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Evolution

Spezialisierte Korallen sind am anpassungsfähigsten

Ein scheinbares Paradox erklärt unterschiedliche Anfälligkeit der Riffbildner

Diese Aufnahme zeigt Pocillopora-Korallen am Moorea-Riff in der Südsee, sie gehören zu den Generalisten unter den riffbildenden Korallen. © Hollie Putnam, University of Hawaii - SOEST

Korallen stellen grundlegende biologische Annahmen auf den Kopf: Denn bei ihnen überleben die unflexibelsten Arten am besten. Das hat ein internationales Forscherteam bei Untersuchungen in der Südsee herausgefunden. Die Korallenarten, die sich auf nur eine oder wenige Algenarten als Kooperationspartner spezialisiert hatten, waren am widerstandfähigsten gegenüber Umweltveränderungen. „Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir erwartet haben“, erklärt Erstautorin Hollie Putnam von der University of Hawaii in Manoa. Denn normalerweise gelte ein flexibler Organismus als anpassungsfähiger und daher robuster. Doch bei den Korallen sei es offenbar genau umgekehrt. Diese überraschende Entdeckung könnte erklären, warum manche Korallenarten wesentlich anfälliger gegenüber Klimawandel, Meeresversauerung und der Korallenbleiche reagieren als andere, berichten die Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the Royal Society B“.

Kein Überleben ohne den Symbiosepartner

Korallen leben in enger Gemeinschaft mit einzelligen Algen, die sie in ihren Geweben beherbergen. Von dieser Symbiose profitieren beide Partner: Die Algen produzieren mittels Photosynthese energiereiche Bausteine für den Stoffwechsel der Korallen, die Koralle liefert den Algen im Gegenzug Schutz und optimale Lebensbedingungen im flachen, sonnenreichen Wasser des Riffs. „Wie sensibel die riffbildenden Korallen auf Umweltveränderungen reagieren, wird zum großen Teil von dieser Symbiose bestimmt“, erklären die Forscher. Verliert die Koralle ihre Mitbewohner, bleicht sie aus und stirbt.

Dass es eine wichtige Rolle spielt, wie stark die Koralle in Bezug auf ihre Symbionten spezialisiert ist, haben Putnam und ihre Kollegen nun erstmals nachgewiesen. Sie hatten Proben von 34 verschiedenen Korallenarten aus dem Moorea-Riff bei Tahiti systematisch daraufhin untersucht, welche Algen sie enthalten. „Dabei haben wir enorme Unterschiede festgestellt“, erklären die Forscher. Einige Arten hätten sich als echte Generalisten erwiesen: Sie gingen eine Symbiose mit zahlreichen verschiedenen Algen ein. Zu diesen gehören unter anderem die weit verbreiteten Steinkorallen Acropora und Pocillopora. Andere Korallen seien dagegen Spezialisten, die sich nur mit einer oder sehr wenigen Algenarten verbinden.

Die Flexiblen sind die Verlierer

„Am überraschendsten war aber, dass die Generalisten sich als die ökologischen Verlierer erwiesen“, sagen die Wissenschaftler. Entgegen den Erwartungen seien es vor allem flexible Arten wie Acropora und Pocillopora, die im Moorea-Riff am stärksten unter der Korallenbleiche litten. Die unflexiblen Spezialisten dagegen, wie die Porites-Korallen, seien sowohl gegen die Bleiche als auch gegenüber der Meeresversauerung und anderen Störfaktoren bemerkenswert widerstandsfähig. „Sie sind die ökologischen Gewinner“, erklären Putnam und ihre Kollegen. Diese Erkenntnis widerspreche dem gängigen biologischen Paradigma, nach der flexible Generalisten immer dann besser überleben, wenn sich die Umweltbedingungen ändern. Warum die Korallen davon abweichen und welche konkreten Vorteile die Spezialisierung den Korallen bringe, sei aber noch unklar.

Wie die Forscher betonen, sind die neuen Erkenntnisse auch für den zukünftigen Schutz der Korallen hilfreich. Denn steigende Meerestemperaturen und die zunehmende Versauerung der Ozeane bedrohen das Überleben dieser wichtigen Riffbildner. Zusätzlich zu diesen Auswirkungen des Klimawandels setzen auch die Wasserverschmutzung und die Zerstörung von Riffen durch Schleppnetze den Korallen stark zu. „Je besser wir verstehen, wie Korallen auf Stress reagieren, desto besser können wir vorhersagen, wie sich die Riffgemeinschaften zukünftig entwickeln und wie wir sie am besten schützen können“, sagt Studienleiterin Ruth Gates von der University of Hawaii. (doi:10.1098/rspb.2012.1454)

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(Proceedings of the Royal Society B, 29.08.2012 – NPO)

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