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Geowissen

Tod einer Erdplatte

Krustenloch vor der US-Westküste liefert Einblick in das Ende einer Ozeanplatte

Juan-de-Fuca-Platte
Die Juan-de-Fuca-Platte gibt wichtige Einblicke darin, wie Ozeanplatten "sterben". Denn schon jetzt kündigt ein gewaltiges Loch ihr kommendes Ende an. © USGS/ NASA

Wie Erdplatten sterben: Vor der US-Westküste werden Geologen zurzeit Zeugen beim „Tod“ einer tektonischen Platte. Die ozeanische Juan-de-Fuca-Platte hat bereits ein gewaltiges Loch entwickelt – eine Vorstufe ihres endgültigen Zerbrechens, wie die Forscher berichten. Ursache des nahen Endes ist die Subduktion dieser langen, aber schmalen Platte unter den amerikanischen Kontinent. In einigen Millionen Jahren könnte dieser Prozess die gesamte Juan-de-Fuca-Platte geschluckt haben.

Die Erdkruste ist ein dynamisches System: An den mittelozeanischen Rücken wird ständig neue Kruste gebildet, an den Subduktionszonen der Kontinentränder wird diese ozeanische Kruste in die Tiefe gedrückt und wieder aufgeschmolzen. Gleichzeitig führt die Kontinentdrift aber auch immer wieder dazu, dass Bildungsrücken und Subduktionszonen sich einander annähern. Die zwischen ihnen liegende ozeanische Platte wird dadurch immer kleiner.

Bildungsrücken der Juan-de-Fuca-Platte
Die Bildungsrücken der Juan-de-Fuca-Platte sind schon nah an die Subduktionszone unter der US-Westküste herangerückt. © W. Jacquelyne Kious und Robert I. Tilling/ USGS

Schwund einer Ozeanplatte

„Im Prinzip ist das natürliche Ende einer ozeanischen Platte dann erreicht, wenn der Rücken, der die Krustenplatte bildet, die Subduktionszone erreicht“, erklären William Hawley und Richard Allen von der University of California in Berkeley. „Aber wie dies in der Praxis geschieht und welche geophysikalischen Phänomene damit verknüpft sind, ist bisher kaum verstanden.“ Das liegt auch daran, weil es bisher kaum Beispiele für diesen „Plattentod“ gab.

Jetzt jedoch haben die Geologen eine Platte ausgemacht, die offenbar kurz vor ihrem Ende steht. Es handelt sich um die Juan-de-Fuca-Platte, eine lange, aber schmale Ozeanplatte, die sich vor der US-Westküste von der kanadischen Grenze bis nach Kalifornien erstreckt. Sie ist ein Relikt der einst weit größeren Farallon-Ozeanplatte, die bereits zum größten Teil unter die Nordamerikanische Kontinentplatte subduziert wurde. Auch die Juan-de-Fuca-Platte bewegt sich mit 26 Millimetern pro Jahr auf die Küste zu und wird dort in die Tiefe gedrückt. Schon jetzt ist sie zudem durch Verwerfungen in drei Teile gegliedert.

Loch in der Kruste

Damit ist die Juan-de-Fuca-Platte der ideale Kandidat, um die Endphase einer tektonischen Platte live zu beobachten. „Die Fragmente liefern die Belege dafür, wie die finalen Stadien des Pazifik-Nordamerika-Juan-de-Fuca-Systems aussehen könnten“, erklären die Forscher. Für ihre Studie haben sie die Daten von zwei seismologischen Messnetzen in dieser Region ausgewertet. Die Daten von 217 Erdbeben erlaubten es ihnen erstmals, ein tomografisches Modell der „sterbenden“ Erdplatte zu erstellen.

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Die seismische Durchleuchtung enthüllte: Die Juan-de-Fuca-Platte hat in der Subduktionszone ein riesiges Loch gebildet. Dieses liegt mindestens 100 Kilometer unter der Oberfläche und ist die Spitze eines Risses, der an seiner Spitze rund 200 Kilometer breit ist. „Dieser Riss verläuft nicht lateral, sondern parallel zum Subduktionsgraben“, berichten die Forscher. Durch das ausgedehnte Loch quillt schon seit Millionen Jahren Magma aus dem Erdmantel nach oben. Dies könnte die Ursache für eine alte Vulkanzone auf dem Hochplateau von Oregon sein.

Ursprung in abgetauchtem Plattenstück

Doch was hat den Riss in der Platte verursacht? Nähere Analysen ergaben, dass dieses Loch nicht durch Spannungen an der Krustenoberfläche erzeugt wurde, sondern tiefe Wurzeln hat. Sein Ursprung liegt demnach in dem Stück der Ozeanplatte, die bereits tief in den Erdmantel abgetaucht ist. Dort hat der immense Druck dazu geführt, dass eine alte Schwächezone der Platte aufgebrochen ist. Wie ein sich öffnender Reißverschluss breitete sich dieser Bruch dann entlang dieser Schwächezone in Richtung des noch nicht subduzierten Teils der Platte aus, wie die Geologen erklären.

„Das könnte bedeuten, dass die finalen Stadien im Leben einer ozeanischen Platte von einer Bottom-Up-Desintegration geprägt sind“, konstatieren Hawley und Allen. Entgegen bisheriger Annahmen zerbricht eine sterbende Platte demnach nicht von oben nach unten, durch den Kontakt des alten mittelozeanischen Rückens mit der Subduktionszone, sondern von unten nach oben.

Das Ende: Erst Fragmentierung, dann Verschmelzen

Was aber bedeutet dies für das Ende der Juan-de-Fuca-Platte? „Dieses Zerreißen könnte die Platte letztlich komplett fragmentieren“, so die Forscher. „Was dann an kleinen Stücken übrigbleibt, wird sich an andere nahegelegene Erdplatten anlagern.“ Die Bruchstücke könnten dann entweder Teil der Pazifischen Platte werden oder aber mit der Nordamerikanischen Kontinentplatte verschmelzen.

Bis es allerdings soweit ist, werden wohl noch einige Millionen Jahre vergehen. „Sollte unsere Interpretation aber korrekt sein, dann ist dies ein exzellentes Beispiel für die Prozesse, die das Ende einer langlebigen Ozeanplatte kontrollieren“, konstatieren Hawley und Allen. (Geophysical Research Letters, 2019; doi: 10.1029/2019GL083437)

Quelle: Geophysical Research Letters

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