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Klima

Zentralasien: Wüsten und Steppen rücken vor

Trockene Klimazonen haben sich seit den 1980er Jahren rund 100 Kilometer nordwärts ausgedehnt

Steppe
Die zentralasiatischen Wüsten und Steppen, hier in Kasachstan, breiten sich weiter nach Norden aus. © Lina Shatalova/ Getty images

Verschobene Zonen: In Zentralasien haben sich die ohnehin schon dominierenden Steppen und Wüsten noch weiter ausgedehnt. Seit den 1980er Jahren sind diese trockenen Klimazonen bereits um rund 100 Kilometer nach Norden vorgerückt. Parallel dazu fallen Niederschläge in den Gebirgen immer häufiger als Regen statt als Schnee, wie Forscher berichten. Dadurch fehlt es gerade im Frühjahr – während der Wachstumsperiode der Nutzpflanzen – immer häufiger an Wasser.

Der Klimawandel lässt nicht nur die globalen Mitteltemperaturen steigen und Wetterextreme häufiger werden – er verschiebt auch ganze Klimazonen. Schon jetzt hat sich der Tropengürtel rund um den Äquator messbar verbreitert, in Nordamerika sind die Ökosysteme der Great Plains bis zu 590 Kilometer nach Norden gewandert. Und selbst hierzulande haben sich die Sommer verlängert und die Winter verkürzt.

Zentralasien im Fokus

Ein weiteres Gebiet, in dem sich der Klimawandel besonders stark bemerkbar macht, ist Zentralasien. Diese weite, von Steppen und Wüsten geprägte Region zwischen Kaukasus und dem Westen Chinas war einst die Heimat nomadischer Steppenvölker, die mehrfach bis nach Europa vordrangen und unsere Geschichte entscheidend prägten. Bis heute macht das vorwiegend trockene Klima diese Regionen besonders anfällig für Ernteausfälle und Wassermangel.

„Schon kleine Abweichungen von den mittleren oder erwarteten Regenfällen während der Wachstumszeit können für die Landwirtschaft und soziale Stabilität dieser Region verheerend sein“, erklärt Erstautor Qi Hu von der University of Nebraska-Lincoln. Frühere Studien hatten bereits Hinweise darauf geliefert, dass der Klimawandel das Klimaregime Zentralasiens grundlegend verändert und unter anderem kombinierte Hitze- und Dürreperioden häufiger macht.

Immer wärmer und trockener

Jetzt zeigt sich, dass der Klimawandel auch die Klimazonen Zentralasiens schon erheblich verändert und verschoben hat. Für ihre Studie hatten Hu und sein Kollege Zihang Han von der Lanzhou Universität in China Wetterdaten in Zentralasien zu Temperaturen und Niederschlägen ab 1960 ausgewertet. Die Forscher verglichen dabei die Lage und Ausdehnung der verschiedenen Klimazonen in der Zeit von 1960 bis 1980 mit dem Stand von 1990 bis 2020.

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Das Ergebnis: Wie anderswo auch haben sich die Jahresmitteltemperaturen in Zentralasien erhöht – in den 30 Jahren seit 1990 im Schnitt um 0,6 bis 1,7 Grad. Parallel dazu nahmen die Niederschläge in den meisten Regionen deutlich ab. Diese Kombination von Erwärmung und Austrocknung hatte auch Folgen für die Zuordnung der Klimazonen, wie die Wissenschaftler erklären.

100 Kilometer nach Norden ausgedehnt

„Die prominenteste Veränderung seit den 1980er Jahren ist dabei die Ausdehnung des Wüstenklimas nach Norden und Osten“, berichten die Forscher. Die Nordgrenze des trockenen Wüstenklimas hat sich dabei um rund 100 Kilometer nach Norden verschoben. „Diese Veränderungen zeigt sich entlang der gemäßigten Breiten im Norden von Usbekistan und Kirgistan, im südlichen Kasachstan und auch am nördlichen und östlichen Rand des Junggar-Beckens in Westchina“, so das Team. In diesen Gebieten sind die Sommer deutlich trockener geworden, Regen fällt nur noch in den kühleren Wintermonaten.

Parallel dazu ist auch die nördlich angrenzende Zone des Steppenklimas um etwa das gleiche Maß nach Norden vorgedrungen. Die Steppe hat dort die für das zuvor herrschende feucht-gemäßigte Klima typischen Misch- und Nadelwälder weitgehend verdrängt. Unter anderem der Norden der chinesischen Region Xinjiang ist dadurch weiter versteppt oder zur Wüste geworden.

Steilerer Gradient von Temperatur und Niederschlägen

Doch nicht überall in Zentralasien ist es trockener geworden: In den Höhenlagen der Gebirge haben die Niederschläge sogar leicht zugenommen, wie Hu und Han feststellten. Allerdings ist auch dies weniger positiv als es zunächst klingt. Denn dadurch kommt es zu einem auf engeren Raum zusammengestauchten Gradienten der Niederschläge und Temperatur – der Wechsel von trocken-warmem Steppenklima zu kühlfeuchtem Klima geschieht auf kürzerer Strecke als zuvor.

Das beeinflusst die Luftdruckverteilung und verstärkt die Westwinde in dieser Übergangsregion. Dies wiederum führt zu einem vermehrten Einstrom trockener Luft und weniger Regenwolken. „Eine mögliche Folge könnte sein, dass der steilere Gradient eine positive Rückkopplung verursacht, die die Ausbreitung des trockenen Klimas nach Norden sogar noch beschleunigt“, erklären die Wissenschaftler.

Weniger Schmelzwasser im Frühjahr

Ein weiteres Problem: Die Niederschläge in den höheren Lagen der Gebirge fallen wegen der Erwärmung inzwischen immer häufiger nicht mehr als Schnee, sondern als Regen. Dadurch nimmt die Schneedecke in den Gebirgen ab und als Folge verringert sich auch das Schmelzwasser im Frühjahr, das für die am Fuß der Berge und in den Ebenen liegenden Gebiete häufig eine wichtige Wasserressource darstellt.

„Wenn sich dies noch 20 oder 30 Jahre lang fortsetzt, dann könnten die Berggletscher und Schneedecken ganz verschwinden“, sagt Hu. „Dann blieben nur noch die spärlichen Sommerregen, die nicht ausreichen werden, um den Wasserpegel in den Seen und die Bodenfeuchte während der landwirtschaftlichen Wachstumssaison ausreichend hoch zu halten.“

Für die Bewohner der ausgedehnten Steppengebiete Zentralasiens bedeuten diese Klimaveränderungen damit eine Verringerung ihrer Wasserressourcen in zweifacher Hinsicht: Es regnet weniger, gleichzeitig führen die von Schmelzwasser gespeisten Flüsse im Frühjahr weniger Wasser – genau dann, wenn die Pflanzen es am dringendsten benötigen. (Geophysical Research Letters, 2022; doi: 10.1029/2022GL098895)

Quelle: University of Nebraska-Lincoln

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