indizien dafür haben Ralph Neuhäuser von der Universität Jena und seine Kollegen entdeckt, als sie in historischen Quellen nach Beschreibungen von Beteigeuze, dem Roten Überriesen Antares und anderen hellen Sternen suchten. Sie werteten dafür Beschreibungen von antiken mesopotamischen, griechischen, römischen und chinesischen Astronomen aus sowie von Astronomen des Mittelalters.

Das überraschende Ergebnis: In der Antike war Beteigeuze offenbar noch deutlich weniger rötlich als heute. Während der Überriese Antares schon vor rund 2.000 Jahren von allen Quellen eindeutig als rot beschrieben wurde, war dies bei Beteigeuze nicht der Fall. So schrieb der römische Gelehrte Hyginus, Beteigeuze sei von gleicher Farbe wie der gelb-orange Saturn. „Weil Planeten in ihrer Farbe konstant bleiben, muss sich demnach die Farbe des Beteigeuze verändert haben“, schreiben Neuhäuser und sein Team. „Hyginus ist ein sehr glaubwürdiger Gelehrter.“

„Gelb wie der Schulterstern des Orion“

Ähnliches findet sich in einem 2.100 Jahre alten Astronomie-Lehrbuch des chinesischen Hofastronomen Sima Qian. In seinem während der Han-Dynastie zusammengestellten Werk erwähnt er eine Art Merksatz für Sternenfarben. Darin dient Sirius als Referenz für weiße Sterne, Antares als Vergleichsstern für eine rote Farbe. Für gelbe Sterne heißt es dagegen: „Für Gelb vergleiche die linke Schulter des Shen.“ Shen ist die chinesische Bezeichnung für das Sternbild Orion.

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Das aber bedeutet: Noch in der Antike muss Beteigeuze eher gelb-orange als rot geleuchtet haben. „Während Antares in den letzten drei Jahrtausenden immer als rot beschrieben wurde, hatte Beteigeuze vor 2.000 Jahren noch eine andere Farbe als heute“, so Neuhäuser und sein Team. Was aber war der Grund? Weil Beteigeuze bei jüngsten Abdunklung zwar dunkler wurde, nicht aber seine Farbe änderte, schließen die Astronomen, dass ein solches vorübergehendes Ereignis nicht der Grund für den Farbwechsel gewesen sein kann.

Noch nicht lange ein Roter Überriese

Zusammengenommen sprechen diese Ergebnisse dafür, dass Beteigeuze vor 2.000 Jahren noch kein Roter Überriese war. Er befand sich damals offenbar noch in einem Vorstadium dazu. Astronomisch ausgedrückt: Beteigeuze hatte damals noch nicht den sogenannten Riesenast im Hertzsprung-Russell-Diagramm der Sternenentwicklung erreicht, sondern befand sich erst in einem Vorstadium dazu oder unmittelbar an der Abzweigung.

Wann aber fand der Farbwechsel des Beteigeuze statt? Hinweise darauf liefern die Aufzeichnungen des Astronomen Tycho Brahe aus dem späten Mittelalter: Aus einer Aussage von Tycho Brahe lässt sich schließen, dass im 16. Jahrhundert Beteigeuze Aldebaran bereits an Röte übertroffen hat“, berichtet Neuhäuser. Der Riesenstern muss demnach vor 500 Jahren schon eindeutig rot geleuchtet haben.

Alter und Masse eingegrenzt

Das Spannende daran: Die Tatsache, dass Beteigeuze seine Farbe erst in den letzten 2.000 Jahren von gelb-orange zu rot verändert hat, sagt auch einiges über seine Masse und das Tempo seiner Entwicklung aus. Denn je massereicher ein Stern ist, desto schneller verbrennt er den Brennstoff für seine Wasserstofffusion. Seine Lebenszeit ist dadurch kürzer und der Wechsel vom „normalen“ Hauptreihenstern zum Roten Überriesen geschieht früher. Durch die zeitliche Bestimmung des Farbumschlags bei Beteigeuze könne die Astronomen daher auch seine Masse und sein Alter eingrenzen.

„Gerade aus der Tatsache, dass sich Beteigeuze in den letzten zwei Jahrtausenden farblich von gelb-orange zu rot geändert hat, kann man zusammen mit theoretischen Rechnungen schließen, dass er etwa 14-mal mehr Masse als unsere Sonne hat“, berichtet Neuhäuser. „Er ist dementsprechend 14 Millionen Jahre alt und befindet sich in der Endphase seiner Entwicklung. In etwa 1,5 Millionen Jahren wird er schließlich als Supernova explodieren.“ (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2022; doi: 10.1093/mnras/stac1969)

Quelle: MNAS, Friedrich-Schiller-Universität Jena

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