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Archäologie

Türkei: Fund in antikem Heiligtum

Mehr als 600 antike Siegel und Amulette geben Einblick in die damalige Frömmigkeit

Auswahl von Siegelfunden aus dem Heiligtum des Iupiter Dolichenus © Forschungsstelle Asia Minor

Archäologen haben in Doliche in der Türkei einen ungewöhnlichen Fund gemacht. Im Heiligtum des antiken Gottes Iupiter Dolichenus entdeckten sie mehr als 600 Stempel- und Rollsiegel. Der Fund so zahlreicher verschiedener Stücke an einem Ort sei einmalig, so die Forscher. „Die erstaunlich hohe Anzahl belegt, wie wichtig Siegel und Amulette für die Verehrung des Gottes waren, dem sie als Votivgaben geweiht wurden“, erklärt Grabungsleiter Engelbert Winter von der Universität Münster.

Die Forscher der Universität Münster graben bereits seit 2001 im Hauptheiligtum des Iupiter Dolichenus auf dem türkischen Berg Dülük Baba Tepesi. Der Kult des Iupiter Dolichenus geht auf den mesopotamischen Wettergott Hadad zurück, der meist mit Doppelaxt und auf einem Stierkopf stehend dargestellt wurde. Als die Römer Ende des 1. Jahrhunderts Doliche und das Heilígtum dieses Gottes eroberten, wurde der Kult auf den römischen Gott Jupiter übertragen. Er verbreitete sich anschließend als vor allem von Soldaten verehrte Gottheit im gesamten römischen Reich.

Göttersymbole und Mensch-Tier-Mischwesen

Die internationale Forschergruppe hat bei ihren Grabungen bereits Fundamente des archaischen und des römischen Heiligtums freigelegt, ebenso die des später dort errichteten mittelalterlichen Klosters. Dabei stießen sie auch auf eine Fülle an verschiedensten Siegeln und Amuletten. Identifizieren konnten die Forscher bislang spätbabylonische, lokale syrische, achämenidische und levantinische Siegel.

Auf den Funden sind ganz unterschiedliche Motive zu sehen: Das Spektrum reicht von geometrischen Ornamenten und Astralsymbolen bis zu aufwändigen Tier- und Menschendarstellungen. Dazu gehören etwa betende Männer vor Göttersymbolen. Beliebtes Motiv war auch ein königlicher Held im Kampf mit Tieren und Mischwesen. Viele der Stücke zeigen Anbetungsszenen. „Dadurch geben sie einen überraschend lebendigen und detaillierten Einblick in die damalige Glaubenswelt“, so Winter.

Spätbabylonisches Siegel mit Darstellung von betenden Männern vor Göttersymbolen © Forschungsstelle Asia Minor

Auch die Bilder, die keine Gottheit darstellen, drücken eine starke persönliche Frömmigkeit aus, wie die Forscher erklären. „Mit ihren Siegeln weihten die Menschen ihrem Gott ein Objekt, das eng mit der eigenen Identität verbunden war“, sagt dazu der Archäologe Michael Blömer. Die Stempel- und Rollsiegel sowie Skarabäen sind aus Glas, Stein und Quarzkeramik gefertigt und oft hochwertig verarbeitet. Die bei den Siegeln gefundenen Amulette trugen die Menschen im Alltag. „Auf Ketten aufgezogen, sollten sie Unglück abwehren“, erläutert der Archäologe.

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Einblick in die Entwicklung einer Gottheit

Wie die Wissenschaftler berichten, geben die zahlreichen Fundstücke der Forschung neue Impulse, um offene Fragen der Kultpraxis, Kultkontinuität und Kultverbreitung zu beantworten. Sie geben vor allem Aufschluss über die bis vor kurzem unbekannten Frühgeschichte des Heiligtums im 1. Jahrtausend vor Christus – einer Zeit, in der noch der mesopotamische Wettergott verehrt wurde und noch nicht der römisch überprägte Iupiter Dolichenus. „Auf dem zentralen Gipfelplateau sind neben einem gut erhaltenen Abschnitt der mächtigen eisenzeitlichen Umfassungsmauer erstmals auch Teile von Bauten des 7. bis 4. Jahrhunderts vor Christus innerhalb der Umfriedung freigelegt worden“, so Winter.

Weiteren Neufunden wie Säulen oder Kapitellen, die in die römische Epoche datieren, sei es zu verdanken, dass nun der Haupttempel des kaiserzeitlichen Heiligtums rekonstruiert werden könne. „Die Ergebnisse erweitern bereits jetzt unser Wissen über sämtliche Phasen der langen Geschichte dieses heiligen Ortes. Sie erstreckt sich vom frühen Kultplatz der Eisenzeit zum reichsweit bekannten Heiligtum der römischen Epoche bis zur langen Zeit der Nutzung als christliches Kloster, das bis in die Kreuzfahrerzeit existierte“, so Winter.

(Westfälische Wilhelms-Universität Münster, 19.11.2013 – NPO)

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