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Astronomie

Auch Schwarze Löcher zeigen Einsteins Präzession

Gravitationswellen enthüllen relativistische Bahnverschiebung bei einem Paar Schwarzer Löcher

Duo Schwarzer Löcher
Wenn Schwarze Löcher einander eng umkreisen, bewirkt ihre Rotation und Schwerkraft, dass sich ihre Bahnen auf spezielle Weise verschieben – das sagte schon Albert Einstein voraus. © NASA

„Gewichtige“ Entdeckung: Astronomen haben erstmals nachgewiesen, dass auch Schwarze Löcher den von Einstein vorhergesagten Präzessions-Effekt zeigen – eine durch Gravitations-Wechselwirkungen verursachte Verschiebung ihrer Bahnachse. Indizien dafür liefern Gravitationswellen, die ein Paar sich verschmelzender Schwarzer Löcher erzeugten. Die Obertöne dieser Wellen verraten zudem, dass die Präzessionsrate dieses Duos die mit Abstand größte je gemessene ist, wie die Forschenden in „Nature“ berichten.

Albert Einstein hat in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorausgesagt, dass Objekte mit großen Massen die Raumzeit krümmen und dadurch auch Himmelskörper in ihrer Umgebung beeinflussen. Einer dieser Einflüsse ist die sogenannte Schwarzschild-Präzession. Dabei sorgen Rotation und Schwerkraft eines massereichen Objekts dafür, dass sich die Bahnachse eines umkreisenden Planeten oder Sterns verschiebt. Die fernsten Bahnpunkte zeichnen dadurch im Laufe der Zeit eine Rosette. Diese Präzession haben Astronomen schon beim Planeten Merkur, bei einem Stern am zentralen Schwarzen Loch der Milchstraße und bei Pulsar-Paaren nachgewiesen.

Schwarzschild-Präzession
So zeigt sich die Schwarzschild-Präzession an der Bahn eines Sterns um ein Schwarzes Loch. © ESO/L. Calçada, CC-by 4.0

Auch die schwersten bekannten Objekte im Kosmos, die Schwarzen Löcher, müssten der Theorie zufolge eine solche Präzession zeigen. Lange hatten Astronomen aber keine Möglichkeit, dies nachzuweisen. Erst durch den Nachweis von Gravitationswellen ist dies möglich geworden. Denn die von sich eng umkreisenden und verschmelzenden Schwarzen Löchern verursachten Schwingungen der Raumzeit spiegeln in ihren „Obertönen“ auch die Bahnmerkmale des Systems wider.

Lautes Signal mit verräterischen Obertönen

Jetzt könnten Astronomen fündig geworden sein. Ausschlaggebend dafür war das am 29. Januar 2020 von den Gravitationswellendetektoren LIGO in den USA und Virgo in Italien eingefangene Ereignis GW200129. Das kurze Wellensignal stammte von der Verschmelzung eines 40 Sonnenmassen schweren Schwarzen Lochs mit einem zweiten, 22 Sonnenmassen schweren Partner. „Mit einem Signal-zu-Rauschen-Verhältnis von 26,5 ist dies das lauteste Signal von einem Paar Schwarzer Löcher, das bisher eingefangen wurde“, berichten Mark Hannam von der Cardiff University und seine Kollegen.

Dies ermöglichte es dem Forschungsteam, die subtilen „Obertöne“ der Raumzeitschwingungen zu analysieren und daraus die Informationen über Rotation und Orbit der Schwarzen Löcher zu gewinnen. „Gravitationswellen sind schon extrem schwach, aber die Präzession ist ein noch schwächerer Effekt, der sich im ohnehin schon schwachen Signal verbirgt“, erklärt Hannams Kollege Jonathan Thompson. „Sie ist daher sehr schwer zu identifizieren.“

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Präzession der Schwerkraftgiganten

Doch es gelang: Die Analysen ergaben, dass sich die Bahnachse der beiden Schwarzen Löcher in den letzten 0,2 Sekunden des Gravitationswellensignals deutlich verändert haben muss. „Die entsprechenden Obertöne sind zum Zeitpunkt der Verschmelzung in gleicher Phase, 0,2 Sekunden davor aber um rund 90 Grad verschoben“, berichten die Forschenden. Daraus schließen sie, dass das schwergewichtige Duo eine Schwarzschild-Präzession durchläuft.

„Wir haben immer geglaubt, dass Schwarze Löcher eine solche Präzession zeigen, und seit den ersten Messungen von Gravitationswellen haben wir gehofft, endlich ein Beispiel dafür einzufangen“, sagt Hannam. „Wir mussten mehr als fünf Jahre und gut 80 Gravitationswellen-Ereignisse lang warten – aber jetzt haben wir endlich eins gefunden.“

Die Präzession zeigt sich bei den Schwarzen Löchern von GW200129 in einem „Eiern“ ihrer gemeinsamen Rotationsachse. © V. Varma/ Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik

Überraschend schneller Zyklus

Spannend auch: Aus den Detektordaten geht hervor, dass das System einen kompletten Präzessionszyklus in nur 0,65 Sekunden durchlaufen haben muss. Zum Vergleich: Die bisher schnellste und stärkste Präzession – gemessen an einem Paar sich umkreisender Pulsare – hatte einen Zyklus von 75 Jahren. Die Präzessionsrate von GW200129 übertrifft damit alle bisherigen Beobachtungen dieses Einsteinschen Phänomens um gewaltige zehn Größenordnungen, wie Hannam und sein Team berichten.

Als mögliche Ursache für dieses hohe Tempo sehen die Astronomen die schnelle Rotation des schwereren Schwarzen Lochs in diesem Duo. „Das größere Schwarze Loch drehte sich fast so schnell wie gerade noch physikalisch möglich“, berichtet Hannams Kollege Charlie Hoy. Beim zweiten Schwarzen Loch ließ sich die Spinrate zwar nicht genauer bestimmen. Dennoch weicht dieses System damit insgesamt deutlich von allen bisher mittels Gravitationswellen detektierten Paaren Schwarzer Löcher ab: Die meisten von ihnen hatten eine eher langsame Rotation. Das passt zu der Annahme, dass die durch den Kernkollaps massereicher Sterne gebildeten Schwarzen Löcher nicht oder nur langsam rotieren.

Extreme Rarität – oder doch nicht?

„Unsere Modelle legen nahe, dass ein Doppelsystem wie GW200129 extrem selten sein muss – vielleicht entsteht es in einem von tausend Fällen“, sagt Hoy. Sollte sich dies bestätigen, dann dürfte es noch einige Zeit dauern, bis die Gravitationswellendetektoren wieder das Signal eines Duos mit solchen Merkmalen aufspüren können. Die Astronomen schätzen, dass dann in den nächsten beiden Laufzeiten der Gravitationswellen-Detektoren kein weiteres Exemplar mit schneller Rotation und Präzession gefunden wird.

Noch bedeutsamer wäre es allerdings, wenn LIGO, Virgo und Co doch demnächst wieder fündig würden. Denn das könnte bedeuten, dass die gängigen Vorstellungen zu Bildung von Doppelsystemen aus zwei Schwarzen Löchern falsch oder unvollständig sind. „Das wäre dann ein Hinweis darauf, dass wir unsere Modelle anpassen müssen“, so Hoy. (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-022-05212-z)

Quelle: Nature, Cardiff University

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