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Santorini: Gefahr durch nahen Unterseevulkan?

Reservoir unter dem Kolumbo-Vulkan füllt sich schnell mit flüssigem Magma

Santorini
Wenige Kilometer von der Insel Santorini entfernt liegt der aktive Unterseevulkan Kolumbos – von ihm könnte in naher Zukunft ein Ausbruch drohen. © borchee/ Getty images

Eruption möglich: Sieben Kilometer vor der Küste der Insel Santorini könnte sich ein unterseeischer Vulkanausbruch anbahnen. Denn seismische Messungen enthüllen, dass sich unter dem Kolumbo-Vulkan schmelzflüssiges Magma sammelt. Die Magmakammer könnte sich in den nächsten 150 Jahren weit genug füllen, um eine starke explosive Eruption mit Tsunami auszulösen, wie Vulkanologen berichten. Sie empfehlen eine engmaschige Überwachung.

Als um 1600 vor Christus der Thera-Vulkan in der Ägäis ausbrach, verursachte er die größte Katastrophe der europäischen Bronzezeit. Die mehrphasige Eruption zerriss die Insel Santorini und löste Tsunamis, Erdbeben und Ascheregen aus, die weite Teile des östlichen Mittelmeeres verwüsteten. Die Katastrophe verursachte wahrscheinlich auch den Niedergang der minoischen Hochkultur. Bis heute ist die Santorini-Vulkanzone aktiv.

Ägäis
Ungefähre Lage des Kolumbos-Vulkans. © NASA

Wie aktiv ist der Kolumbos-Vulkan?

Nur sieben Kilometer von Santorini entfernt liegt auch der aktivste Untersee-Vulkan des gesamten Mittelmeeres: Kolumbo. Dieser in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannte Vulkan verursachte zuletzt im Jahr 1650 eine heftige Unterwassser-Eruption. Dieser explosive Ausbruch schleuderte mehrere Kubikkilometer Lava und Asche aus und verursachte einen Tsunami, durch den 70 Menschen auf Santorini starben. Bis heute sprechen Hitze und austretende Gase für eine anhaltende Aktivität dieses Vulkans.

Doch was bedeutet dies für das aktuelle und künftige Ausbruchsrisiko des Kolumbo? Entscheidend dafür ist die Frage, ob das Magma im Reservoir des Vulkans heiß und schmelzflüssig ist oder aber kühl und weitgehend auskristallisiert. „Die Präsenz von mobilem, schmelzflüssigem Magma erlaubt eine schnelle Eruption“, erklären Vulkanologen um Kajetan Chrapkiewicz vom Imperial College London. Die Menge und Verteilung der Schmelze unter einem Vulkan können daher verraten, wie nahe er an einem Ausbruch ist.

Um das herauszufinden, hat das Team den Untergrund im Bereich des Kolumbos einer hochauflösenden seismischen Durchleuchtung unterzogen. Dafür installierten sie ein Netz von seismischen Sensoren am Meeresgrund und feuerten dann in dichten Abständen Luftdruckkanonen ab, um seismische Wellen zu verursachen.

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MAgmareservoir
Zone stark verringerter Geschwindigkeit der seismischen P-Wellen rund zwei Kilometer unter dem Meeresgrund. © Chrapkiewicz et al./ Geochemistry, Geophysics,
Geosystems, CC-by 4.0

Reservoir füllt sich mit flüssigem Magma

Die Analysen enthüllten Überraschendes: Nur zwei bis vier Kilometer unter dem Kolumbo-Vulkan gibt es eine prominente Zone, in der sich die seismischen Wellen nur sehr langsam ausbreiten. Das spricht dafür, dass es dort eine zuvor unentdeckte Magmakammer des Unterseevulkans gibt. „Um eine so starke Abbremsung der Wellen zu erklären, müssen die Temperaturen in dieser Zone die Schmelztemperatur für granitisches Gestein deutlich überschreiten“, erklären Chrapkiewicz und sein Team.

Unter dem Kolumbo-Vulkan hat sich demnach schon wieder flüssiges, potenziell eruptives Magma angesammelt. Die aktuelle Füllmenge liegt den Daten zufolge bei rund 1,4 Kubikkilometer – und nimmt stetig weiter zu. Wie die Vulkanologen ermittelten, füllt sich das Reservoir mit einer Rate von rund 0,004 Kubikkilometer pro Jahr oder 330 Kilogramm pro Sekunde. Das aber bedeutet: Die Magmamenge unter dem Unterwasservulkan vor Santorini kommt den Volumen der letzten großen Eruption des Kolumbos vor gut 450 Jahren allmählich wieder nahe, wie Chrapkiewicz und seine Kollegen erklären. Damals wurden rund zwei Kubikkilometer vulkanisches Material ausgeschleudert.

Ascheregen, Tsunami und Eruptionswolke

Doch was heißt dies für das Ausbruchsrisiko? „Eine größere Ansammlung mobiler Schmelze nur rund zwei Kilometer unter dem Meeresgrund stellte ein ernstes Risiko für eine hochexplosive, tsunamiauslösende Eruption in der nahen Zukunft dar“, sagen die Vulkanologen. „Der hohe Anteil schmelzflüssigen Magmas in diesem Reservoir kann sehr schnell durch einen stärkeren Einstrom von Magma oder einen externen Auslöser mobilisiert werden.“ Wann es konkret so weit sein könnte, lasse sich aber nicht genau sagen.

„Der Kolumbo stellt aber eine ernste Bedrohung dar“, sagen die Forschenden. Denn wenn dieser Unterwasservulkan ausbricht, könnte die resultierende Wasserdampfexplosion eine Dutzende Kilometer hohe Eruptionswolke erzeugen, es würde in weitem Umkreis Asche und Bimssteine regnen und der Tsunami würde Santorini und andere Inseln der Ägäis schwer treffen. „Die relativ geringe Wassertiefe von nur rund 500 Metern wird die Explosivität der Eruption zudem eher fördern als verringern“, so Chrapkiewicz und seine Kollegen.

Echtzeit-Überwachung dringend empfohlen

Die Vulkanologen vergleichen die Art der drohenden Eruption mit der des Anfang 2022 ausgebrochenen Unterseevulkans Hunga Tonga-Hunga Ha‘apai in Tonga. „Auch wenn die Eruption des Kolumbos wahrscheinlich eine Größenordnung schwächer ausfallen wird, könnte sie sogar schwerwiegendere Folgen haben“, sagen die Wissenschaftler. Denn Santorini und die umliegenden Inseln der Ägäis sind dicht bevölkert und es gibt in dieser Region einen starken Schiffs- und Flugverkehr, die dann betroffen wären.

Chrapkiewicz und sein Team empfehlen daher dringend, den Unterwasservulkan durch ein festinstalliertes Messnetz in Echtzeit zu überwachen. „Wir brauchen bessere Daten dazu, was unter solchen Vulkanen vor sich geht“, sagt Chrapkiewicz. „Mithilfe solcher kontinuierlichen Monitoringsysteme könnten wir besser einschätzen, wann sich ein Ausbruch ereignen wird. Wahrscheinlich könnten wir eine kommende Eruption dann schon einige Tage vorher erkennen, sodass man die Menschen evakuieren kann.“ (Geochemistry, Geophysics and Geosystems, 2023; doi: 10.1029/2022GC010475)

Quelle: American Geophysical Union (AGU)

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