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Wie sicher sind Offshore-Windanlagen?

Nordsee-Forschungsplattform misst Bodenreaktion in Echtzeit

Forschungsplattform © Achim Kopf, DFG-Forschungszentrum Ozeanränder

Die Nutzung der Windenergie auf dem Meer durch so genannte Offshore-Anlagen gilt als viel versprechend, ist aber auch aufgrund unerforschter Umweltrisiken umstritten. Seit September 2003 sammelt daher die Forschungsplattform FINO1 rund 45 Kilometer nördlich der Nordseeinsel Borkum zahlreiche Daten über die möglichen Auswirkungen solcher Windparks. Nun erhält die Plattform technischen Zuwachs: ein Mini-Ozeanboden Observatorium des DFG-Forschungszentrums Ozeanränder (RCOM) soll Aufschluss über die mechanischen Belastungen geben, die eine Verankerung der Anlagen im Meeresboden mit sich bringt.

Das Observatorium besteht aus einer Unterwasser-Basisstation, die als Verteilersteckdose dient und an die andere Messgeräte angeschlossen werden können. Zwei Geräte werden gleich installiert: Mit einer im Sediment steckenden Sensorlanze des RCOM lässt sich die Verformung des Untergrundes direkt mit den Wetter- und Seedaten der restlichen Plattform verknüpfen. Außerdem installieren Biologen des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) ein Fischecholot, dass zeigen soll, wie gerne Fische sich an solchen Strukturen aufhalten.

Eine unscheinbare Box, die an die Querträger der Stützkonstruktion der Plattform angebracht wird, hat es in sich: Sie bietet Strom- und Datenübertragungsanschlüsse für neun verschiedene Geräte zur restlichen Plattform. So können ohne großen Aufwand Unterwasser Geräte ausgetauscht und neu eingebracht werden. Außerdem kann über die Funkverbindung mit der Plattform die Box und damit die daran angeschlossenen Geräte angesteuert werden. Dies ist praktisch, wenn sich zum Beispiel besonders interessante Messwerte bei starker Wellenbelastung abzeichnen. Dann können die Intervalle zwischen den einzelnen Messungen eines Geräts per Funk verkürzt werden.

Messlanze im Meeresboden

Gerätebox im Test © Achim Kopf, DFG-Forschungszentrum Ozeanränder

Im gleichen Zug mit dieser Plug und Play-Box spült die Arbeitsgruppe Geotechnik des DFG-Forschungszentrum Ozeanränder um Professor Achim Kopf eine Messlanze in das Sediment nahe der Pfahlgründung in den Meeresboden. Dieses zwei Meter lange Gerät misst den Druck des Meerwassers in den Poren des Bodens, dessen Temperatur und den Neigungswinkel der Lanze. Diese Werte charakterisieren die von der Plattform übertragenen Bewegungen in den Untergrund. So kann mit der Messlanze erfasst werden, wie groß der Druck ist, der zum Beispiel bei einem Sturm auftritt. Und da die Basisstation es ermöglicht, die Daten in Echtzeit mit den Daten der Windmessanlage, des Seegangs und der resultierenden Verformung der Plattform zu korrelieren, kann man mit den Daten herausfinden, welche Belastungen der Plattform sich direkt auf den Meeresboden übertragen. Dies hilft nicht nur, Off-Shore-Anlagen sicherer zu machen, sondern sind gute Vorübungen für Erdbeben und Tsunami-Frühwarnanlagen, die ebenfalls den Druck als Messparameter nutzen.

FINO1 in der Nordsee © Achim Kopf, DFG-Forschungszentrum Ozeanränder

Das Fischecholot des AWI, das ebenfalls an die Basisstation andockt, soll aus 100 Meter Entfernung beobachten, welchen Einfluss die Plattform auf Fische hat. Vermutet wird, dass sich mehr Fische in der Gegend der Struktur aufhalten, da bekannt ist, dass treibende oder feste Gegendstände Fische anziehen. Sie finden hier Schutz und Brutplätze. Tiere und Pflanzen, die sich auf den Strukturen niederlassen, bieten zusätzlich eine Nahrungsquelle. Taucher berichteten bereits von solchen Ansammlungen an der Plattform. Mit Hilfe des schwenkbaren Echolots sollen jetzt ferngesteuert detaillierte Zählungen vorgenommen werden.

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Die Plattform selbst sammelt natürlich noch viele weitere Daten: Windrichtung und -geschwindigkeit in verschiedenen Höhen, Lufttemperatur, Feuchtigkeit, Druck, Sonneneinstrahlung, insbesondere UV-A, Regen, Wellenhöhe, -periode und -richtung, Strömungsgeschwindigkeit und -richtung, Wasserstand, sowie Temperatur, Salz- und Sauerstoffgehalt des Wassers sowie die Verformung der Struktur selbst. Der biologische Teil des Messprogramms erfasst den Bewuchs der Unterwasserstruktur, die Ansiedlung von Fischen und Bodenorganismen und den Vogelzug über Radar, akustisch und optisch.

Daten online einsehbar

Besonders interessant ist auch, dass die meteorologischen Daten zu Wellenhöhe und -richtung, Windrichtung und -stärke sowie die Luft- und Wassertemperatur online eingesehen werden können. Die Daten können alle 10 Minuten im Internet aufgerufen werden, und werden durch Bilder der ständig aktualisierten Webcams ergänzt. Neben diesem Service für die Öffentlichkeit wird die gesamte Datenfülle ständig ans Festland nach Bremerhaven übertragen und dort an die beteiligten Wissenschaftler verteilt. Durch die hervorragende Kooperation und fachliche Vielschichtigkeit der beteiligten Forscher liegen schon jetzt viel versprechende Daten des Standorts FINO1 vor. Im kommenden Jahr plant das Umweltministerium, dort das erste deutsche Testfeld für Windturbinen in einer Liaison zwischen Industrie und Wissenschaft anzusiedeln.

Weitere Informationen:

Forschungsplattform FINO1

FINO1 – Erfahrungen beim Bau und Messbetrieb (pdf, 250kb)

(Kirsten Achenbach, DFG-Forschungszentrum Ozeanränder, 30.08.2006 – AHE)

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