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Umwelt

Smog: Neuer Mechanismus der Feinstaubbildung

Bei Kälte führen Luftschadstoffe zum rasanten Heranwachsen von Ultrafeinstaub-Partikeln

Stadtluft
Durch Turbulenzen ungleichmäßig verteilte Luftschadstoffe – durch sie kann neuer Ultrafeinstaub entstehen. © Helen Cawley

Wie aus dem Nichts: Forscher haben einen bisher unerkannten Mechanismus der Feinstaubbildung entdeckt. Dabei sorgen kurzzeitige Anreicherungen der Luftschadstoffe Ammoniak und Salpetersäure dafür, dass Nanopartikel rapide um das Hundertfache anwachsen und zu Ultrafeinstaub werden. Das könnte erklären, warum bei Wintersmog in Großstädten oft mehr Feinstaub gemessen wird als erwartet, so die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“.

Feinstaub sorgt weltweit für Gesundheitsprobleme und könnte sogar für Millionen vermeidbarer Todesfälle verantwortlich sein. Vor allem die kleinsten Partikel des Ultrafeinstaubs können in die Lunge, den Blutkreislauf und sogar bis ins Gehirn vordringen. Hauptquellen der winzigen Partikel sind neben natürlichen Quellen vor allem Kohlekraftwerke, Autoabgase und Heizungen.

Doch der Feinstaub kann auch sekundär entstehen – durch die Anlagerung von Luftschadstoffen an in der Luft umherschwebende Nanopartikel. Vor allem bei Wintersmog in Ballungsräumen macht dieser sekundäre Feinstaub einen erheblichen Anteil der Belastung aus.

Großstadt-Smog in der Wolkenkammer

Das Merkwürdige nur: Die bisher bekannten Entstehungswege konnten bislang nur einen Teil der in Großstädten gemessenen Feinstaubbelastungen erklären. Gerade in den asiatischen Megacities wird bei Wintersmog oft mehr Ultrafeinstaub gemessen als es eigentlich geben dürfte. Aber warum? Das haben Mingyi Wang von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh und ihre Kollegen nun in einem Experiment am Forschungszentrum CERN bei Genf untersucht.

Dafür stellten sie in der Wolkenkammer des CLOUD-Experiments die Bedingungen nach, die bei Wintersmog in den Straßen einer Großstadt herrschen. Bei diesen Wetterlagen liegt eine warme Luftschicht wie eine Decke über einer kälteren, tieferen Luftmasse und verhindert so ihr Aufsteigen und die Durchmischung der Luft. Dadurch bleiben auch die Abgase des Verkehrs, der Haushalte und anderer Emittenten in den Straßenschluchten gefangen und konzentrieren sich dort.

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Ammoniak und Salpetersäure als Wachstumshelfer

Das Experiment zeigte Überraschendes. Denn gängiger Ansicht nach sind Nanopartikel von weniger als zehn Nanometern Durchmesser keine guten Ausgangspartikel für Feinstaub. Sie lagern sich schnell an größere Schwebstoffe an und bleiben daher nicht lange erhalten. Doch wie die Forscher jetzt feststellten, können diese Nanopartikel unter bestimmten Bedingungen diesem „Tal des Todes“ entgehen und dann zu Keimen neuer Ultrafeinstaub-Teilchen werden.

Dies geschieht immer dann, wenn sich die beiden aus Autoabgasen gebildeten Luftschadstoffe Ammoniak und Salpetersäure in der Straßenluft kurzzeitig stark anreichern. Sie lagern sich dann an den Nanopartikeln an, bilden Ammoniumnitrat und führen zum rapiden Heranwachsen der Partikel zu Ultrafeinstaub. „Sie wachsen teilweise hundertmal schneller, als wir dies von anderen Schadstoffen wie zum Beispiel Schwefelsäure kennen“, sagt Joachim Curtius von der Goethe-Universität Frankfurt.

Resultat dieses Prozesses ist der dichte Smog aus Feinstaub und Ultrafeinstaub, der im Winter vor allem in asiatischen Großstädten für „dicke Luft“ sorgt.

Wichtiger Beitrag zum Wintersmog

„In urbanen Ballungszentren liefert der von uns beobachtete Prozess damit einen wichtigen Beitrag zur Bildung von Feinstaub im Wintersmog“, sagt Curtius. Selbst wenn die lokalen Anreicherungen der beiden Luftschadstoffe oft nur wenige Minuten lang anhalten, reicht dies aus, um den Smog zu verstärken. Das allerdings funktioniert nur im Winter, weil der Prozess nur bei Temperaturen von weniger als fünf Grad abläuft, so die Forscher.

Um den Wintersmog gerade in den noch immer stark betroffenen Megacities Asiens effektiv zu bekämpfen, müsste daher der Ausstoß von Stickoxiden – den Vorläufern der Salpetersäure – und von Ammoniak stärker verringert werden. „Bisher dachte man, dass Ammoniak und Salpetersäure nur eine passive Rolle bei der Partikelbildung spielen“, sagt Jasper Kirkby, Leiter des CLOUD-Experiments.

Doch das sei offensichtlich ein Irrtum. Gerade der Ammoniak-Ausstoß aber werde bislang meist nicht reglementiert. (Nature, 2020; doi: 10.1038/s41586-020-2270-4)

Quelle: CERN, Goethe-Universität Frankfurt am Main

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