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Geowissen

Supervulkan unschuldig an Fast-Ausrottung der Menschheit

Vulkanischer Winter nach Ausbruch des Toba vor 74.000 Jahren milder als gedacht

Vulkanausbruch © USGS

War der Ausbruch des Supervulkans Toba vor 74.000 Jahren schuld an einer Fast-Ausrottung der Menschheit oder nicht? Möglicherweise letzteres, denn ein deutsch-britisches Forscherteam hat jetzt in den „Geophysical Research Letters“ entlastende Indizien publiziert. Demnach soll der dem Ausbruch folgende „vulkanische Winter“ weitaus kürzer und milder ausgefallen sein als bisher angenommen.

Es ist ein Fall für eine forensische Analyse im Mega-Maßstab: War der Ausbruch eines Supervulkans schuld an der radikalen Dezimierung der Menschheit vor 74.000 Jahren oder nicht? Klar ist, dass damals der Supervulkan Toba auf Sumatra in Indonesien ausbrach. Klar ist auch, dass just um diese Zeit der frühe Homo sapiens eine drastische Verringerung seiner Populationsdichte erlebt haben muss. Aus Vergleichen genetischer Mutationsraten schließen Forscher, dass damals möglicherweise nur wenige tausend Menschen überlebten. Von dieser Restbevölkerung stammen alle heute lebenden Menschen ab und sind daher enger miteinander verwandt, als wenn es diesen „genetischen Flaschenhals“ nicht gegeben hätte.

Menschheit durch vulkanischen Winter dezimiert?

Nach der Theorie von Stanley Ambrose von der Universität von Illinois in Urbana-Champaign und einiger anderer Wissenschaftler könnte der Ausbruch des Toba die Ursache für den Flaschenhals gewesen sein. Durch den massiven Ausstoß von Schwefelgasen habe er, so die Theorie, einen jahrzehntelangen vulkanischen Winter mit dramatischem Abfall der Temperaturen ausgelöst. Dieser dezimierte die damalige Menschheit bis auf einen kleinen Rest, der in Afrika entlang des Äquators überlebte. Aber war der Vulkan wirklich der Schuldige?

Falschfarben-Satellitenaufnahme des Tobasees, der 100 Kilometer langen und 30 Kilometer breiten Caldera eines Supervulkans © NASA/ Landsat

Sulfat-Aerosole verklumpten schnell

Ein deutsch-britisches Forscherteam unter Leitung von Claudia Timmreck vom Max-Planck Institut für Meteorologie hat jetzt den Supervulkan weitestgehend entlastet. Die Forscher nutzten für ihre Studie ein globales Klimamodell und simulierten damit die Folgen der Toba-Eruption. Zum ersten Mal berücksichtigten sie dabei auch die kleinmaßstäbigen Wechselwirkungen zwischen den ausgeschleuderten Sulfatpartikeln.

Dabei zeigte sich, dass die Sulfat-Aerosole in der Atmosphäre dazu neigen, zusammenzuklumpen. Die größeren Teilchen werden zu schwer und sinken damit allmählich aus der Atmosphäre nach unten ab. Nach Berechnungen der Forscher wäre damals der Höhepunkt dieses Prozesses vier Jahre nach dem Ausbruch erreicht worden. Das aber bedeutet, dass sich der Sonnenwärme abschirmende Aerosolschirm in der damaligen Atmosphäre weitaus früher aufgelöst haben könnte als angenommen.

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Tobasee auf Sumatra © Mimihitam / GFDL

Abkühlung kürzer und milder

Für das Klima und den vulkanischen Winter bedeutet dies, dass die Eruption des Toba maximal eine Reduktion der globalen Mitteltemperaturen um 3,5° Celsius bewirkt haben kann – und nicht eine Abkühlung um zweistellige Gradbeträge, wie teilweise postuliert. Der abkühlende Effekt habe zudem, so die Forscher, nicht mehrere Dekaden oder gar Jahrhunderte angehalten, sondern weniger als ein Jahrzehnt.

Damit allerdings schwindet die Wahrscheinlichkeit, dass der Ausbruch des Toba schuld an der drastischen Dezimierung der menschlichen Gattung war. Möglicherweise muss nun ein anderer Schuldiger gesucht werden. (Geophysical Research Letters, 2010; doi:10.1029/2010GL045464)

(American Geophysical Union, 19.01.2011 – NPO)

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