Das Klima im Sommer wird künftig unberechenbarer – vor allem in Ost- und Zentraleuropa. Für diese zukünftige Klimaentwicklung spielen, wie jetzt Klimaforscher in der Zeitschrift „Nature“ erklären, die Bodenfeuchte und der Austausch zwischen Boden und Atmosphäre eine entscheidende Rolle.
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Das Sommerklima Europas wird sich in den nächsten Jahrzehnten markant verändern. Zum einen werden die durchschnittlichen Temperaturen ansteigen, zum anderen wird das Klima in diesen Monaten auch variabler. Zu diesem Schluss kamen Forschende der ETH Zürich bereits vor zwei Jahren, als sie den Extremsommer 2003 mit ihren Klimamodellen genauer untersuchten. Die Berechnungen zeigten insbesondere, dass gegen Ende dieses Jahrhunderts extreme Hitzewellen nichts Ungewöhnliches mehr sein werden. Die Zunahme der Variabilität führt unmittelbar dazu, dass Extremereignisse deutlich wahrscheinlicher werden als bisher.
Warum genau das europäische Sommerklima variabler wird, ist in Fachkreisen nach wie vor umstritten. So könnten Verschiebungen im globalen Zirkulationsmuster für die Zunahme der Variabilität verantwortlich sein. Andere Studien wiederum kamen zum Schluss, dass Prozesse an der Landoberfläche eine prominente Rolle spielen. Diese Hypothese war bisher jedoch umstritten, da das Global Land-Atmosphere Coupling Experiment (GLACE) darauf hindeutete, dass solche Prozesse für das heutige Klima Europas eher zweitrangig sind.
Bodenfeuchte entscheidend
Sonia Seneviratne und weitere Forschende vom Institut für Atmosphäre und Klima (IAC) der ETH Zürich konnten die Hypothese, dass Prozesse an der Landoberfläche eine prominente Rolle spielen, nun aber bestätigen. Wie die Wissenschaftler diese Woche in der Zeitschrift "Nature" berichten, wird das künftige Sommerklima massgeblich durch die Wechselwirkungen zwischen der Landoberfläche und der Atmosphäre geprägt.
Je stärker die Temperaturen im Sommer ansteigen, desto mehr Wasser verdunstet aus dem Boden. Das wirkt der Erwärmung entgegen, weil durch die Verdunstung ein Teil der einfallenden Sonnenstrahlung aufgefangen wird. Die Feuchte des Bodens hat also einen direkten Einfluss auf die Lufttemperatur. Ist der Boden in regenarmen Perioden ausgetrocknet, kann sich die Luft stark erhitzen, weil der dämpfende Effekt der Verdunstung entfällt. In feuchten Jahren wiederum verhindert die Verdunstung ein übermässiges Ansteigen der Temperaturen.
Klimazonen verschieben sich nach Norden
Mit Hilfe von numerischen Experimenten hat das ETH-Team im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunkts (NCCR) Klima diesen Mechanismus genauer untersucht. Die Forschenden konnten zeigen, dass dieser tatsächlich einen markanten Einfluss auf das Klima hat. Ohne Wechselwirkung zwischen Land und Atmosphäre kann die Zunahme der Variabilität nicht erklärt werden. Entgegen den Resultaten der GLACE-Studie konnten die Wissenschaftler auch zeigen, dass im Mittelmeergebiet die Wechselwirkung zwischen Atmosphäre und Boden bereits heute ein wichtiger Klimafaktor ist.
Unter den künftigen klimatischen Bedingungen wird dieser Mechanismus noch in weit grösserem Umfang zum Tragen kommen. Vor allem in Zentral- und Osteuropa, so zeigen die Berechnungen, ist mit einer markanten Zunahme der Variabilität zu rechnen. Die Bodenfeuchte spielt dabei eine entscheidende Rolle. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass die heutigen Klimazonen durch den globalen Klimawandel generell nach Norden hin verschoben werden.
Die Resultate der Studie haben weit reichende Konsequenzen. Nimmt die Vari-abilität des Klimas im Sommer in weiten Teilen Europas markant zu, stellt dies insbesondere die Landwirtschaft vor grosse Herausforderungen. Um die Folgen dieser Entwicklung besser abschätzen zu können, wäre es wichtig, die genauen Prozesse, die sich zwischen Land und Atmosphäre abspielen, besser zu verstehen.
(ETH Zürich, 14.09.2006 – NPO)