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Geowissen

Tektonische Kettenreaktion enthüllt

Kreidezeit-Tektonik liefert ersten Beleg für kaskadierende Plattenverschiebungen

Tektonik
Während der Erdgeschichte kam es mehrmals zu einer kurzzeitigen , aber umfassenden Beschleunigung und Veränderung der Kontinentaldrift. Den Auslöser und Ablauf einer dieser Phasen der globalen Reorganisation haben Geologen nun geklärt. © Christoph Burgstedt/ Getty images

Dynamische Kaskade: Geologen haben erstmals Belege für eine tektonische Kettenreaktion entdeckt. Dabei setzt ein geologisches Ereignis eine Kaskade von schnellen Plattenverschiebungen in Gang, die sich um die halbe Welt fortsetzen kann. Im konkreten Fall löste vor 105 Millionen Jahren ein Mantelplume östlich von Afrika eine Drehung des Kontinents aus, was dann zu einer neuen Subduktionszone und Verschiebungen entlang der gesamten Südkante Eurasiens führte, wie das Team in „Nature Geology“ berichtet.

Im Laufe der Erdgeschichte hat die Plattentektonik das Aussehen unseres Planeten tiefgreifend verändert. Die langsame, aber anhaltende Drift der Erdplatten ließ Kontinente entstehen, zerbrechen oder zu Superkontinenten verschmelzen. Zu bestimmten Zeiten scheint es jedoch zu einer besonders rapiden Verschiebung gekommen zu sein. Solchen globalen Reorganisationen könnte es unter anderem in der Kreidezeit vor 105 Millionen Jahren und im Eozän vor rund 50 Millionen Jahren gegeben haben.

Doch was löst solche Phasen der beschleunigten Kontinentaldrift aus? Schon länger vermuten Geowissenschaftler, dass solche geodynamischen Reorganisationen durch eine Art Kaskaden-Effekt ausgelöst werden können: Ein geologisches oder tektonisches Ereignis stößt dabei eine Kette weiterer an. „Um eine globale Platten-Reorganisation auszulösen, müssen sich die von solchen Triggern verursachten Bewegungen aber auf benachbarte Platten übertragen können“, erklären Derya Gürer von der Universität Utrecht und ihre Kollegen.

Blick zurück in die Kreidezeit

Um herauszufinden, ob und wie eine solche geodynamische Kaskade funktionieren könnte, haben sich Gürer und ihr Team die Reorganisationsphase vor rund 105 Millionen Jahren genauer angeschaut. Damals gerieten Afrika und Indien in eine beschleunigte Bewegung, die sich über das Neotethys-Meer und den versunkenen Kontinent „Greater Adria“ bis in den Mittelmeerraum und den Atlantik fortsetzte.

Wann diese einzelnen Schritte stattfanden, war jedoch bisher unklar, weil diese globale Reorganisation mitten in eine paläomagnetische Ruhephase fiel – eine Zeit, in der es keine Polumkehr oder stärkere Richtungsveränderungen des Erdmagnetfelds gab. Dies erschwert die genauere Datierung geologisch-tektonischer Prozesse. Um dieses Problem zu umgehen, haben Gürer und ihre Kollegen biostratigrafische Daten aus dem Bereich der Neotethys mit Messungen kleiner magnetischer Schwankungen im Meeresgrund des zentralen Atlantik kombiniert.

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Diese Daten ermöglichten es dem Team, ein geodynamisch-tektonisches Modell zu entwickeln, das die Vorgänge bei der kreidezeitliche Reorganisation zeitlich höher aufgelöst rekonstruiert.

Tektonik-Kette
Ablauf der tektonischen Kettenreaktion in der Kreidezeit. © Roi Granot

Wie die Kettenreaktion ablief

Die Rekonstruktion enthüllte eine Abfolge der Ereignisse, die tatsächlich einer tektonischen Kettenreaktion gleicht. Den Anstoß zu dieser geodynamischen Kaskade gab die Bildung eines neuen Mantelplumes unter Madagaskar vor gut 105 Millionen Jahren. Dieser neue Supervulkan drückte Indien von Afrika weg und drehte dabei auch den Afrikanischen Kontinent, wie das Team schon 2021 herausgefunden hat. Damals war aber unklar geblieben, wie die nächsten Schritte folgten.

Jetzt zeigt das neue Modell, dass bei diesem Ereignis eine neue Subduktionszone entstand, die sich vom Südrand Eurasiens entlang der Ostseite Afrikas und des noch mit ihm verschmolzenen Arabien nach Süden zog. „Als die neue Subduktionszone begann, an dieser Erdplatte zu ziehen, beschleunigte sich die Drift und Rotation der Afrikanischen Platte“, erklärt Koautor Roi Granot von der Ben-Gurion Universität in Beer-Sheva. „Das wiederum verursachte eine Reihe weiterer tektonischer Veränderungen, darunter einer neuen Subduktionszone im westlichen Mittelmeer.“

Letztlich löste damit ein einzelner Supervulkan unter Madagaskar eine tektonische Kaskade aus, die zu einer großräumigen Verschiebung der Platten und letztlich zur Bildung des Mittelmeeres führte.

Einblick in Triebkräfte der Plattentektonik

„Dies ist das erste Mal, dass wir einen Beleg für eine solche tektonische Kettenreaktion gefunden haben“, sagt Gürer. „Wir haben damit einen Mechanismus entschlüsselt, der erklärt, warum es Zeitperioden gab, in denen Erdplatten plötzlich ihre Bewegung veränderten.“ Zumindest für die kreidezeitliche Reorganisation könnten damit nun Ursache und Ablauf geklärt sein.

Gleichzeitig könnten die neuen Erkenntnisse nun dabei helfen, auch die treibenden Kräfte hinter anderen Episoden beschleunigter oder in ihrer Richtung veränderter Plattentektonik besser zu verstehen. „Solche Plattenbewegungen beeinflussen grundlegende Prozesse wie die Gebirgsbildung, Meeresstraßen, die globale Ozeanzirkulation, den Vulkanismus und sogar das globale Klima“, sagt Gürer. (Nature Geoscience, 2022; doi: 10.1038/s41561-022-00893-7)

Quelle: Ben-Gurion University of the Negev

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