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Klima

Tibet wird trockener

Chinesische Daten belegen Klimaveränderung zwischen 1954 und 1990

Das Hochland Tibets stellt einen der klimatisch extremsten Räume der Erde dar. Erstmals haben jetzt Forscher der Mainzer Universität Zugang zu Daten chinesischer Messstationen erhalten. Sie zeigen, dass dass sich die Klimaverhältnisse zwischen 1954 und 1990 deutlich in Richtung trockenerer Bedingungen verschoben haben.

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In weiten Bereichen Tibets mit Höhen über 4.500 Metern über Normalnull sind nur vergleichsweise kleine Gebiete für den Ackerbau nutzbar. Dazu zählt das Tal des Yarlong Tsangpo, wie der Oberlauf des Brahmaputra in Tibet genannt wird. Hier findet sich das Zentrum des tibetischen Ackerbaus mit einer Fläche von etwa 200000 ha auf einer Höhe zwischen 3.500 und 3.900 Metern. Klimadaten über diese Region hat die chinesische Verwaltung bislang nur restriktiv herausgegeben. Durch die Partnerschaft mit Chen Shenbin von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Beijing gelang es Axel Thomas von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, umfangreiches Datenmaterial zu erhalten. „International zugänglich sind in Tibet etwa zehn Messstationen“, so Thomas. „Dank der Zusammenarbeit können wir auf die Daten von über 200 Stationen zugreifen.“

Die extremen Klimabedingungen Tibets ergeben sich vor allem aus der Höhenlage. Durch die starke Sonneneinstrahlung können sich Luft und Boden am Tag rasch erwärmen. Die Ausstrahlung führt zu einer ebenso schnellen Abkühlung bei Nacht. Für den Ackerbau sind diese starken Tag-Nacht-Unterschiede jedoch günstig: Durch die kräftige Sonneneinstrahlung kommt die Photosynthese tagsüber richtig in Gang und die Pflanzen können Blattmasse bilden. Umgekehrt findet nachts wegen der Kälte kaum ein Abbau von Kohlenhydraten in den Pflanzen statt.

Das traditionelle Getreide der Tibeter, die Gerste, hatte sich unter diesen Bedingungen besonders bewährt. Noch heute nimmt Gerste mit 75 Prozent den Hauptanteil der Getreideanbauflächen ein. Sommerweizen – von der chinesischen Verwaltung im Rahmen der Sinisierung Tibets als „zivilisiertes Getreide“ gefördert – kommt trotz höherer Hektarerträge nur auf 20 Prozent der Fläche vor. Die restlichen fünf Prozent werden mit Winterweizen bebaut. „Weizen wird von der chinesischen Regierung sehr stark gefördert, braucht aber vergleichsweise viel Wasser“, erläutert Thomas.

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Niederschläge als limitierender Faktor

Aber gerade das Wasser ist beim tibetischen Ackerbau das begrenzende Element – wenn nicht das periodische Hochwasser des Monsuns in den tieferen Tallagen den Anbau völlig unterbindet. Die nutzbaren Flächen des subtropischen Hochtals am Yarlong Tsangpo erhalten nur wenig Niederschläge bei gleichzeitig hoher Verdunstung. Die Verdunstungsmengen erreichen teilweise Werte, die Standorte in den nordwestchinesischen Wüstengebieten noch übertreffen können. Der Wasserbedarf der Kulturpflanzen wird dadurch nur etwa zu 40 bis 60 Prozent durch Niederschlag und Bodenwasser gedeckt.

Über den Untersuchungszeitraum von 1954 bis 1990 zeigen die berechneten Wasserbilanzen eine Verschiebung der Klimaverhältnisse hin zu trockeneren Bedingungen. Axel Thomas und Chen Shenbin raten daher zu einer Optimierung der Bewässerung, wobei es gilt, die hohen Leitungsverluste zu verringern. „Die Kanäle sind in einem so schlechten Zustand, dass oft nur die Hälfte des Wassers ankommt“, kritisiert Thomas. Eine unmittelbare und unproblematische Steigerung der Ernteerträge könnte, so die beiden Geowissenschaftler, durch vermehrten Anbau von Gerste auf Kosten von Weizen erreicht werden. „Ein Umdenken in der momentanen, politisch motivierten Landwirtschaftspolitik könnte bereits zu einer deutlichen Verbesserung der Situation führen“, meinen die Experten.

Trockenheit wird zunehmen

Die im Rahmen eines DFG-Projektes gemachten Hochrechnungen bis zum Jahr 2010 lassen erwarten, dass sich der Trend zu arideren Bedingungen weiter fortsetzt und damit ein Umdenken noch dringlicher würde. Inwieweit die globale Erwärmung auch die klimatische Situation auf dem tibetischen Hochplateau beeinflusst, lässt sich anhand der bisherigen Daten nicht sagen. „Der stärkste Temperaturanstieg erfolgte erst zwischen 1990 und dem Jahr 2000“, so Thomas. „In diesem Zeitraum ist die Verdunstung in vielen Regionen Tibets nach unseren ersten Untersuchungen aber gleichzeitig gesunken“. Er will nun als nächstes die Daten für diesen Zeitraum einer genauen Analyse unterziehen.

Eine solche Analyse ist nicht nur für die lokale Landwirtschaft im tibetischen Yarlong-Tsangpo-Tal von Bedeutung. „Das Hochland von Tibet spielt bei der Entstehung des asiatischen Monsunsystems eine entscheidende Rolle“, erklärte Thomas. Veränderungen in Tibet können also auf die gesamte ostasiatische Region rückwirken. Selbst Auswirkungen auf die klimatischen Verhältnisse größerer Bereiche der Nordhemisphäre sind, so Thomas, nicht auszuschließen.

(Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 11.06.2004 – NPO)

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