Der Fund eines gut erhaltenen, 29 Millionen Jahre alten Schädels enthüllt Überraschendes über die frühesten Vorfahren von Mensch und Affe. Ihr Gehirn war offenbar kleiner und die geschlechtsspezifischen Unterschiede deutlicher ausgeprägt als bisher angenommen. Das berichten Forscher in der aktuellen Ausgabe der „Proceedings of the National Academy of Sciences“.
Aegyptopithecus zeuxis gilt seit der Entdeckung eines ersten Schädels dieser Art 1966 in einem Steinbruch nahe Kairo in Ägypten als gemeinsamer Vorfahre von Menschen und Affen. Basierend auf den Vermessungen des damaligen Funds gingen die Forscher davon aus, dass diese Spezies von Frühaffen bereits ein relativ großes Gehirn besessen haben muss. Doch ein neuer Fund hat nun diese Annahme widerlegt. Elwyn Simons, Professor für biologische Anthropologie und Anatomie an der amerikanischen Duke Universität entdeckte im gleichen Grabungsgebiet erneut einen Aegyptopithecus-Schädel.
Halb so groß wie früherer Fund
Dieser ist in einem erstaunlich guten Erhaltungszustand, insbesondere das Schädeldach ist vollständig intakt. Dadurch konnten die Forscher mithilfe von Mikrocomputertomographie das Schädelvolumen – und damit die Gehirngröße des Affen – genau ausmessen. Das Ergebnis erhielten sie in Form einer dreidimensionalen Computerrekonstruktion des Gehirns. „Die Art hatte ein Gehirn, das sogar noch kleiner sein könnte als das eines modernen Lemuren“, erklärt Simons. „Das bedeutet, dass die großhirnigen Affen und Menschenaffen ihre großen Gehirne erst zu einem späteren Zeitpunkt entwickelten.“
Klein genug, um bequem in der Handfläche des Forschers Platz zu haben, ist der neue Schädel tatsächlich weniger als halb so groß wie der 1966 gefundene. Simons und seine Kollegen hatten daher zunächst angenommen, dass es sich möglicherweise um eine andere Art handeln könnte. Doch genauere Analysen sprachen dagegen. Aus dem Vergleich der beiden gleich alten Schädel schließen die Wissenschaftler, dass der neue von einem Weibchen der Art stammen muss, der alte dagegen von einem Männchen.
Geschlechterdifferenz ähnlich den Gorillas
Der enorme Größenunterschied zwischen den Geschlechtern ist vergleichbar mit dem der Gorillas, den genetisch zweitnächsten Verwandten des Menschen. Bei modernen Primaten sind solche Differenzen normalerweise typisch für Arten, die in größeren Verbänden von 15 bis 20 Männchen und Weibchen leben. „Wir schließen daraus, dass auch Aegyptopithecus in einer größeren sozialen Gruppe lebte. Das wiederum deutet darauf hin, dass er immerhin genügend Verstand hatte, um die Gruppenmitglieder auseinander zu halten“, erklärt Simons.
Sehsinn bereits stark ausgeprägt
Der Schädel des Aegyptopithecus ist damit insgesamt kleiner als ursprünglich angenommen. Die Form der Augenhöhlen beider Schädel deutet darauf jedoch hin, dass Aegyptopithecus, ähnlich wie die meisten modernen Primaten tagsüber aktiv war. Viele Prosimier, die Gruppe, zu der auch die Lemuren gehören, sind dagegen nachtaktiv.
„Andere Eigenschaften des Schädels und anderer an der Fundstelle innerhalb der letzten vier Jahrzehnte gesammelten Aegyptopithecus-Fossilien belegen jedoch, dass dieser Primat sich in seiner Entwicklung bereits von seinen lemurenartigen Vorfahren entfernt hatte“, so Simons. „Wir stellen zudem fest, dass der visuelle Kortex sehr groß war, was bedeutet, dass diese Art, wie viele Primaten, einen sehr guten Sehsinn besaß. Dieser gilt als sehr wichtige Eigenschaft der höheren Primaten und hatte sich bei Aegyptopithecus offenbar schon weiterentwickelt.“
(Duke University, 15.05.2007 – NPO)