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Geowissen

Unerkannte Tsunamigefahr vor Alaska

Ähnliche Plattenstücke könnten auch anderswo die Gefahr erhöhen

Ein neuentdeckter Bruch im Untergrund signalisiert erhöhte Tsunamigefahr im Nordpazifik © NASA

Verborgene Gefahr: Eine zuvor übersehene Verwerfung im Pazifik signalisiert möglicherweise erhöhte Tsunamigefahr. Denn sie markiert den Abbruch eines Stücks der Plattengrenze – und könnte zu einem abrupten, starken Sprung des Untergrunds führen. Besorgniserregend auch: Solche abgebrochenen Plattenstücke könnten auch anderswo übersehen worden sein, wie die Forscher berichten. Eine ähnliche Formation löste das Tohoku-Beben vor Japan im März 2011 aus.

Dass entlang von Subduktionszonen vermehrt Erdbeben, Vulkane und Tsunamis entstehen, ist nicht neu. Weil dort eine Erdplatte unter die andere gedrückt wird und sich beide aufeinander zu bewegen, entstehen an solchen Plattengrenzen immer wieder Spannungen im Untergrund. Die Bereiche, in denen die Erdplatten nicht verhakt sind, sondern langsam und stetig aneinander vorbeigleiten, galten bisher allerdings als weniger gefährlich.

Verborgener Plattenbruch

Doch nun haben Anne Bécel von der Columbia University und ihre Kollegen eine bisher verborgene Gefahr in diesen vermeintlich harmlosen seismischen Zonen entdeckt. Sie hatten im Rahmen ihrer Studie den Meeresgrund an der sogenannten Shumagin-Lücke vor der Küste Alaskas mittels seismischer Wellen kartiert.

Dabei stießen die Forscher auf einen bisher unbekannten Bruch, der zwischen der Plattengrenze und der Küste verläuft. Diese 150 Kilometer lange Verwerfung trennt einen Teil der an dieser Stelle über der anderen liegenden Erdplatte ab. Der Bruch reicht dabei gut 30 Kilometer tief in den Untergrund – und damit bis an die schräg verlaufende Subduktionszone heran, wie die Wissenschaftler feststellten.

Ähnliche Formation wie beim Tohoku-Beben

Das Bedrohliche daran: Eine sehr ähnliche Formation führte im März 2011 zum schweren Tohoku-Erdbeben und Tsunami vor der Küste Japans. Auch dort war an einem „kriechenden“ Teil der Subduktionszone ein Teil der oberen Erdplatte teilweise abgebrochen und hatte die Bewegungen des Untergrunds verstärkt.

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Der aktive Bruch teilt den äußerern Rand der nordamerikanscihen Kontinentalplatte ab. © Anne Becel/ Lamont-Doherty Earth Observatory

„Die Entdeckung einer ganz ähnlichen Formation könnte darauf hindeuten, dass dieser Teil Alaskas dazu prädestiniert ist, einen Tsunami auszulösen“, sagt Bécel. Sollte dies geschehen, könnten die Flutwellen nicht nur Alaska treffen, sondern auch die gesamte Westküste der USA, Hawaii und andere Teile des Pazifiks.

Kleines Stück springt höher

Der Grund dafür: „Durch diesen großen Bruch kann sich der äußere Teil dieser Platte unabhängig vom Rest bewegen und dadurch einen viel stärkeren Tsunami auslösen“, erklärt Bécels Kollegin Donna Shillington. Eine Analogie zu diesem Prozess ist ein Teller, von dem ein kleines Stück abgebrochen ist. Haut man nun kräftig auf den Tisch, springt das kleinere Bruchstück deutlich stärker in die Höhe als der große, schwere Tellerrest.

Ähnlich reagiert auch das Plattenbruchstück: Ruckt der Untergrund, weil entlang der Plattengrenze irgendwo das Gestein nachgibt, springt das Bruchstück stärker in die Höhe. Dieser vertikale Versatz jedoch ist die Haupttriebkraft für einen Tsunami. Er führt zur plötzlichen Verdrängung der darüberliegenden Wassermassen und löst so die Flutwelle aus.

Unerkannte Gefahr auch in anderen Regionen der Welt

Wie nähere Untersuchungen an der Shumagin-Lücke ergaben, ist die Plattengrenze in diesem Gebiet aktiv: Zahlreiche kleinere Erdbeben signalisieren, dass die Erdplatten hier in Bewegung sind, wie die Forscher berichten. Zudem kennzeichnet ein 4,50 Meter hohes Kliff unmittelbar am neuentdeckten Bruch, dass sich der Untergrund hier bereits vertikal gegeneinander verschoben hat. „Das signalisiert Gefahr“, sagt Shillington.

Doch der Meeresgrund vor Alaska ist wahrscheinlich nicht der einzige, in dem solche unentdeckten Gefahren lauern: Die Forscher vermuten, dass auch entlang anderer Subduktionszonen ähnliche Brüche verborgen sein könnten. „Wir haben bisher von nur wenigen Regionen Aufnahmen“, sagt Shillington. „Wenn wir uns in der Welt umschauen würden, würden wir wahrscheinlich noch viele weitere solcher Zonen entdecken.“ (Nature Geoscience, 2017; doi: 10.1038/ngeo2990)

(The Earth Institute at Columbia University, 04.08.2017 – NPO)

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