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Erdgeschichte

Wie lebensfreundlich war die Urerde?

Der UV-Schutz durch die Ozonschicht entwickelte sich später als angenommen

ERde
Die schützende Ozonschicht unseres Planeten könnte später entstanden sein als gedacht. © Magnilion/ Getty images

Wenig Schutz: Die Lebensbedingungen auf unserem Planeten könnten härter gewesen sein als gedacht. Denn die Ozonschicht war bis vor rund 400 Millionen Jahren nur relativ dünn – der Sauerstoffgehalt der Erdatmosphäre reichte für mehr Ozonnachschub noch nicht aus, wie neue Modellsimulationen nahelegen. Als Folge erhielt die Erdoberfläche mehr schädliche UV-Strahlung, was die Entwicklung des Lebens und später der Landtiere negativ beeinflusst haben könnte.

Magnetfeld und Atmosphäre spielen eine Schlüsselrolle für die Lebensfreundlichkeit unseres Planeten. Denn ohne diese Schutzschilde wäre die Erdoberfläche tödlichen Dosen energiereicher Strahlung aus dem All ausgesetzt. Die Ozonschicht in der Stratosphäre wirkt dabei als Filter für die UV-Strahlung der Sonne. Fehlt sie oder ist sie ausgedünnt, steigt das Risiko für Zellschäden und Hautkrebs.

SAuerstoffgehalt
Sauerstoffgehalt der Atmosphäre im Laufe der Erdgeschichte. GOE = Great Oxidation Event, NOE = Neoproterozoic Oxidation Event, CE = Kambrische Explosion der Artenvielfalt.© Gregory Cooke/ Royal Society Open Science

Ohne Sauerstoff keine Ozonschicht

„Aber die irdische Ozonschicht gäbe es nicht, wenn die Erdatmosphäre heute nicht reichlich molekularen Sauerstoff enthalten würde“, erklären Gregory Cooke von der University of Leeds und seine Kollegen. Denn das dreiatomige Ozon (O3) wird erst durch chemische Reaktionen des zweiatomigen Sauerstoffs gebildet. Die Erdatmosphäre enthielt aber anfangs so gut wie keinen Sauerstoff.

Erst vor rund 2,4 Milliarden Jahren hatten die ersten Cyanobakterien genügend Sauerstoff produziert, um die Atmosphäre damit anzureichern. Nach diesem sogenannten Great Oxidation Event (GOE) stiegen die O2-Werte auf einige Hundertstel des heutigen Anteils von rund 21 Prozent. Vor rund 600 Millionen Jahren kam es dann zu einem weiteren Anstieg. Von da an fluktuierte der Sauerstoffgehalt der Erdatmosphäre zwischen 10 und 150 Prozent der heutigen Werte, wie die Forscher erklären.

Zeitreise in die Erdgeschichte

Doch ab wann bildete sich die schützende Ozonschicht? Ausgehend von vereinfachten Atmosphärenmodellen gingen Wissenschaftler bisher davon aus, dass eine ausreichend schützende Ozonschicht schon ab der ersten großen Oxygenierung bestand. Um die dafür nötige stratosphärische Ozondichte von 120 bis 185 Dobson-Einheiten zu erzeugen, genügte diesen Modellen zufolge schon ein Prozent des heutigen O2-Wertes.

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Ob das stimmt, haben nun Cooke und sein Team erstmals mithilfe eines komplexeren, dreidimensionalen Atmosphärenmodells überprüft. Mit diesem spielten sie durch, wie sich die Ozonschicht unter den Bedingungen der Erdgeschichte und des atmosphärischen Sauerstoffgehalts entwickelt hat. Dabei berücksichtigten sie auch Einflüsse anderer Atmosphärengase und die früher noch schwächere Sonneneinstrahlung.

