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Geowissen

Warum das Badewasser plötzlich kalt wird

Automatische Messroboter geben neue Einblicke in den Küstenauftrieb in der Ostsee

Strand an der Ostsee: Bei Wind von Land her wird das Wasser kalt © freeimages

Datensammler im kalten Flachwasser: Weht der Wind von Land her, treibt er warmes Oberflächenwasser aufs Meer und lässt nährstoffreiches, kaltes Wasser nachströmen. In der Ostsee verläuft dieser lebensnotwendige Auftrieb vor der Küste wesentlich schneller als in tieferen Ozeanen, haben deutsche Wissenschaftler mit einem sogenannten Gleiter herausgefunden. Es ist der erste Einsatz eines solchen Messroboters in einem derartig flachen Gewässer.

Wer im Sommer öfters in der Ostsee badet, kennt das Phänomen: Wenn der Wind vom Land in Richtung mehr weht, sollte man selbst bei sommerlichen Temperaturen nur vorsichtig in die Wellen springen. Selbst wenn das Wasser am Vortag noch angenehme 22 Grad Celsius warm war, kann es plötzlich auf deutlich unter 20 Grad abgekühlt sein – Gänsehaut inklusive. Dieser Effekt entsteht durch einen Prozess, den Ozeanforscher als Auftrieb bezeichnen: Der Wind drückt das warme Wasser an der Oberfläche aufs offene Meer, aus der Tiefe strömt stattdessen kaltes Wasser an die Oberfläche.

Für Schwimmer unangenehm, für Ökosysteme lebenswichtig

Was für Schwimmer äußerst unangenehm ist, ist für viele Ökosysteme lebenswichtig: Im warmen und leichten Oberflächenwasser gehen Pflanzen und Algen im Sommer schnell die Nährstoffe aus. Der Auftrieb fördert an den Küsten nährstoffreiches Wasser nach oben und liefert Nachschub für das Pflanzenwachstum. Dies wiederum ist die Nahrungsgrundlage für andere Meerestiere.

Es liegt also nahe, dass Meeresforscher den Auftriebsprozess besonders interessant finden und im Detail erforschen. Ozeanographen um Johannes Karstensen vom GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel benutzen dazu sogenannte Gleiter: „Gleiter sind Messroboter, die ferngesteuert über Tage, Wochen bis hin zu Monaten Daten erheben und über Satellit an die Heimatinstitute senden“, erklärt Karstensen. Diese Roboter segeln gewissermaßen durch das Wasser und können so tausende von Kilometern zurücklegen, wobei sie immer wieder auf- und abtauchen und dabei Daten sammeln.

Genaue Einstellung für schlammigen Ostseegrund

Bei Einsätzen im Mittelmeer, dem Atlantik und dem Pazifik waren solche Gleiter bereits sehr erfolgreich. Karstensen und seine Kollegen wollten jedoch auch in der Ostsee den Küstenauftrieb erforschen. Hier gelten allerdings völlig andere Bedingungen als in den tiefen Ozeanen: Die Ostsee ist ein sehr flaches Randmeer. Auftriebsprozesse fallen darum zeitlich und räumlich viel geringer aus als etwa in den Auftriebsgebieten vor Afrika oder Südamerika.

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Ausbringen eines Gleiters vom Schlauchboot aus. Was im offenen Ozean funktioniert, hat sich auch in der flachen Ostsee bewährt. © Michael Schneider, FS METEOR

Damit gelten auch für die Gleiter ganz andere Anforderungen: Während die Messroboter normalweise bis in Tiefen von 1.000 Metern vordringen, ist die Ostsee über weite Teile nicht tiefer als 20 Meter. Dennoch haben Karstensen und Kollegen auch hier einen Gleiter eingesetzt, um das Ausmaß und die Auswirkungen des Auftriebs zu untersuchen: „Das Gerät musste sehr genau eingestellt werden, damit es nicht im schlammigen Ostseegrund stecken blieb“, erklärt der Meeresforscher.

Der Gleiter benötigt für einen Tauchgang bis in 20 Meter Tiefe und zurück nur eine Viertelstunde. Während der Messungen in der Eckernförder Bucht im Jahr 2010 kam es innerhalb von einer Woche zweimal zu ausreichendem Wind, um den Auftriebsprozess einzuleiten. Dabei dauerte es nur wenige Stunden, um das Oberflächenwasser von rund 22 Grad Celsius auf bis unter 16 Grad abzukühlen. Dieser Effekt hielt jedoch nicht lange an: Nur wenige Stunden später, nachdem der Wind wieder abgeflaut hatte, war durch ein Rückströmen des Wassers die warme Oberflächenschicht wieder vorhanden.

Überraschend schnell und intensiv

Dank des Gleiter-Einsatzes ließen sich die Ereignisse trotz der Geschwindigkeit gut beobachten: „Die Intensität und Schnelligkeit, mit der die Ereignisse stattfanden, war sehr überraschend für uns“, so Karstensen, „Nur die hohe zeitliche und räumliche Auflösung der Daten erlaubte es uns, diese enormen Schwankungen genau zu analysieren.“ Der Messroboter lieferte nicht nur Temperaturangaben, er zeichnete auch Informationen über Salzgehalt, Sauerstoff, Chlorophyll und Trübung im Wasser je nach Tauchtiefe auf.

Mit diesen Daten und zusammen mit Windmessungen vom Kieler Leuchtturm können die Meeresforscher nun die Stärke des Auftriebs in der Eckernförder Bucht bis ins Jahr 1982 zurück rekonstruieren. Diese Rekonstruktion ermöglichte auch die Interpretation der monatlichen Daten bei der Messstation Boknis Eck. Abgesehen von der wissenschaftlichen Bedeutung dieser Auftriebsmessungen haben die Wissenschaftler auch eindrucksvoll demonstriert, dass Gleiter auch in der Ostsee als äußerst taugliche Beobachtungsplattformen eingesetzt werden können.

(Biogeosciences,2014; doi: 10.5194/bg-11-3603-2014)

Weitere Informationen und eine Animation zur Funktionsweise eines Gleiters finden sich auf der GEOMAR Internetseite.

(GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, 09.07.2014 – AKR)

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