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Astronomie

Babylonier: Jupiter-Wanderung als Trapez

Antike Sterndeuter waren den Gelehrten Europas um 14 Jahrhunderte voraus

Die babylonische Keilschrifttafel beschreibt, wie sich die Bewegungen des Jupiter mathematisch-geometrisch beschreiben lassen. © Mathieu Ossendrijver (HU)/ NASA

Himmlische Geometrie: Schon vor gut 2.000 Jahren nutzen die Babylonier überraschend moderne mathematisch-geometrische Methoden in ihrer Astronomie: Sie beschrieben die Wanderung des Jupiter über den Himmel und seine Geschwindigkeit über ein Trapez-Diagramm. Das enthüllt eine neue Auswertung von Keilschrifttafeln. Damit waren die Babylonier den Gelehrten Europas um mindestens 1.400 Jahre voraus, wie der Forscher im Fachmagazin „Science“ berichtet.

Die Babylonier waren Pioniere der Astronomie: Schon vor rund 3.000 Jahren begannen sie, systematisch die Bewegungen von Mond, Sonne und Sternzeichen am Himmel zu kartieren. Sie erkannten dabei bereits mathematische Gesetzmäßigkeiten in der Himmelsmechanik, mit deren Hilfe sie beispielsweise Sonnenfinsternisse über Jahre vorausberechnen konnten. Ihre astronomischen Berechnungen finden sich auf vielen Keilschrifttafeln aus jener Zeit.

Planetenbewegung als Trapez

Doch wie sich jetzt zeigt, waren die babylonischen Astronomen fortgeschrittener als bisher angenommen. Denn sie nutzten bereits vermeintlich moderne geometrische Verfahren, um die Bewegung von Himmelskörpern zu beschreiben. „Diese geometrischen Figuren beschreiben jedoch keine Konfigurationen im physikalischen Raum, sondern einen abstrakten mathematischen Raum, definiert durch Zeit und Geschwindigkeit“, erklärt Mathieu Ossendrijver von der Humboldt Universität in Berlin.

Darstellung der Jupiterbewegung als Trapezfigur: Die Distanz, die Jupiter in 60 Tagen zurücklegt, 10º45', ergibt sich aus der Fläche der Figur. Um die Zeit (tc) zu berechnen, in der Jupiter die Hälfte dieser Distanz zurücklegt, wird das Trapez geteilt. © Mathieu Ossendrijver (HU)

Konkret bedeutet dies: Die Babylonier beschrieben die Bewegung des Jupiter über den Himmel mit Hilfe eines Trapezes. Die Form dieser geometrischen Figur zeigt dabei, wie schnell der Jupiter in den ersten 60 Tagen nach seinem Aufgang am Horizont über den Himmel wandert. Die Fläche des Trapezes gibt die vom Planeten in dieser Zeit zurückgelegte Distanz an, wie der Forscher erklärt. Zusätzlich markierten die babylonischen Sterndeuter die Zeit, in der der Jupiter die Hälfte dieses Weges zurückgelegt hatte, durch eine senkrechte Teilungslinie im Trapez.

1.400 Jahre früher als die Europäer

„Diese Berechnungen nehmen die Nutzung ähnlicher Methoden durch europäische Gelehrte des Mittelalters um mindestens 1.400 Jahre vorweg“, sagt Ossendrijver. Denn bisher dachte man, dass solche geometrischen Lösungen für die Bewegung von Körpern erst im 14. Jahrhundert am Merton College in Oxford erstmals mathematisch formuliert worden sind. Wenig später entwickelte in Paris der Philosoph und Mathematiker Nicole Oresme grafische Methoden, um diese Formel zu beweisen.

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Doch die Babylonier kannten diese Methoden bereits mehr als ein Jahrtausend früher und setzten sie führe ihre Himmelsbeobachtungen ein. Damit aber hatten sie abstrakte geometrisch-mathematische Zusammenhänge zwischen Bewegung, Position und Zeit begriffen, die in der modernen Physik und Mathematik gängig“, sagt Ossendrijver.

Die fünfte Keilschrifttafel war entscheidend

Entdeckt hat dies der Astronom und Wissenschaftshistoriker, als er fünf Keilschrifttafeln aus der Zeit um 350 bis 50 vor Christus näher untersuchte. Vier davon beschreiben Teile einer mathematischen Prozedur, mit deren Hilfe sich die Positionsveränderung und Geschwindigkeit eines Objekts durch ein Trapez darstellen lässt. Weil aber aus diesen Texten nicht eindeutig hervorgeht, um welches Objekt es sich handelt, hielt man dies zunächst für eine rein mathematische Abhandlung.

Erst als Ossendrijver eine fünfte Tafel studierte, die im British Museum aufbewahrt wird, zeigte sich Überraschendes: „Sie enthält einen nahezu kompletten Satz von Instruktionen darüber, wie man die Wanderung des Planeten Jupiter entlang der Ekliptik über das Trapezschema beschreibt“, so der Forscher. Auf Basis dieser Beschreibungen ließen sich nun auch die vier anderen, wesentlich schlechter erhaltenen Texte nun eindeutig dem Jupiter zuordnen. (Science, 2016; doi: 10.1126/science.aad8085)

(Science, 29.01.2016 – NPO)

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