Tropische Korallen gleichen mit einem raffinierten Trick ihre nährstoffarme Umgebung aus: Sie scheiden gelartigen Schleim aus, in dem organisches Material hängen bleibt und das Riff mit Nährstoffen anreichert. Jetzt haben Forscher festgestellt, dass die Korallen ihre Schleimausscheidung auch an die Meeresströmungen in ihrer Umgebung anpassen: In bewegtem Wasser geben sie mehr Schleim ab.
Tropische Korallenriffe gehören zu den artenreichsten Lebensräumen unseres Planeten. Riffe liegen aber meist in extrem nährstoffarmen Meeresgebieten, man vergleicht sie deshalb auch mit Oasen in der Wüste. Daher optimieren Riffe den Kreislauf ihrer Nährstoffe in einer Weise, dass möglichst wenig davon an die Umgebung verloren geht. Ein Trick der Korallenpolypen ist es dabei, organisches Material als gelartigen Schleim auszuscheiden. Der Schleim wird in Form von langen Fäden ins Wasser abgegeben. Da er sehr klebrig ist, bleiben Teile abgestorbener Organismen aus der Wassersäule und Kleinstlebewesen wie z.B. Ruderfußkrebse an ihm hängen.
Es bilden sich sogenannte Aggregate, die aufgrund ihres Gewichtes auf den Meeresboden sinken. Dort bauen Mikroorganismen das organische Material ab und stellen ihre Stoffwechselprodukte dem Riff wieder als Nahrung zur Verfügung. Nicht nur Kohlenstoff, auch lebenswichtige Elemente wie Stickstoff und Phosphor, die im Riffhabitat Mangelware sind, werden dadurch wieder neu verfügbar. Die Schleimfäden fangen somit wichtige Nahrungsbestandteile ein, bevor diese mit den Meeresströmungen aus dem Riff hinausdriften. Teilweise löst sich der Schleim auch sofort im Wasser und wird von den Mikroorganismen aufgenommen. Wie Studien am Großen Barriereriff von Australien zeigten, können täglich bis zu 5 Liter Schleim pro Quadratmeter Riffoberfläche abgegeben werden – das sind riesige Mengen. Das Riff betreibt also ein sehr effizientes Recycling.
Mehr Schleim in bewegtem Wasser
Inwieweit Umweltfaktoren wie Licht, Temperatur oder Sedimente im Wasser diesen existenziellen Mechanismus beeinflussen, ist bereits häufiger untersucht worden. Unklar war bisher aber, welche Wirkung die Bewegungen der Wassersäule haben. Um dieser Frage nachzugehen, brachten Christian Wild vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie – ZMT und seine Kollegen zwei verschiedene Arten von Steinkorallen in sogenannte Strömungskammern und setzten sie unterschiedlichen Strömungsgeschwindigkeiten aus.
Wie sich zeigte, gaben beide Korallenarten bei Strömung deutlich mehr Schleim ab als bei ruhendem Wasser. Riffe sind in der Natur teilweise sehr starken Wasserbewegungen wie Gezeitenströmungen und Wellen ausgesetzt. Insofern deuten die neuen Ergebnisse darauf hin, dass bei bisherigen Quantifizierungen die Schleimabgabe durch Korallen unterschätzt wurde, da sie unter Stillwasserbedingungen durchgeführt wurden. Die wichtige ökologische Funktion der Schleimabgabe ist daher sehr wahrscheinlich noch deutlich ausgeprägter als bisher bekannt. (Aquatic Ecology. Doi:10.1007/s10452-012-9404-1)
(Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT), 20.07.2012 – NPO)