Weniger Ozon und mehr UV-Strahlung

Das überraschende Ergebnis: Um die Ozonschicht zu produzieren, war offenbar deutlich mehr Sauerstoff nötig als bislang angenommen. „Die mittlere Dichte des gebildeten Ozons ist in unseren Resultaten 1,2- bis 2,9-mal niedriger als in den frühere Simulationen“, berichten Cooke und sein Team. Gehe man von den Miniumwerten aus, liegen die Ozondichten für eine Atmosphäre mit einem Prozent des heutigen Sauerstoffgehalts sogar drei bis 4,7 Mal niedriger.

UV-Filter
Die Erdoberfläche war bis vor rund 400 Millionen Jahren schlechter gegen UV-Strahlung abgeschirmt. © Gregory Cooke/ Royal Society Open Science

Das bedeutet: Selbst nach dem großen Sauerstoffschub vor rund 2,4 Milliarden Jahren könnte die Erdatmosphäre noch nicht genügend Sauerstoff enthalten haben, um eine schützende Ozonschicht zu erzeugen. Die Erdoberfläche könnte demnach rund eine Milliarde Jahre länger – bis vor rund 400 Millionen Jahren – erhöhten UV-Belastungen ausgesetzt gewesen sein. Erst als dann die O2-Werte auf fünf bis zehn Prozent des heutigen Niveaus stiegen, kam der UV-Schutz zustande.

„Wenn unsere Modelle stimmen, dann könnten die Erdoberfläche und die oberen Schichten der Ozeane eine UV-Strahlung abbekommen haben, die weit höher war als lange gedacht“, sagt Cooke. Konkret haben er und sein Team errechnet, dass die UV-Belastung der irdischen Biosphäre bis zu zehnmal höher gelegen haben könnte als heute.

Härtere Bedingungen für das Leben

Für die Lebenswelt der Erde könnte dies Konsequenzen gehabt haben. „Zwar hätten die damaligen UV-Werte nicht die Entstehung und Evolution des Lebens verhindert. Tiere und Pflanzen hätten sich aber unter weit harscheren Bedingungen entwickeln müssen, als sie heute herrschen“, erklärt Cooke. Vor allem die Organismen, die an der Wasseroberfläche lebten oder anfingen, das Land zu besiedeln, könnten durch die Strahlung beeinträchtigt worden sein.

So zeigen aktuelle Studien beispielsweise, dass die Ausdünnung der Ozonschicht über der Antarktis die Primärproduktion im Südozean um sechs bis zwölf Prozent verringert hat. Auch von Korallen, Krebstieren und Fischlaich ist bekannt, dass sie sensibel auf erhöhte UV-B-Werte reagieren. Bei Landpflanzen und Landtieren kann eine erhöhte UV-Strahlung zu verringerter Fruchtbarkeit, Zellschäden und Krebs führen.

Die heute Lebenswelt demonstriert allerdings, dass selbst höhere UV-Werte den Fortschritt der Evolution nicht aufhalten konnte. Stattdessen erzeugte sie wahrscheinlich einen Selektionsdruck, der Organismen mit einer höheren UV-Toleranz begünstigte. „Viele Organismen haben dadurch Schutzmechanismen entwickelt, beispielsweise indem sie UV-bedingte Zell- und DNA-Schäden besser reparieren konnten“, erklärt Cooke.

Hilfreich auch für die Exoplaneten-Forschung

Nach Ansicht der Forscher kann ihr Modell damit einen neuen Einblick in die Erdgeschichte geben, aber auch hilfreich für die Einschätzung der Habitabilität von extrasolaren Planten sein. Wenn beispielsweise die sensiblen Spektroskope des James-Webb-Teleskops in Zukunft den Sauerstoffgehalt von Exoplaneten-Atmosphären anzeigen, dann lässt sich nun besser abschätzen, wie gut die Planetenoberfläche gegen UV-Strahlung abgeschirmt ist. (Royal Society Open Science, 2022; doi: 10.1098/rsos.211165)

Quelle: University of Leeds

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