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Klima

Wie stark steigen die Pegel bei zwei Grad Erwärmung?

Neue Prognose zum Meeresspiegel-Anstieg zeigt lokale Extreme für viele Küstenstädte

Diese Küsten wären betroffen, wenn der Meerespiegel um einen Meter steigt- was bis 2100 möglich wäre. Lokal aber wären sogar Pegelansteige um bis zu zwei Meter möglich. © NASA

Gravierende Folgen schon ab zwei Grad: Passend zum Weltklimagipfel in Marrakesch haben Klimaforscher neue Prognosen für den Meeresspiegel-Anstieg veröffentlicht. Sie zeigen: Schon bei zwei Grad Erwärmung könnten die US-Ostküste und Norwegen 40 Zentimeter höhere Pegel bis 2050 erleben. Steigen die Temperaturen bis 2100 um fünf Grad, müssten viele Megacities in Asien sogar mit zwei Meter Meeresspiegel-Anstieg kämpfen, so die Forscher.

Durch die globale Erwärmung steigen die Meeresspiegel so schnell wie seit 3.000 Jahren nicht mehr. Messungen zeigen, dass allein von 1900 bis 2000 die weltweiten Pegel um 14 Zentimeter angestiegen sind. Die ersten Folgen machen sich bereits bemerkbar: Schon jetzt versinken sogar in den USA einige Inseln im Meer, New York erlebt drei Mal häufiger Superstürme wie „Sandy“ und viele Weltkulturerbe-Stätten gelten als vom Untergang bedroht.

Allerdings: Die künftige Entwicklung der Meeresspiegel vorherzusagen ist nicht einfach. Zum einen weichen lokale Pegel stark vom globalen Durchschnitt ab, weil sich Meeresströmungen, Schwerkrafteffekte von Gletschern und weitere komplexe Wechselwirkungen jeweils unterschiedlich stark auswirken. Zum anderen herrscht noch beträchtliche Unsicherheit bei den Prognosen zur künftigen Eisschmelze.

Prognosen für 136 Küsten-Metropolen

Passend zum Weltklimagipfel in Marrakesch haben nun Svetlana Jevrejeva vom National Oceanography Centre in Liverpool und ihre Kollegen neue Prognosen des Meeresspiegel-Anstiegs veröffentlicht. Ihre Berechnungen zeigen nicht nur, wie sich der globale Pegel der Ozeane verändern könnte, sondern auch, wie sich die lokalen Meeresspiegel für die 136 größten Küstenstädte der Erde entwickeln werden.

Die Wahrscheinlichkeits-Analysen der Forscher umfassen die Ergebnisse von 33 Modellen und 5.000 Simulationsdurchgängen. Sie zeigen, wie hoch der Meeresspiegel global und in den verschiedenen Regionen steigen würde, wenn bis Mitte des Jahrhunderts zwei Grad Erwärmung und bis 2100 fünf Grad Erwärmung erreicht würden – eine Entwicklung, die dem business-as-usual-Szenario des IPCC entspricht.

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2050: US-Ostküste und Norwegen stärker betroffen

Das Ergebnis: Erreicht die globale Erwärmung bis 2050 zwei Grad, dann würden die Meeresspiegel im globalen Mittel um 20 Zentimeter ansteigen. Das entspricht etwa der im letzten Weltklimabericht prognostizierten Entwicklung. Allerdings: „Mehr als 90 Prozent der Küstenregionen werden einen deutlich stärkeren Anstieg erleben“, berichten die Forscher.

Lokale Anstiege der Meeresspiegel bei einer Erwärmung um zwei, vier und fünf Grad. Links der Mittelwert, rechts die Extremwerte für die obersten fünf Prozent. © Jevrejeva et al./PNAS

Den neuen Prognosen nach könnten die Pegel bis 2050 entlang der US-Ostküste und in Norwegen sogar um bis zu 40 Zentimeter ansteigen. Entlang der ohnehin tiefliegenden Küsten Süd- und Südostasiens, darunter auch in Bangladesch, wären es immerhin noch rund 30 Zentimeter. Eher gemäßigt wären die Folgen dagegen für die deutsche Nordseeküste: Hier sagen die Forscher bis 2050 nur 25 Zentimeter Pegelanstieg voraus.

