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Umwelt

Sotschi: Snowboarden unter Palmen

Umweltorganisationen üben harsche Kritik an Putins Winterspielen

Sonnenuntergang an Sotschis Kai © RIA Novosti archive / Mikhail Mordasov / CC-BY-SA 3.0

Der Traum jedes Leistungssportlers: Die Teilnahme an den olympischen Spielen. Doch die olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi werden von zahlreichen Bedenken überschattet. Hatten die russische Regierung und das internationale olympische Komitee (IOC) im Vorfeld gemeinsam versprochen, sogenannte „grüne Spiele“ zu planen, so üben Umweltorganisationen, wie der WWF und NABU schon länger harsche Kritik: Sotschi ist von einer „grünen Olympiade“ weit entfernt.

Die Küstenstadt Sotschi am Schwarzen Meer ist der offizielle Austragungsort der diesjährigen olympischen Winterspiele. Das erscheint zunächst nahezu paradox, assoziierte man bislang mit Sotschi, der sogenannten Riviera des schwarzen Meeres, eher Begriffe wie Sonne, Strand und Badeurlaub. Denn hier herrscht ein mildes, subtropisches Klima, die Durchschnittswerte liegen selbst im Februar bei etwa 8°C Grad Celsius. Dies verdankt Sotschi dem nahegelegenen Kaukasus: Die Bergketten schirmen die Schwarzmeerküste vor kalter Luft aus dem Norden ab.

Palmen statt Permafrost

„In mehr als der Hälfte Russlands ist der Boden permanent gefroren. Doch anstatt die Spiele im Altaigebirge oder im Fernen Osten des Landes zu veranstalten, werden sie ausgerechnet am Schwarzen Meer ausgerichtet“, kritisiert Eberhard Brandes, Vorstand des WWF Deutschland. Pisten und Schnee für die Skiwettbewerbe sucht man in Sotschi selbst denn auch vergebens. Die Wettkampfstätten für diese Disziplinen wurden deshalb in die rund 40 Kilometer entfernten Bergregion Krasnaja Poljana verlegt. Hier liegt zwar meist genügend Schnee, die Hänge sind allerdings relativ steil und stark lawinengefährdet.

Hinzu kommt: Das Olympia-Skigebiet liegt direkt an der Grenze zum Weltnaturerbegebiet Westkaukasus und seinen Gebirgsmassiven. „Der Westkaukasus ist eines der bedeutendsten Biodiversitätszentren der Erde und Lebensraum der letzten Bergwisente Europas“, sagte Vitalij Kovalev, Leiter des NABU Kaukasusprogramms, der selbst aus dem Gebiet Krasnodar stammt. Schon im Vorfeld befürchteten Naturschutzorganisationen daher negative Folgen für die Natur dieser ökologisch wertvollen Region.

Krasnaja Poljana liegt am Rand des Weltnaturerbes Westkaukausus © Ivanaivanova / CC-by-sa 3.0

Natur muss neuer Infrastruktur weichen

Ein weiterer Punkt ist die Infrastruktur – normalerweise ein wichtiges Auswahlkriterium des IOC für die Vergabe olympischer Spiele. Doch auch in diesem Punkt kann Sotschi nicht punkten. Denn es gab in Krasnaja Poljana zwar bereits ein kleines Skigebiet. Aber für Winterspiele reichte dieses bei weitem nicht. Die gesamte Infrastruktur – Pisten und Gebäude auf den Bergen, aber auch Sporthallen für die auf Eis stattfindenden Wettbewebe in Sotschi und die Wohnkomplexe für Athleten, Funktionäre und Besucher in der benachbarten Küstenstadt Adler – mussten neu aus dem Boden gestampft werden. Um Platz für Autobahnen, Eisenbahnstrecken, Hotelanlagen und Sporthallen zu schaffen, wurden mehr als 3.000 Hektar Wald gerodet, wie Brandes berichtet.

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Die neu errichtete Straße und parallel verlaufende Eisenbahn, die Sotschi mit den Skigebieten von Krasnaja Poljana und Esto Sadok verbindet, verläuft durch das Tal entlang des Flusses Mzymta. Dieser ist ein wichtiger Trinkwasserlieferant für die Bevölkerung Sotschis. Der direkt ins Schwarze Meer mündende Fluss ist zudem eines der wichtigsten Laichgebiete des Schwarzmeer-Lachses. Der Bau der Verkehrswege führte dazu, dass der Fluss begradigt und verschmutzt wurde. Laubwälder zwischen der Küstenstadt Adler und Krasnaja Poljana mussten zudem abgeholzt werden.

„Die Olympiade richtete zwar bislang nicht wie befürchtet Schäden im benachbarten UNESCO-Weltnaturerbegebiet Westkaukasus an, aber der Sotschier Nationalpark und die Imeretinskaya-Tiefebene sind von den Vorbereitungen stark gezeichnet“, so Kovalev weiter.

Das olympische Dorf liegt am Strand Sotschis © gemeinfrei

Die teuersten Winterspiele der Geschichte

Und noch ein Faktor provoziert die Frage nach dem Sinn dieses Austragungsorts: Die Winterspiele in Sotschi werden vorrausichtlich die teuersten der Geschichte. Nach offiziellen Angaben kosten sie mehr als 40 Milliarden Euro. Wenn es darum geht, ökologische Reparaturarbeiten zu finanzieren, ist die russische Regierung hingegen weniger spendabel: Experten der Vereinten Nationen und der Weltnaturschutzunion haben einen Plan für die Renaturierung nach den Spielen vorgelegt und dafür 22 Millionen Dollar veranschlagt. Der Plan wurde abgelehnt.

Doch auch hier hat das IOC noch ein Wörtchen mitzureden. In intensiven Verhandlungen beschlossen Umweltorganisationen und das IOC deshalb Standards, um ökologische Schäden in Sotschi und den umliegenden Regionen zu minimieren. Jedoch werden Zweifel an der Umsetzung dieser Maßnahmen laut: „Die Gespräche verliefen zwar durchaus konstruktiv, doch die Pläne für Ausgleichsmaßnahmen sind weit davon entfernt, jemals umgesetzt zu werden.“, so der WWF. Den Hauptgrund hierfür sieht NABU in der mangelnden Überwachung der russischen Regierung durch das IOC.

Auch wenn das gesamte Ausmaß ökologischer Schäden bislang nicht bekannt ist: „Sicher ist, dass Sotschi keine grüne Olympiade erleben wird. Sotschi ist ein Beispiel der Superlative und der Beweis, dass die derzeitigen Umweltstandards und die Vorgehensweise des IOC bislang unzureichend sind“, so Kovalev.

Die Umweltorganisationen fordern daher, bei der Vergabe der Spiele sollten in Zukunft ökologische Kriterien in den Vordergrund gestellt werden. Der WWF lobt:“ Tokio, Ausrichter der Olympischen Sommerspiele 2020, wirbt mit grünen Spielen der kurzen Wege. Diese Idee ausbauen und vor allen Dingen auch umsetzen. Darum sollte es in Zukunft gehen, damit Nachhaltigkeit bei großen Sportveranstaltungen zur Selbstverständlichkeit wird.

Mehr zu den olympischen Winterspielen 2014 in unserem Sotschi-Special

(WWF / NABU, 07.02.2014 – KEL)

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