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Archäologie

Vergoldeter Pferdekopf im Römerbrunnen entdeckt

Neuer Fund Teil einer römischen Reiterstatue

Ansicht des Pferdekopfes © Jürgen Bahlo / Römisch-Germanische Kommission des DAI

Bei Ausgrabungen im hessischen Waldgirmes hat ein deutsches Archäologenteam eine sensationelle Entdeckung gemacht. Bei der Freilegung eines Holzbrunnens stießen die Forscher auf einen lebensgroßen Pferdekopf einer vergoldeten römischen Reiterstatue.

Der Kopf ist von seiner Bedeutung her mit dem Fund des Keltenfürsten vom Glauberg oder der Himmelsscheibe von Nebra vergleichbar, so die Wissenschaftler um Gabriele Rasbach und Armin Becker aus der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts.

„Diese Bronzeskulptur gehört qualitativ zu den besten Stücken, die jemals auf dem Gebiet des ehemaligen Römischen Reichs gefunden wurden.“ Mit diesen Worten enthüllte die hessische Staatsministerin Eva Kühne-Hörmann während einer Pressekonferenz den Pferdekopf sowie einen Schuh des Reiters. „Der einzigartige Fund zeugt vom geplatzten Traum der Römer, ein unter ihrer Herrschaft geeintes Europa im modernen Sinne zu schaffen. Waldgirmes ist also durchaus ein Fundort von europäischer Bedeutung“, so Kühne-Hörmann weiter.

Immer wieder Bruchstücke eines Reiterstandbilds gefunden

Die Ausgrabungen in Waldgirmes im Lahn-Dill-Kreis hatten bereits in den vergangenen Jahren immer wieder Bruchstücke eines lebensgroßen Reiterstandbilds zutage gefördert, das wohl Kaiser Augustus (23 v. Chr. – 14 n. Chr.) darstellt. So wurden etwa ein Pferdefuß und ein schön verzierter Brustgurt des Pferdes gefunden.

Am 12. August 2009 entdeckten die Archäologen bei der Freilegung eines der beiden bisher nachgewiesenen Holzbrunnen nun den fast vollständigen Pferdekopf des Standbilds – circa 55 Zentimeter lang und 25 Kilogramm schwer -, der in elf Metern Tiefe auf der Brunnensohle lag. Das Zaumzeug des Pferds ist nach Angaben der Forscher mit sechs Zierscheiben reich geschmückt. Auf der Stirn befindet sich eine Platte mit der Darstellung des Kriegsgottes Mars, an den Seiten sind so genannte Viktorien (Siegesgöttinnen) angebracht.

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Hervorragende künstlerische Qualität

Weist der Fund allein schon aufgrund des imperialen Hintergrunds auf reichspolitische Zusammenhänge hin, so werden diese nach Angaben der Wissenschaftler durch die hervorragende künstlerische Qualität noch unterstrichen. Nur zwei unmittelbar vergleichbare Stücke existieren im Gebiet des ehemaligen Imperium Romanum: die beiden Reiterstatuen der so genannten Cartoceto-Bronzen aus Cartoceto di Pergola in der Provinz Pesaro/ Urbino, Region Marken, in Italien – die Originale sind heute im Nationalmuseum in Ancona ausgestellt. Ihre Datierung und die Identifikation der Dargestellten sind in der Fachwelt allerdings umstritten.

Der Neufund von Waldgirmes könnte hier völlig neue Datierungs- und demzufolge auch Identifikationsansätze bieten, denn zumindest die Aufstellungszeit der Statue in der römischen Stadt an der Lahn lässt sich auf weniger als zwei Jahrzehnte bestimmen. Die Reiterstatue muss nach Angaben der Archäologen in den Jahren 4 oder 3 vor Christus – zur Zeit der Anlage der römischen Stadt Waldgirmes – aufgestellt worden sein.

Pferdekopf Teil einer römischen Reiterstatue © Jürgen Bahlo / Römisch-Germanische Kommission des DAI

Pferdekopf in Brunnen versenkt

Um 9 nach Christus, nach der Niederlage des Varus in der so genannten Schlacht im Teutoburger Wald, gaben die Römer die Stadt auf. Das Standbild wurde von nachfolgenden Germanen zerschlagen und der Pferdekopf rituell in dem Brunnen versenkt, während die anderen Reste weiterverwendet werden sollten.