Doppeltes Landunter

Für viele Megacities in Küstennähe könnte dies fatale Folgen haben, denn haben mit einem weiteren Problem zu kämpfen: der Bodenabsenkung. Durch die Entnahme von Grundwasser und geologische Prozesse sinkt der Untergrund vieler Ballungsräume stetig ab. „Bis 2025 wird Jakarta dadurch um 1,80 Meter absinken, Manila um 40 Zentimeter, Bangkok um 19 und New Orleans um 20 Zentimeter“, berichten Jevrejeva und ihre Kollegen.

Teile dieser Metropolen könnten dadurch bis Mitte des Jahrhunderts unter Wasser liegen. Schon vor einigen Jahren haben Forscher ausgerechnet, dass die Kombination von Bodenabsenkung und Meeresspiegel-Anstieg bis zum Jahr 2050 Flutschäden von mehr als einer Billion US-Dollar pro Jahr verursachen könnten – wenn keine rechtzeitigen Schutzmaßnahmen ergriffen werden.

Vielerorts sind zwei Meter bis 2100 möglich

Noch gravierender aber wären die Folgen, wenn die Temperaturen bis 2100 um rund fünf Grad steigen. Dann könnte der Meeresspiegel örtlich sogar um bis zu zwei Meter ansteigen – trotz eines globalen Durchschnitts von „nur“ 90 Zentimetern. „Die Megacities Süd- und Südostasiens könnten im Extremfall eine obere Spanne von knapp zwei Metern erreichen, ebenso einige große Städte entlang der US-Ostküste“, so die Wissenschaftler.

In der Region Miami wären bei einem weiteren Meeresspiegelanstieg besonders viele Menschen betroffen. © Tesss / CC-by-sa 3.0

„Ein solcher Anstieg um zwei Meter wird zu einer Vertreibung der urbanen Bevölkerungen führen – rund 2,5 Millionen aus tiefliegenden Gebieten Miamis, 2,1 Millionen Menschen aus Guangzhou, 1,8 Millionen aus Mumbai und mehr als eine Million aus Osaka, Tokio, New Orleans, New York und Ho-Chi-Minh-Stadt“, prognostizieren Jevrejeva und ihre Kollegen. Auch die ohnehin nur knapp über dem Meeresspiegel liegende Inseln des Pazifik und Indischen Ozean wären davon betroffen.

Können wir das noch verhindern?

Noch folgt der Klimawandel einen Trend, der diese Zukunft sehr wahrscheinlich macht. „Diese Studie zeigt vor allem eines: Wenn die Klimaschutzziele nicht umgesetzt werden, dann sind die von den Autoren projizierten Meeresspiegel- und Temperaturänderungen mit der entsprechenden Wahrscheinlichkeit zu erwarten“, kommentiert Angelika Humbert vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven die Prognosen ihrer Kollegen.

Bisher würden die beim UN-Klimasekretariat eingereichten nationalen Klimaschutzpläne nur ausreichen, um die Erwärmung auf drei Grad zu begrenzen. Und angesichts der Tatsache, dass die globale Erwärmung schon jetzt ein Grad erreicht hat, ist fraglich, ob ein Überschreiten der angestrebten Zwei-Grad-Grenze noch rechtzeitig verhindert werden kann. Aber das Klima-Abkommen von Paris und der Weltklimagipfel in Marrakesch könnten zumindest dazu beitragen, die schlimmeren Szenarien abzuwenden. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2016; doi: 10.1073/pnas.1605312113)

(PNAS, 08.11.2016 – NPO)

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