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Sonnensystem

Sonnenstürme als Wegbereiter des Lebens?

Superflares der jungen Sonne förderten die Bildung von Lebensbausteinen

So könnte ein Superflare von einem jungen , kleinen Stern aussehen. © Casey Reed/ NASA

Paradoxer Helfer: Ausgerechnet starke Sonnenstürme könnten dem Leben auf der jungen Erde den Weg bereitet haben. Denn trafen solche Superflares die Erde, sorgten sie dafür, dass der molekulare Stickstoff der Uratmosphäre in reaktivere Verbindungen zerfiel, wie Astronomen im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten. Dies wiederum ermöglichte die Entstehung von wichtigen Lebensbausteinen – und könnte als chemische Heizung der Urerde gedient haben.

Schon vor rund 65 Jahren vermutete der US-Chemiker Stanley Miller, dass elektrische Entladungen eine wichtige Rolle für die Entstehung der ersten Lebensbausteine spielten. Blitze könnten, so glaubte er, die entscheidenden chemischen Reaktionen in Gang gebracht haben – indem sie unter anderem den chemisch eher trägen molekularen Stickstoff der Uratmosphäre in reaktivere Stickoxide umwandelten.

Superstürme von jungen Sternen

Auch die NASA-Forscher um Vladimir Airapetian vom Goddard Space Flight Center (GSFC) in Greenbelt halten energiereiche Entladungen für wichtige Lebensbereiter. Diese jedoch kamen ihrer Ansicht nach nicht aus der Erdatmosphäre, sondern aus dem Weltraum – in Form von starken Sonnenstürmen.

Anstoß dafür gab die Beobachtung von starken Strahlenausbrüchen auf sonnenähnlichen jungen Sternen durch das Kepler Weltraumteleskop. Diese jungen Sterne schleudern häufig sogenannte Superflares ins All hinaus – extrem starke Strahlenausbrüche, die als Begleiterscheinung von koronaren Massenauswürfen auftreten. Bisher galten sie daher nicht gerade als ideale Kandidaten für eine Lebensentstehung auf umliegenden Planeten.

Ein starker Sonnensturm lässt geladene Teilchen tief in die Atmosphäre eindringen und verursacht Polarlichter selbst in Äquatornähe, wie hier über dem Indischen Ozean. © NASA/JSC

Ein Superflare pro Tag

„Die Energie dieser Ereignisse ist um das Zwei- bis Dreifache höher als die des berühmten Carrington-Ereignisses„, erklären Airapetian und seine Kollegen. Bei diesem starken Sonnensturm im Jahr 1859 traten selbst über Hawaii und in der Karibik Polarlichter auf und Telegrafenleitungen sprühten Funken.

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Aus ihren Beobachtungen schließen die Forscher, dass auch unsere Sonne vor rund vier Milliarden Jahren deutlich häufiger solche starken Sonnenstürme verursacht haben könnte. „Die Häufigkeit der von ihr erzeugten Super-Carrington-Ereignissen könnte bei rund 250 pro Tag gelegen haben“, berichten die Forscher. Von diesen solaren Superflares traf wahrscheinlich mindestens einer täglich auch auf die junge Erde.

Lücke im Schutzschild

Und genau dies könnte die Entstehung des Lebens mit vorbereitet haben, wie eine Simulation auf Basis des urzeitlichen Erdmagnetfelds und der Atmosphärenchemie nahelegt. Prallt die elektromagnetisch geladene Plasmawolke eines starken Sonnensturms auf das Magnetfeld der Erde, kommt es zu starken Verformungen und Störungen: „Dadurch entsteht eine Öffnung im irdischen Magnetfeld über den Polkappen“, berichten die Forscher.

Diese Lücken im magnetischen Schutzkäfig der Erde ermöglichte es energiereichen Teilchen, tief in die urzeitliche Atmosphäre einzudringen. Dieser Einstrom von Energie und Teilchen spaltete den chemisch trägen molekularen Stickstoff auf und regte die Bildung reaktiverer Stickstoffverbindungen an, darunter Stickstoffoxid (N2O) und Cyanwasserstoff (HCN), wie die Simulation ergab. „Die Konzentration des Cyanwasserstoffs in der unteren Atmosphäre erreichte damals Dutzende parts per million“, berichten die NASA-Forscher.

Künstlerische Darstellung der protoplanetaren Scheibe um den jungen Stern MWC 480 mit dem organischen Molekül Methylcyanid im Randbereich. © B. Saxton (NRAO/AUI/NSF)

„Fabrik“ für Lebensbausteine

Organische Cyanide gelten als wichtige Grundbausteine unter anderem für Aminosäuren und andere Biomoleküle. Diese in der Atmosphäre gebildeten organischen Moleküle könnten dann auf die Oberfläche geregnet sein und dort durch chemische Reaktionen weitere, komplexere Moleküle gebildet haben, wie die Forscher erklären.

Ihrer Ansicht nach waren es demnach erst das Bombardement mit Superflares unserer Sonne, die die Bühne für die Entstehung des ersten Lebens auf unserem Planeten bereitete. „Die Aktivität der frühen Sonne schuf demnach erst die Basis für das präbiotische Leben auf der Erde“, so Airapetian und seine Kollegen.

Chemische Heizung für die Urerde

Und noch etwas könnten die urzeitlichen Superflares bewirkt haben: Sie heizten die junge Erde stark genug auf, um sie lebensfreundlich zu machen. Denn unsere Sonne war vor rund vier Milliarden Jahren um 30 Prozent leuchtschwächer als heute. Rein theoretisch hätte es auf der jungen Erde daher sehr viel kälter sein müssen als heute – möglicherweise sogar zu kalt, um Wasser flüssig zu halten.

Auch hier bietet nun das Superflare-Szenario eine Lösung: Das von diesen Ereignissen in der Erdatmosphäre erzeugte Stickstoffoxid (N2O) ist ein Treibhausgas – und könnte daher als ständig erneuerte Wärmedecke für die junge Erde gedient haben. Andere Treibhausgase wie CO2, Methan oder Wasserdampf wären dagegen unter Einfluss der Sonnenstürme zerfallen.

Funktioniert auch auf Mars und Exoplaneten

Auch der junge Mars könnte auf ähnliche Weise von den Superflares der Sonne profitiert haben, wie der Astrophysiker Ramses Ramirez von der Cornell University in einem begleitenden Kommentar erklärt. „Geologische Daten sprechen dafür, dass der Mars um diese Zeit ebenfalls paradox warm war“, so der Forscher. Da auch die Mars-Atmosphäre molekularen Stickstoff enthielt, könnten die Flares auch auf unserem Nachbarplaneten eine „chemische Heizung“ gefördert haben.

„Diese Ergebnisse könnte zudem Bedeutung für das Klima und die potenzielle Biologie von erdähnlichen Exoplaneten um junge, sonnenähnliche Sterne besitzen“, so Ramirez. Demnach wären starke Sonnenstürme zwar nicht gerade günstig für bereits existierendes Leben, für die Bildung der Lebensbausteine aber könnten sie sogar entscheidend sein. (Nature Geoscience, 2016; doi: 10.1038/ngeo2719)

(Nature, 24.05.2016 – NPO)

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