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Astronomie

Astronomen entdecken einen „unmöglichen“ Planeten

Gasriese umkreist seinen Stern zu weit entfernt für die gängigen Entstehungs-Szenarien

Der junge Exoplanet HD 106906 b umkreist seinen Stern ungewöhnlich weit entfernt © NASA/JPL-Caltech

Diesen Planeten dürfte es eigentlich gar nicht geben. Denn er umkreist seinen Stern so weit entfernt, dass keine der gängigen Theorien zur Planetenbildung dies erklären kann. Sein Orbit liegt 650-mal weiter vom Stern entfernt als der der Erde – und damit in einem Bereich, in dem es eigentlich zu wenig Material für die Entstehung eines Planeten gibt. Der junge Exoplanet könnte zwar ein gescheiterter Doppelstern-Partner sein, aber auch dabei passt Einiges nicht ins Bild, wie die Astronomen berichten.

Die meisten Planeten entstehen auf zwei Wegen: Entweder sie wachsen alllmählich in einer großen Scheibe aus Staub und Gas heran, die einen junge Stern umkreist. Auf diese Weise bildeten sich auch die Erde und die meisten Planeten unseres Sonnensystems. Oder aber sie entstehen ähnlich wie Sterne, indem lokal instabile Stellen der Urwolke in sich zusammenfallen und sich zu einem Materieklumpen verdichten. Auf diese Weise haben sich vermutlich einige der großen Gasriesen unter den Exoplaneten gebildet.

Zu weit außen für gängige Szenarien

Doch jetzt haben Astronomen mit Hilfe des Magellan-Teleskops in der chilenische Atacama-Wüste einen Exoplaneten entdeckt, der in keines der beiden gängigen Szenarien passt: 299 Lichtjahre von der Erde entfernt, umkreist dieser Planet den weißlich leuchtenden Stern HD 106906. Das Besondere daran: Der Orbit des Gasriesen von etwa der elffachen Jupitermasse liegt 650 mal weiter von seinem Stern entfernt als die Erdbahn von der Sonne.

Das aber ist das Problem. Denn so weit vom Stern entfernt enthält die Gas- und Staubwolke, in der sich normalerweise Planeten bilden, kaum mehr Material – und schon gar nicht ausreichend für einen solchen Riesenplaneten. Er kann daher nach Ansicht der Astronomen eigentlich weder durch Akkretion noch durch einen lokalen Kollaps entstanden sein. „Dieser Planet wirft spannende Fragen auf zu seiner Bildungsgeschichte und Zusammensetzung“, sagt Koautorin Tiffany Meshkat vom Observatorium der Universität Leiden. Denn keines der Modelle zu Planetenbildung könne die Existenz dieses Himmelskörpers vollstüändig erklären.

Infrarotaufnahme des Sterns HD 106906 und seines Planeten: Dieser mehr als 20 Mal weiter entfernt als der Neptun von der Sonne © Vanessa Bailey

Ein gescheiterter Stern?

Theoretisch gäbe es noch eine weitere Möglichkeit, wie dieser so fern von seinem Stern kreisende Planet entstanden sein könnte: Er könnte der gescheiterter Partner eines Doppelsternsytems sein. „Ein Doppelstern entsteht, wenn zwei benachbarte Gaswolken unabhängig voneinander kollabieren und Sterne bilden“, erklärt Studienleiterin Vanessa Bailey von der University of Arizona in Tucson. „Sind diese Sterne einander nahe genug, ziehen sie sich gegenseitig an und beginnen, sich zu umkreisen – ein Doppelstern entsteht.“

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Das könnte im Prinzip auch bei HD 106906 und seinem Planeten der Fall gewesen sein – und würde den ungewöhnlich großen Abstand zwischen beiden erklären. „Im Falle des HD 106906-Systems hatte der Gasklumpen, aus dem der Planetenvorläufer entstand, aus irgendweinem Grund nicht genügend Material. Dadurch wurde der neue Himmelskörper nie groß genug, um die Kernfusion zu zünden und ein Stern zu werden“, erklärt die Astronomin.

Aber auch bei dieser Erklärung gibt es einen Haken: In einem solchen Fall liegen die Massen der beiden Partner normalerweise maximal um eine Größenordnung auseinander, sie bilden ein Verhältnis von weniger als 1:10. Bei HD 106906 und seinem Planeten liegen aber zwei Größenordnungen dazwischen, der Stern hat mehr als hundertmal so viel Masse wie sein Planet. „Dieses extreme Massenverhältnis ist in den Doppelstern-Bildungstheorien nicht vorgesehen“, sagt Bailey. Auch dieses Szenario ist daher mit reichlich Fragezeichen behaftet.

Reste der Bildungsscheibe noch vorhanden

Die Beobachtungen zeigen, dass HD 106906 b erst 13 Millionen Jahre alt ist – und damit extrem jung. Das erklärt auch, warum der Planet noch relativ viel Hitze ausstrahlt: Er ist rund 1.500 Grad Celsius heiß, wie die Astronomen aus der von ihm ausgesandten Infrarotstrahlung schließen. Und noch etwas deutet auf sein geringes Alter hin: Die Forscher fanden auch Anzeichen dafür, dass in diesem Planetensyystem noch Reste der Gas- und Staubscheibe zu finden sind, aus der beide Himmelskörper einst entstanden sind.

„Systeme wie dieses, wo wir zusätzliche Informationen über die Umgebung gewinnen können,m könnten uns dabei helfen, die verschiedenen Bildungsmodelle auseinander zu dividieren“, sagt Bailey. Sie und ihre Kollegn hoffen nun, das künftige, noch genauere Beobachtungen dieses „unmöglichen“ Planeten, seiner Bahnbewegung und den Resten seiner Bildungsscheibe dabei helfen könnten, das Rätsel seiner Entstehung zu lösen. (The Astrophysical Journal Letters, 2013; arXiv:1312.1265)

(University of Arizona, 06.12.2013 – NPO)

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