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Astronomie

Astronomen entdecken „stummen“ Pulsar

Einstein@Home ermöglicht Aufspüren des ersten radiostillen Millisekundenpulsars

Millisekundenpulsare rotieren enorm schnell und senden dabei Gammastrahlen und - normalerweise - Radiopulse aus. (Illustration) © NASA

Citizen-Science hilft Astronomen: Das Projekt Einstein@Home hat erstmals einen Pulsar entdeckt, der nur über seine Gammastrahlung aufspürbar ist. Die sonst für diese extrem schnell rotierenden Neutronensterne üblichen Radiopulse fehlten. Identifiziert wurde der „stumme“ Millisekundenpulsar anhand von Daten des Fermi-Teleskops der NASA. Die Existenz solcher „stummer“ Pulsare könnte möglicherweise erklären, woher der rätselhafte Überschuss von Gammastrahlen im Zentrum der Milchstraße kommt, so die Forscher.

Pulsare sind schnell rotierende und stark magnetische Neutronensterne – Relikte einer Supernova-Explosion. Diese ultradichten Sternenkerne senden wie ein kosmischer Leuchtturm gebündelte Strahlung verschiedener Wellenlängen aus – darunter auch energiereiche Gammastrahlen wie beispielsweise der Pulsar im Krebsnebel.

Kosmische Extremisten

Zu den extremsten Vertretern der Pulsare gehören jedoch die Millisekundenpulsare. Angetrieben vom Einfluss eines nahen Begleitsterns, drehen sich diese Neutronensterne hunderte Mal pro Sekunde um sich selbst. Der bisher schnellste Pulsar rotiert 707 Mal in der Sekunde. Doch wie viele von diesen Pulsaren es gibt, ist bisher unklar – auch, weil die fast alle bekannten Vertreter allein durch ihre Radiopulse aufgespürt wurden.

Doch Astronomen vermuten schon seit längerem, dass es auch Millisekundenpulsare gibt, die keine Radiopulse in unsere Richtung schicken. Mit Radioteleskopen sind sie daher nicht nachweisbar. Weil diese Pulsare aber auch starke Gammastrahlen aussenden, könnten sie möglicherweise mittels Gammastrahlen-Teleskopen wie dem Fermi-Weltraumteleskop aufgespürt werden. „Bisher allerdings wurde noch kein radiostummer Gammastrahlen-Millisekundenpulsar gefunden“, sagen Colin Clark vom Jodrell Bank Center for Astrophysics und seine Kollegen.

Bürgerprojekt als Fahndungshelfer

Um das zu ändern, haben die Astronomen die Fahndung nach diesen Pulsaren zu einem Bürgerprojekt gemacht: Sie speisten die gesammelten Daten des Fermi-Teleskops zu 152 unidentifizierten Gammastrahlenquellen in das Projekt Einstein@Home ein. Die verteilte Rechenleistung der Computer von mehr als zehntausend Freiwilligen half dann, die typischen Merkmale der gesuchten Pulsare aufzuspüren.

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Der gesamte Himmel im Blick des Gammasatelliten Fermi und die beiden von Einstein@Home entdeckten Gammapulsare. © Knispel, Clark/ Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik/ NASA/DOE/ Fermi-LAT-Kollaboration

Und tatsächlich: Einstein@Home hat zwei bisher unbekannte Gammastrahlen-Pulsare gefunden, die alle Anzeichen für Millisekunden-Rotationen aufweisen. Nähere Analysen bestätigten, dass sich der Neutronenstern PSR J1035−6720 pro Sekunde 348 Mal um seine Achse dreht. Beim zweiten Pulsar PSR J1744−7619 liegt die Rotationsrate bei 213 Mal pro Sekunde. „Das charakterisiert sie als Millisekundenpulsare“, so die Astronomen.

„Stummer“ Pulsar

Das Überraschende aber: „Nachdem wir die zwei Millisekundenpulsare gefunden hatten, richteten wir ein großes Radioteleskop auf sie und erwarteten, pulsierende Radiostrahlung zu finden, wie es bei allen bis dahin bekannten Millisekundenpulsaren der Fall war“, berichtet Clark. „Zu unserer Überraschung blieb eines unserer neu entdeckten Objekte im Radiobereich vollkommen still.“

Bei PSR J1035−6720 konnte die Astronomen nach mehreren Messungen mit dem Parkes-Radioteleskop immerhin sehr schwache Radiopulse feststellen – möglicherweise weil der Kegel der Kegel dieser Radiopulse die Erde nur streift. Beim Pulsar PSR J1744−7619 jedoch fehlten jegliche Radiosignale – obwohl es sie der Ausrichtung der Gammastrahlen nach eigentlich geben müsste. Damit haben die Astronomen den ersten radiostillen Millisekundenpulsar entdeckt.

Das Zentrum unserer Milchstraße sendet einen rätselhaften Überschuss an Gammastrahlung aus. © NASA, A. Mellinger/ Central Michigan University, T. Linden/ University of Chicago

Gammaglühen doch nicht von Dunkler Materie?

Das Spannende daran: Sollte es noch mehr solcher „stummer“ Gammastrahlenpulsare geben, dann könnte dies einige offenen Fragen der Astronomie klären. Eine davon betrifft einen rätselhaften Überschuss an Gammastrahlung im Zentrum der Milchstraße. Diese Strahlung könnte – das glauben zumindest einige Astrophysiker – ein Hinweis auf die gegenseitige Auslöschung von Teilchen der Dunklen Materie sein. Neuere Auswertungen der Fermi-Daten jedoch ergaben, dass dieses „Gammaglühen“ eigentlich zu punkförmig und ungleichmäßig verteilt ist, um von der Dunklen Materie zu stammen.

Doch woher dann? Die aktuelle Entdeckung des „stummen“ Gammastrahlenpulsars könnte die entscheidende Antwort liefern. Denn wie Clark und seine Kollegen erklären, stimmen die Merkmale des rätselhaften Gammaglühens relativ gut mit den Eigenschaften der jetzt nachgewiesenen Gammastrahlen-Millisekundenpulsare überein. „Der Gammastrahlung-Überschuss im galaktischen Zentrum könnte daher von tausenden noch unentdeckten Millisekundenpulsaren stammen“, so die Forscher.

Ihrer Ansicht nach könnten weitere Gammapulsar-Suchprojekte wie die jetzt mit Einstein@Home durchgeführte diese verborgene Population von radiostillen Millisekundenpulsaren aufspüren. Wichtig sei dabei, solche Fahndungen „blind“ durchzuführen – also ohne vorherige Einschränkungen der Daten oder der Suchbereiche. (Science Advances, 2018; doi: 10.1126/sciadv.aao7228)

(Max-Planck-Institut für Radioastronomie, 02.03.2018 – NPO)

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