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Biologie

„Verwaiste“ Gene prägen Arten aus

Forscher finden einen neuen Mechanismus der Evolution

Der kleine Unterschied: Links eine Polypenart (Hydra oligactis), bei der sich die Fangarme asynchron bilden, in der Mitte ein Polyp (Hydra vulgaris), dessen fünf Fangarme alle gleichzeitig und symmetrisch entstehen; rechts: in einem genetisch veränderten Hydra vulgaris Polypen, der zuviel des neu entdeckten Eiweißmoleküles Hym301 produziert, entstehen die Fangarme völlig ungeordnet. © Friederike Anton-Erxleben / Universität Kiel

Kieler Forscher haben herausgefunden, dass so genannte „neue“ oder „verwaiste“ Gene erheblichen Anteil an der Evolution artspezifischer Merkmale haben. Diese Gene sind charakteristisch für eine bestimmte Tiergruppe oder Tierart. Sie gelten als neu oder verwaist, weil sie nur in dieser Tiergruppe vorkommen und keinen Genen in anderen Tiergruppen zugeordnet werden können.

Die Forscher um Konstantin Khalturin und Professor Thomas Bosch von der Universität Kiel zeigen in der aktuellen Ausgabe der Online-Fachzeitschrift „PLoS Biology“, dass ein solches neues Gen, das für die Herstellung des Eiweißmoleküles Hym301 verantwortlich ist, beim Süßwasserpolypen für die Ausprägung morphologischer Unterschiede zwischen nahe verwandten Arten verantwortlich ist.

Konservierte Gene unterschiedlich aktiv

Der Löwenanteil der Gene kommt in allen Lebewesen gleichermaßen vor und gilt als stammesgeschichtlich stark konserviert. Bisher ging man davon aus, dass Tierarten sich dadurch unterscheiden, dass molekulare Schalter, die in mehr oder weniger gleicher Form in allen Tieren und auch beim Menschen anzutreffen sind, in den einzelnen Arten unterschiedlich an- oder abgeschaltet sind, und dass daher in den Arten der konservierte Anteil der Gene unterschiedlich aktiv ist.

Neue Impulse für die Evolutionsbiologie

Dieses Bild der Entstehung der Arten wird jetzt erheblich erweitert werden müssen. Die neuen Ergebnisse der Kieler Wissenschaftler zeigen, wie die Gruppe der verwaisten Gene, deren Herkunft und Funktion bislang vollkommen unverstanden waren, die Ausbildung von artspezifischen Merkmalen in der Evolution beeinflussen können. Die Beobachtungen sind auf den ersten Blick überraschend, sie könnten der Evolutionsbiologie neue Impulse geben.

Bosch und sein Team beschäftigen sich seit langem mit verschiedenen Arten von Polypen, die sich unter anderem durch die Art und Weise unterscheiden, wie sie während der Entwicklung die Fangarme ausbilden. Den Wissenschaftlern fiel seit einiger Zeit auf, dass in allen Organismen etwa fünf bis zehn Prozent der Gene als neu einzuordnen sind, da sie nur in dieser Tiergruppe vorkommen.

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Verwaistes Gen steuert Entwicklung der Fangarme

Wofür diese verwaisten Gene gut sind, das war bislang vollkommen unklar. Die Kieler Forscher berichten nun, dass für die charakteristische Entwicklung der Fangarme ein solches verwaistes Gen, das es eben nur bei den Polypen gibt, verantwortlich ist.

Die neuen Erkenntnisse legen nahe, dass die Anpassung an bestimmte Lebensräume, die zur Ausprägung der Arten geführt hat, nicht zuletzt von diesen verwaisten Genen abhängt. Sollte diese Annahme zutreffen, so wäre das ein wesentlicher Fortschritt im Verständnis der Evolution.

(idw – Universität Kiel, 19.11.2008 – DLO)

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