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Klima

Was Europa ins Schwitzen bringt

Ein für Tiefdruckgebiete typischer Prozess trägt zu blockierenden Hochdrucklagen bei

Die stabile Hochdrucklage in Europa am 1. Juli 2015 brachte die Hitzewelle. © NASA Worldview

Blockade bringt Hitze: Forscher haben Neues über die Wetterlagen herausgefunden, die uns sommerliche Hitzewellen bringen. Denn einer der Motoren für solche stabilen Hochdruckgebiete ist ein Prozess, der bisher als typisch für Tiefs galt: das Aufsteigen warmer, feuchter Luft in größere Höhen. Diese Erkenntnis könnte auch bei künftigen Klimaprognosen hilfreich sein, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten.

Wenn es im Sommer bei uns eine Hitzewelle gibt, dann ist meist ein stabiles Hochdruckgebiet in fünf bis zehn Kilometern Höhe dafür verantwortlich. Diese als „Blocking“ bekannten Hochdrucklagen lenken die aus Westen herankommenden Tiefdruckgebiete ab und erzeugen so Schönwetterinseln, die sich mit einen Durchmesser von rund 2.000 Kilometern über weite Teile Europas erstrecken. Auch die Hitzewelle vom Anfang Juli 2015 wurde durch eine solche Hochdrucklage ausgelöst.

Tiefdruck-Prozess als Motor für die Hochs?

Wie aber entstehen solche Wetterlagen? Bisher konzentrierte sich die Forschung dabei vor allem auf die Zirkulation von Luftmassen innerhalb der oberen Troposphäre – dort, wo sich das blockierende Hoch bildet. Doch Heini Wernli von der ETH Zürich und seine Kollegen vermuteten noch eine andere Komponente. „Am Anfang stand vor allem die Neugier, warum die Strömung von der Westströmung plötzlich in einen anderen Zustand wechselt“, sagt Wernli.

Ihr Verdacht: Möglicherweise spielt bei diesen speziellen Hochs ein Prozess eine Rolle, der sonst vor allem bei Tiefdruckgebieten als essenziell gilt: das sogenannte latente Heizen. Dabei steigen warme Luftmassen auf und der in ihnen enthaltene Wasserdampf kondensiert – es bilden sich Wolken und dabei wird die sogenannte latente Energie frei.

Schema der Warmfront eines Tiefdruckgebiets: Anfangs kündigt es sich durch hohe Cirruswolken an, dann sinkt die Wolenuntergrenze immer tiefer. Der Luftdruck fällt, die Luft wird wärmer. © MMCD

Latentes Heizen steigert Druck in der Höhe

„Das ist umgekehrt zum Schwitzen, bei dem das Wasser verdunstet und der Körper gekühlt wird“, erklärt Stephan Pfahl von der ETH Zürich. Durch diese zusätzliche Wärmeenergie heizt sich das Luftpaket auf und kann noch weiter aufsteigen. Das latente Heizen liefert damit einen Teil des Antriebs für den Aufstieg der Luftmassen. Die Theorie der Forscher: Dieser Prozess könnte auch zum Entstehen von Hochdruckgebieten in der oberen Troposphäre beitragen.

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Um das zu prüfen, werteten die Zürcher Forscher einen immensen Satz von Daten aus Bodenmessungen, Ballonen, Flugzeugen und Satelliten des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage im britischen Reading aus. Es liefert alle sechs Stunden globale Daten zu Wind, Temperatur, Wolkenbildung und Feuchtigkeit. Mit Hilfe dieser Daten analysierten sie die Bewegung einzelner Luftpakete, die zur Bildung der Blocking-Regionen beitragen.

Vom atlantischen Tief zum Hoch über Europa

Und tatsächlich: In den drei Tagen, bevor die Luftmassen die Blocking-Region in der oberen Troposphäre erreichen, werden bis zu 45 Prozent der Luftmassen durch das latente Heizen erhitzt und steigen auf, in der Woche davor sogar bis zu 70 Prozent. „Wir zeigen, dass auch das Aufsteigen von Luftmassen aus der unteren Troposphäre entscheidend für die Entstehung und Aufrechterhaltung solcher Systeme ist“, erklärt Pfahl.

Auf die konkrete Wetterentwicklung übersetzt bedeutet dies: Auf dem Atlantik bilden sich zunächst Wolken oder Schlechtwettergebiete. Durch das latente Heizen bilden sich dann jedoch Hochdruckgebiete in größerer Höhe und ein paar Tage später entstehen die Inseln mit sonnigem Wetter über Europa. „Der Prozess ist also immer zeitversetzt; in der Woche vor dem Blocking erfahren deutlich mehr als die Hälfte der Luftmassen diesen Prozess des latenten Heizens“, so Wernli.

Nützlich auch für Klimaprognosen

Die jetzt gewonnenen Erkenntnisse könnten auch für weitere Themen der Klimaforschung nützlich sein. „Wegen der Klimaerwärmung gelangt mehr Feuchtigkeit in die Luft. Dadurch wird mehr latente Hitze freigesetzt, was auch zu einer Änderung in der Häufigkeit von Blocking-Wetterlagen führen könnte“, sagt Pfahl. „Aber das ist noch sehr spekulativ, daran müssen wir noch weiter forschen.“

Eine konkrete Anwendung der neuen Erkenntnisse ist auch für die Wettervorhersage denkbar: Oft verpasst diese nämlich den Zeitpunkt der Bildung oder des Zerfalls des Blocking, mit großen Auswirkungen für die Wetterentwicklung. Man müsste also schauen, wie gut der Prozess des latenten Heizens in den Wettermodellen abgebildet wird. (Nature Geoscience, 2015; doi: 10.1038/ngeo02487)

(Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich), 22.07.2015 – NPO)

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