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Klima

Tiefseeschwamm enthüllt Ausbrüche von Meeresvulkanen

11.000 Jahre alter Organismus gibt Rückschlüsse auf frühere Umweltänderungen im Meer

Glasschwamm im Mikroskop. Die Aufnahme zeigt einen ein Millimeter breiten Querschnitt durch das Skelett von Monorhaphis chuni. Die Lamellen sind während der 11.000 Jahre von innen nach außen gewachsen. Die dabei eingelagerten chemischen Elemente zeigen, dass sich die Wassertemperatur in seiner Umgebung mehrmals deutlich änderte. © Werner E. G. Müller / Universitätsmedizin Mainz

Klimaforscher haben ein neues Archiv entdeckt, dass mehr über frühere Meerestemperaturen im Ostchinesischen Meer verrät. Anhand des Skeletts eines Tiefseeschwamms, der dort 11.000 Jahre lebte, fand das internationale Forscherteam heraus, dass sich die Temperatur in der Tiefsee in den letzten Jahrtausenden mehrmals veränderte.

Wie Isotopen- und Elementanalysen ergaben, stieg die Meerwassertemperatur in der Umgebung des Glasschwamms mindestens einmal von knapp zwei Grad Celsius auf sechs bis zehn Grad Celsius an. Diese Temperaturveränderungen waren bisher nicht bekannt und sind auf Ausbrüche von Meeresvulkanen zurückzuführen, so die Forscher in der Fachzeitschrift „Chemical Geology“.

Bizarre Tiere

In der Tiefsee wimmelt es von unbekannten Lebewesen, dass aber eines so lange lebt, dass man an einem Exemplar über mehrere Tausend Jahre Klimaveränderungen verfolgen kann, ist neu. Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz ermittelten jetzt das Alter eines mehr als zwei Meter langen und einen Zentimeter dicken Glasschwamms auf etwa 11.000 Jahre. Er zählt somit zu den langlebigsten Lebewesen, die zurzeit existieren. Aus dem Skelett des Tieres lasen die Forscher zudem ab, wie sich während seines Lebens seine Umgebung und das Klima veränderten.

Das Team, dem neben Forschern des Max-Planck-Instituts für Chemie Wissenschaftler aus China und der Schweiz angehörten, bestimmte das Alter dieser Schwammnadel mit dem lateinischen Namen Monorhaphis chuni anhand der Isotopen- und Elementzusammensetzung des Skeletts. Es besteht aus Siliziumdioxid und erinnert an einen Glasfaserstab, der aus Hunderten feiner Lamellen aufgebaut ist, die wie die Jahresringe eines Baums ringförmig von innen nach außen gewachsen sind.

Gefunden wurde das Skelett des Schwamms bereits 1986 in einer Tiefe von etwa 1.100 Metern im Ostchinesischen Meer. Hier kommen die bizarren Tiere, die mit einer Spitze im Meeresboden festwachsen, noch heute vor.

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Skelett des Glasschwamms Monorhaphis chuni in den Händen von Xiaohong Wang. Das mehr als zwei Meter lange Skelett aus Siliziumoxid ist biegsam und erinnert an einen Glasfaserstab. © Werner E. G. Müller / Universitätsmedizin Mainz

Indizien für den Ausbruch submariner Vulkane entdeckt

„Uns fielen unter dem Elektronenmikroskop zunächst vier Bereiche auf, in denen die Lamellen unregelmäßig wuchsen“, sagt Klaus Peter Jochum, Erstautor der neuen Studie. „Sie deuten auf Zeiten hin, in denen die Wassertemperatur beispielsweise durch den Ausbruch submariner Vulkane anstieg“, ergänzt der Mainzer Biogeochemiker, der über die Schwammexperten Werner E. G. Müller und Xiaohong Wang des Instituts für Physiologische Chemie der Universitätsmedizin Mainz zu dem faszinierenden Forschungsobjekt kam.

Auf Zeiten hydrothermaler Aktivität im Meer deuten nach Angaben der Wissenschaftler auch Manganspuren im Skelett hin, da sich die Mangankonzentration im Wasser nach dem Ausbruch eines Vulkans deutlich erhöht.

Kalte Geburt

Außerdem untersuchten die Forscher die Lamellen mit Hilfe verschiedener Massenspektrometer auf Spurenelemente und Sauerstoffisotope. Das Verhältnis von Magnesium zu Kalzium sowie die Verteilung der Sauerstoffisotope ermöglichen es, Rückschlüsse auf die Wassertemperatur der Zeitspanne zu ziehen, zu der der Schwamm die Elemente in sein Skelett einlagerte. Ab einer Tiefe von 1.000 Metern herrschen im Meer weltweit recht einheitliche Temperaturen, so die Forscher. Die Temperatur in der Umgebung des Glasschwamms erlaubt also Rückschlüsse sowohl auf die globale als auch auf die lokale Temperatur der Tiefsee.

Wie die Analyse der äußersten Siliziumdioxid-Schicht des Glasschwamms ergab, betrug diese bei dessen Geburt 1,9 Grad Celsius. Wie Meeresforscher aus anderen Quellen wissen, war dies die weltweite Temperatur in der Tiefsee vor rund 11.000 Jahren. Die chemischen Untersuchungen zeigen weiter, dass die Wassertemperatur, in der der Schwamm wuchs, in den ersten tausend Jahren annähernd konstant blieb.

Lokale Temperaturschwankungen bisher unbekannt

Dann stieg sie nach Angaben der Biogeochemiker plötzlich von etwa zwei Grad Celsius auf sechs bis zehn Grad Celsius an und sank anschließend wieder auf die heutige Meerwassertemperatur von vier Grad ab. Zwischenzeitlich kam es zu weiteren Temperaturschwankungen, was auch an dem unregelmäßigen Wachstum der Lamellenringe erkennbar ist.

Die lokalen Temperaturschwankungen in dem Ostchinesischen Meer, die die Forscher aus dem Glasschwamm ermittelten, waren bisher nicht bekannt. Der Glasschwamm ermöglicht also Einblicke in bislang unbekannte Klimaveränderungen. Um noch genauere Aussagen über das Tiefseeklima der Vergangenheit zu erhalten, wollen die Forscher die Schwammnadel und weitere Glasschwämme in einem nächsten Schritt auf Siliziumisotope untersuchen. So tragen sie dazu bei, Klimaforschern eine genauere Datengrundlage für Modellrechnungen zu historischen und aktuellen Klimaveränderungen zu verschaffen.

(Max-Planck-Institut für Chemie, 03.04.2012 – DLO)

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