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Raumfahrt

Astronauten: Dement durch Marsflug?

Die kosmische Strahlung könnte das Gehirn von Astronauten nachhaltig schädigen

Bis die Astronauten auf dem Mars ankommen, könnte die kosmische Strahlung ihr Gehirn schon geschädigt haben. © NASA

Verdummte Astronauten: Die kosmische Strahlung auf dem Flug zum Mars könnte bei den Astronauten erhebliche Hirnschäden verursachen. Das zumindest legen nun Versuche mit Mäusen nahe. Schon niedrige Dosen des energiereichen Teilchen-Bombardements führte bei ihnen zu kognitiven Einbußen und sichtbaren Veränderungen im Gehirn. Der Schutz von Astronauten gegen diese Strahlenfolgen müsse vor einem Langzeitflug unbedingt gewährleistet sein, betonen die Forscher im Fachmagazin „Science Advances“.

Schon ab 2030 planen die großen Raumfahrtagenturen Vorbereitungen für eine erste bemannte Marsmission. Neben den psychischen Problemen einer mehr als neunmonatigen Reise auf engem Raum und den Wirkungen der Schwerelosigkeit auf ihren Körper wären die Astronauten auch enormen Dosen kosmischer Strahlung ausgesetzt. Allein auf dem Hinflug könnte ein Besatzungsmitglied bereits eine Dosis von einem Sievert abbekommen, wie Forscher 2013 ermittelten. Das aber ist ein Wert, der bisher als Maximum für die gesamte Lebensdosis eines Astronauten gilt.

Abschirmung hilft kaum

Das Problem dabei: „Eine Belastung durch diese energiereichen Partikel ist unausweichlich, denn sie fliegen mit nahezu Lichtgeschwindigkeit und passieren die Hülle jedes Raumschiffs und jedes Gewebe ohne Probleme“, erklären Vipan Parihar von der University of California in Irvine und seine Kollegen. Teile des Sonnenwinds lassen sich zwar abschirmen, ein Großteil dieser energiereichen kosmischen Strahlung, die unter anderem bei fernen Supernovae entsteht, aber nicht.

Was diese Strahlung im Gehirn eines Astronauten anrichten könnte, haben Parihar und seine Kollegen nun in Versuchen mit Mäusen genauer untersucht. Sie setzen die Tiere dafür relativ niedrigen Dosen energiereicher Sauerstoff und Titan-Partikel aus, die Dosierung lag zwischen 5 und 30 Zehntel-Gray. Sechs Wochen nach der Bestrahlung unterzogen sie die Mäuse verschiedenen kognitiven Verhaltenstests und untersuchten die Veränderung der Neuronen in ihrem Gehirn.

Auf dem Weg zum Mars wären Astronauten der kosmischen Strahlung nahezu ungeschützt ausgesetzt. © NASA

„Signifikante Defizite“

„Verglichen mit den Kontrolltieren zeigten die mit niedrigen Dosen bestrahlten Mäuse signifikante Defizite sowohl bei der Erkennung neuer Objekte als auch beim Ortsgedächtnis“, berichten die Forscher. Hirnscans enthüllten, dass die Gehirnzellen vor allem im präfrontalen Cortex und im Hippocampus verändert waren: Sie besaßen weniger Zellausläufer, sogenannte Dendriten, als normal. In den Synapsen der bestrahlten Mäuse registrierten die Forscher zudem biochemische Veränderungen.

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„Diese Daten enthüllen eine unerwartete und einzigartige Anfälligkeit des zentralen Nervensystems für die kosmische Strahlung“, so Parihar und seine Kollegen. Die Strahlung schädigte im Mäuseversuch genau die Bereiche besonders stark, die für das Gedächtnis und die Konzentration entscheidend sind.

Priorität für die NASA

„Das sind keine guten Nachrichten für Astronauten, die auf einem zwei- bis dreijährigen Flug zum Mars und zurück unterwegs wären“, sagt Koautor Charles Limoli von der University of California. „Leistungseinbußen, Gedächtnisprobleme und Defizite in der Aufmerksamkeit und Konzentration könnten missionskritische Aktivitäten beeinträchtigen.“ Hinzu kommt, dass dies Einbußen auch nach dem Raumflug lange anhalten.

Die NASA-Raumkapsel Orion (ganz rechts) zusammen mit einem Hilfsschiff im Marsorbit © NASA

Zwar treten diese Effekte erst nach einiger Zeit, beim Menschen wahrscheinlich nach einigen Monaten auf, wie die Forscher erklären. Doch die Reise zum Mars dauert lange genug, so dass die Astronauten diese Folgen spüren würden, noch bevor sie an ihrem Ziel angekommen wären. „Das hat daher große Bedeutung für die bemannte Erkundung des Weltraums“, so Parihar und seine Kollegen. Die Lösung dieses Gesundheitsproblems muss erste Priorität für die NASA haben, wenn sie längere Raumfahrmissionen vorbereitet.“

Medikamente gegen die Strahlenfolgen?

Aber was kann getan werden? Eine besonders starke Abschirmung vor allem der Schlafplätze könnte die Belastung etwas reduzieren. Aber gegen die energiereichsten Partikel hilft auch dies nicht. „Ihnen kann man nicht entkommen“, so Limoli.

Möglicherweise aber könnten die Gehirnzellen mit Hilfe von Medikamenten vor der Strahlenwirkung geschützt werden, meinen die Forscher. „Wir arbeiten bereits an pharmazeutischen Strategien, darunter Wirkstoffen, die freie Radikale einfangen und die Signalübertragung im Gehirn schützen“, erklärt Limoli. „Aber diese Ansätze sind gerade erst in der Entwicklung und müssen weiter optimiert werden.“ (Science, aDvances, 2015;

“ target=“_blank“> doi: 10.1126/sciadv.1400256)

(University of California – Irvine, 04.05.2015 – NPO)

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