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Geowissen

„Schneeball Erde” brachte Kohlenstoffkreislauf ins Wanken

Mineralische „Überdüngung“ ließ urzeitliches Meer umkippen und Klima trudeln

Die Kalksteinproben stammen aus diesen Hügeln der Trezona Formation in Südaustralien © Adam Maloof

Am Ende der Erdurzeit vergletscherte unser Planet nicht nur zu einem „Schneeball Erde”, in einer Warmphase dazwischen veränderte sich auch der Kohlenstoffkreislauf so dramatisch wie kaum jemals davor oder danach. Wie amerikanische Forscher jetzt in „Science“ berichten, war die Ursache eine „Überdüngung“ der Ozeane durch vom Eis eingeschwemmte Mineralien, die den CO2-Abbau durch Meeresbakterien zum Erliegen brachten und damit das gesamte Klimasystem umkrempelten.

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Die Ära des Neoproterozoikums dauerte von vor einer Milliarde Jahren bis vor 542 Millionen Jahren und markiert die letzte Periode der Erdurzeit. Vor 830 Millionen Jahren ist diese Ära durch einen klimatischen Einschnitt geprägt, das Cryogenium. Das Klima verändert sich und zum ersten Mal nach eineinhalb Milliarden Jahren erlebt die Erde eine ausgedehnte Vereisung, die Sturtische Eiszeit. Von dieser Zeit an verändern sich die Klimamuster nachhaltig, seither wechseln rund alle 100 bis 200 Millionen Jahre Kaltzeiten mit Warmzeiten.

Ära des „Sauerstoff-Schubs“ in der Atmosphäre

Wie stark die Vereisung in der Sturtischen Eiszeit wirklich war, ist heute stark umstritten. Während einige Forscher eine globale Vereisung und die Erde als „Schneeball“ sehen, vermuten andere eine weitaus weniger ausgedehnte Eisdecke. Geowissenschaftler um Adam Maloof von der Princeton Universität hatten erst im März 2010 in “Science” Daten veröffentlicht, die vor 716,5 Millionen Jahren eine Ausdehnung der Gletscher bis zum Äquator belegen und damit die „Schneeball Erde“-Theorie stützen.

Jetzt haben Maloof und weitere Kollegen neue Daten vorgestellt, die eine dramatische Störung des Kohlenstoffkreislaufs während des Cryogeniums zeigen. „Die Neoproterozoische Ära war eine Zeit in der Erdgeschichte, als die Sauerstoffgehalte der Atmosphäre auf ein Niveau stiegen, das die Evolution von Tieren ermöglichte“, erklärt Nicholas Swanson-Hysell von der Princeton Universität, der Erstautor der Studie. „Deshalb ist die Erforschung der Veränderungen des Kohlenstoffkreislaufs und der Dynamik der Erdoberfläche dieser Zeit wichtig.“

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Dramatischer Einschnitt im Kohlenstoffkreislauf vor 650 Millionen Jahren

Die Forscher analysierten für ihre Studie Proben von Kalkstein aus Mittel- und Südaustralien, die während des Tonium und Cryogenium abgelagert worden waren. Mit Hilfe der Isotopenanalyse identifizierten sie in der Trezona Formation, einer am Ende der Cryogenischen Periode vor rund 650 Millionen Jahren zwischen zwei „Schneeball Erde“-Phasen entstandenen Kalksteinschicht, eine seltsame und starke Veränderung im Kohlenstoffkreislauf. „Die Störung, die wir im Neoproterozoischen Kohlenstoffkreislauf sehen, ist um mehrere Größenordnungen stärker als alles, was wir heute auslösen könnten, selbst wenn wir sämtliche fossile Brennstoffe des Planeten auf einmal verbrennen würden“, so Maloof.

„Überdüngung“ der Meere als Ursache?

Hinweise auf einen ähnlichen Umschwung im Kohlenstoffkreislauf hatte der Geophysiker Daniel Rothman vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) für eine spätere Periode des Neoproterozoikums, das Ediacarium, bereits 2003 entdeckt. Er vermutete damals, dass ein starker Anstieg von organischem Kohlenstoff im Ozean – eine Art Mega-Überdüngung – diese Störung ausgelöst haben könnte. Die jetzt neu entdeckte, 100 Millionen Jahre ältere Störung ist jedoch noch um 25 Prozent stärker ausgeprägt.

