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Archäologie

Spanien: Kultstätte aus der Kupferzeit entdeckt

Erster Fund einer großen Kreisgrabenanlage in Südeuropa

Die neu entdeckte Kreisgrabenanlage La Loma del Real Tesoro II im Süden Spaniens. © SFB 1070 RessourcenKulturen/ Javier Escudero Carrillo und Helmut Becker

Ungewöhnlicher Fund: Im Süden Spaniens haben Forscher eine rund 4.500 Jahre alte Kreisgrabenanlage entdeckt. Das Seltsame daran: Bisher waren solche Anlagen nur aus Nordeuropa bekannt – und sind dann mehrere tausend Jahre älter. Das aus mehreren ringförmigen Gräben bestehende Bauwerk könnte von den Menschen der späten Kupferzeit für kultische Zwecke genutzt worden sein, wie die Archäologen berichten.

Typisch für Kultstätten aus der Steinzeit und Bronzezeit sind Kreisgrabenanlagen wie das Sonnenobservatorium von Goseck in Sachsen-Anhalt oder die vor kurzem in Niedersachsen entdeckte Anlage aus der Jungsteinzeit. Auch in anderen Regionen Mittel- und Nordeuropas sind solche Kreisgrabenanlagen aus dieser Zeit bekannt. In Südeuropa wurden bisher dagegen keine ähnlichen Steinzeitbauwerke entdeckt.

„Völlig untypisch“

Um so ungewöhnlicher ist ein Fund, den Javier Escudero Carrillo von der Universität Tübingen und seine Kollegen in Südspanien, in der Nähe von Sevilla gemacht haben. Bei einer Geländeuntersuchung stießen die Forscher auf die Überreste einer kreisförmigen Grabenanlage von sechs Hektar Größe. Die Anlage besteht aus mehreren ringförmigen Gräben, die in unregelmäßigen Abständen von Öffnungen durchbrochen sind.

„Diese Struktur ist für Spanien vollkommen untypisch“, sagt Carrillo. „Ähnliche Kreisanlagen finden sich sonst nur im nördlichen Europa, diese sind allerdings zumeist rund tausend Jahre älter als diese Anlage.“ Mithilfe von Radiokarbondatierungen und der vergleichenden Analyse von Scherbenfunden und Schmuck datieren die Forscher ihren Fund auf ein Alter von rund 4.500 Jahren. Die Anlage stammt damit aus der späten Kupferzeit, wahrscheinlich gehörten ihre Erbauer zur sogenannten Glockenbecherkultur.

War es eine Kultstätte?

Wozu diese Kreisgrabenanlage diente, ist bisher rätselhaft. Die Archäologen haben bisher im Umfeld der Stätte keine Skelette gefunden und Spuren einer dauerhaften Siedlung fehlen ebenfalls. Dafür entdeckten sie im Zentrum der Anlage große Lehmziegel mit Brandspuren, die einem rituellen Zweck gedient haben könnten. Die Forscher vermuten aufgrund der Funde und der Lage des Bauwerks, dass es sich um eine Kultstätte handeln könnte.

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Kupferzeitliche Scherbenfunde mit der für die Glockenbecherkultur typischen Form und Musterung. © SFB 1070 RessourcenKulturen/ Javier Escudero Carrillo und Elisabet Conlin

„Der steinige Boden hier ist für Landwirtschaft eher ungeeignet, die Stätte liegt aber strategisch günstig nahe einer alten Furt des Flusses Guadalquivir in der Nähe der Sierra Morena, in der Kupfer und andere wertvolle Materialien abgebaut wurden“, erklärt Carrillo. „Hirtenwege verbinden die Stätte mit der fruchtbaren Ebene von Carmona, so dass man davon ausgehen kann, dass sie als Durchgangsstation von vielen Menschen besucht wurde. Eine Interpretation als Kultstätte ist daher naheliegend.“

Großes Siedlungszentrum ganz in der Nähe

Die Besucher der Kultstätte kamen vermutlich ganz aus der Nähe, denn schon länger ist bekannt, dass in Valencina bei Sevilla zwischen 2.600 bis 2.200 vor Christus ein bedeutendes kupferzeitliches Siedlungszentrum der Glockenbecherkultur lag. Mit 400 Hektar Ausdehnung war dies zu jener Zeit die größte Siedlung Spaniens. Die Bewohner profitierten von den fruchtbaren Böden, den Kupfervorkommen im nahen Bergland und der für den Handel günstigen Küstennähe, wie die Forscher erklären.

Entsprechend gut vernetzt und wohlhabend waren die Menschen in dieser Region damals: in Grabfunde aus früheren Untersuchungen fanden sich exotische Luxusgüter wie Elefantenstoßzähne aus Afrika und Bernsteinperlen aus dem Norden. Die neu entdeckte Kreisgrabenanlage könnte eine wichtige Kultstätte für die Bewohner dieses Siedlungszentrums gewesen sein.

Weitere Untersuchungen sollen nun zeigen, wie sich die Stätte in die kupferzeitliche Infrastruktur der Gegend eingefügt hat. Dafür wollen die Archäologen bei Ausgrabungen entdeckte Steinwerkzeuge näher analysieren, aber auch Sedimentproben entnehmen sowie Isotopenanalysen an Tierknochen und Pollenanalysen durchführen. Damit hoffen sie, mehr über die Ernährungs- und Lebensgewohnheiten der frühzeitlichen Bewohner der Gegend und die Nutzung der Stätte zu erfahren.

(Eberhard Karls Universität Tübingen, 10.08.2016 – NPO)

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