Die Restaurierung und Konservierung des Pferdekopfs sowie der mittlerweile mehr als 100 weiteren, größeren und kleineren Bruchstücke des Reiterstandbilds erfolgt in der Werkstatt der Hessischen Landesarchäologie. Das Bronze- und Eisenmaterial sowie die als Oberflächenauflage erhaltenen Goldfolienreste werden dabei archäo-metallurgisch untersucht.

Zugleich werden die Holzfunde der Brunnenverschalung, des Brunnenfasses und einzelner Holzgerätschaften restauriert und konserviert. Vorgesehen ist auch die archäobotanische Untersuchung des Brunneninhalts, denn dadurch können Einzelheiten des Vegetationsumfelds der römischen Siedlung festgestellt werden, was dann wiederum Aussagen zum Charakter der Kulturlandschaft in der Umgebung von Waldgirmes zulässt.

Sonderausstellung geplant

Nach Abschluss der Restaurierungs- und Konservierungsarbeiten soll der Pferdekopf im Rahmen einer Sonderausstellung an einem zentralen Ort in Hessen der Öffentlichkeit präsentiert werden. Der endgültige Aufstellungsort des Reiterstandbilds und die Präsentation der übrigen Funde werden noch festzulegen sein. Aus der Region liegt eine vom Regierungsbezirk Gießen, dem Lahn-Dill-Kreis und der Gemeinde Lahnau unterstützte Machbarkeitsstudie zu einem Museumspark „Römische Stadt an der mittleren Lahn“ vor. Das könnte nach den Worten der Ministerin vielleicht eine langfristige Perspektive sein.

Arbeiten seit 1993 im Gange

Seit 1993 erforscht die Römisch-Germanische Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts die römische Stadtanlage aus der Zeit des Kaisers Augustus. Die Ausgrabungen der vergangenen Jahre haben die Reste einer planmäßig angelegten zivilen römischen Stadt zutage gefördert. Sie liefert den Beweis, dass sich die römische Militär- und Verwaltungsmacht hier einen Platz geschaffen hat, von dem aus die weitere strukturelle und verwaltungstechnische Entwicklung der germanischen Gebiete vorangetrieben werden sollte.

Eindrucksvoll ist nach Angaben der Forscher die Gesamtanlage der Siedlung, die auf einer regelrechten Stadtplanung beruht. Innerhalb einer Umwehrung, die von einem holzverschalten Erdwall mit davor liegendem Graben gebildet wurde, erfolgte die Anlage ganzer Siedlungs- oder Stadtquartiere mit Einzelbauten unterschiedlicher Funktion und Nutzung.

Kaiser Augustus im Mittelpunkt

Im Zentrum entstand auf 2.200 Quadratmetern das Forum mit Basilika, einem Bautyp wie er im mediterranen Raum als Verwaltungs-, Gerichts- oder auch Markthalle Verwendung fand. Ein solcher Ort bringt die Macht des römischen Staats optisch zum Ausdruck, wenn die Gesamtanlage eine eindrucksvolle Gebäudegestaltung und entsprechende -höhen erreicht und die Bauwerke noch dazu innen und außen entsprechend aufwändig gestaltet sind.

Das allein hat aber den Römern offenbar nicht genügt: Vor der großen Halle errichteten sie noch fünf steinerne Postamente, auf denen die Standbilder der höchsten Repräsentanten des Staats Aufstellung fanden. Es liegt nach Angaben der Archäologen auf der Hand, dass hier nur die Statuen des regierenden Kaisers Augustus sowie die seiner engsten Verwandten und Vertrauten standen, um das Imperium Romanum zu repräsentieren. Im Zentrum kann dabei nur der Kaiser selbst gestanden haben, dessen Abbild im Verständnis der Antike seine Anwesenheit am Ort verkörperte.

(idw – Deutsches Archäologisches Institut, 31.08.2009 – DLO)

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