„Die neuen Kohlenstoffisotopendaten zeigen einen gewaltigen Absturz in der Isotopen-Zusammensetzung des Karbonats, vielleicht sogar die stärkste einzelne Isotopenveränderung in der Erdgeschichte, während gleichzeitig die Isotopenzusammensetzung des organischen Kohlenstoffs stabil bleibt“, so Rothman. „Die Gleichzeitigkeit solcher Signale ist rätselhaft und deutet darauf hin, dass sich der Kohlenstoffkreislauf zu dieser Zeit fundamental anders verhalten haben muss als heute.“

Princeton Forscher Catherine Rose und Nicholas Swanson-Hysell stehen an der Grenze zwischen Schichten aus dem Cryogenium und dem Ediacarium, unterscheidbar durch die unterschiedliche Färbung des eiszeitlichen Gesteins unten und des darüberliegenden Karbonatgesteins. © Adam Maloof

Verwitterung schwemmte mineralischen Dünger ins Meer…

Was aber kann diese Störungen und vor allem einen solchen Überschuss an organischem Kohlenstoff in den Meeren der damaligen Zeit ausgelöst haben? Die Princeton-Geologen vermuten, dass die Passage der Sturtischen Gletscher über die Landmassen der Kontinente deren Oberfläche von allen darauf abgelagerten Sedimenten freigeschrammt haben muss. Als sich die Eismassen dann wieder zurückzogen, lagen plötzlich gewaltige Flächen von rohem Grundgestein frei und verwitterten quasi im Eiltempo. Diese durch das Kohlendioxid der Atmosphäre getriebenen chemischen Abbauprozesse erzeugten große Mengen an mineralischen Nährstoffen, die von Regen in die Ozeane gespült wurden.

…und unterbrach Abbau organischer Kohlenstoffverbindungen

In den Meeren hätte der gewaltige Einstrom vor allem von Eisen die biochemischen Prozesse gestört, mit denen die marinen Bakterien organische Kohlenstoffverbindungen abbauten und in Kohlendioxid und anorganische Verbindungen umwandelten. Als Folge blieben die organischen Verbindungen unzersetzt, reicherten sich im Meerwasser an und reduzierten den Rückfluss von Kohlendioxid aus dem Meer in die Atmosphäre. Zusammen mit den ebenfalls Kohlendioxid-zehrenden Verwitterungsprozessen auf den Kontinenten resultierte dies in einem signifikant sinkenden CO2-Gehalt der Luft und damit einem abkühlenden Klimaeffekt, der letztlich die wiederholten Eiszeiten im Cryogenium auslöste.

Sauerstoffanstieg als Folge

Diese starken Veränderungen des Kohlenstoffkreislaufs beeinflussten auch den Sauerstoffhaushalt der Atmosphäre: Nach Ansicht von Strothman und den Princeton-Forschern war dies der entscheidende Anstoß, der den über Millionen von Jahren hinweg erfolgenden Anstieg des Sauerstoffgehalts der Luft ermöglichte. Und als die Sauerstoffkonzentration hoch genug war, wirkte diese wiederum auf den Kohlenstoffkreislauf zurück: Der Sauerstoff oxidierte die organischen Verbindungen im Meerwasser und leitete damit eine allmähliche Rückkehr des Kohlenstoffkreislaufs zu „normalen“, mit den heutigen vergleichbaren Bedingungen ein.

Sollten sich diese Ergebnisse bestätigen, hätten die Wissenschaftler damit entscheidende Erkenntnisse über das mögliche Ausmaß der Wechselwirkungen zwischen Klima und Kohlenstoffkreislauf gewonnen und auch geklärt, was den bereits zuvor bekannten Anstieg des Sauerstoffgehalts der Luft in dieser Zeit verursacht haben könnte.

(Princeton University, 04.05.2010 – NPO)

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