Anzeige
Geowissen

Rotes Meer ist kein Baby-Ozean mehr

Riftzone begann die Bildung ozeanischer Kruste schon vor 13 Millionen Jahren

Rotes Meer
Die Ozeanbildung im Roten Meer ist weiter fortgeschritten als bislang gedacht. Hier eine bathymetrische Karte von einem Teil seines Grunds. © Geomar

Teenager statt Baby: Unter dem Roten Meer entsteht schon seit 13 Millionen Jahren neuer Ozeanboden – doppelt so lange wie bisher gedacht, wie nun Messdaten belegen. Sie enthüllen zudem, dass auch die Ozeanbildung an dieser Spreizungszone der Erdkruste weit fortgeschritten ist. Demnach ist dieses Meeresbecken kein kontinental geprägter Grabenbruch mehr, sondern ähnelt schon einem echten mittelozeanischen Rücken, wie Forschende im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.

Das Rote Meer ist in gleich mehrfacher Hinsicht ungewöhnlich. Denn der schmale, aber bis zu 2.000 Meter tiefe Meeresarm zwischen Afrika und der Arabischen Halbinsel birgt das wärmste und salzigste Tiefenwasser aller Ozeane weltweit. Sogar submarine Salzseen gibt es dort am Meeresgrund. Zudem gilt das Rote Meer als Ozean, der gerade erst im Entstehen begriffen ist. An seinem zentralen Grabenbruch quillt neues Krustenmaterial an die Oberfläche und drückt die benachbarten Krustenbereiche immer weiter auseinander.

Rotes Meer 2
Karten der Bathymetrie, des Schwerefelds und der Magnetanomalien im Bereich des Roten Meeres. © Augustin et al./ Nature Communications, CC-by-sa 4.0

Noch Grabenbruch oder schon ein Ozean?

Bisher war allerdings strittig, ob das Rote Meer noch einem kontinentalen Rift wie dem Ostafrikanischen Grabenbruch ähnelt oder ob es schon den Wandel zu einem voll ausgebildeten mittelozeanischen Rücken vollzogen hat. Das Problem: Der in Nord-Süd-Richtung verlaufende Grabbruch und die dort gebildete ozeanische Erdkruste sind unter einer dicken Decke aus Salz und Sedimenten begraben. Das macht direkte Untersuchungen nahezu unmöglich.

Gängige Modelle beruhen deshalb größtenteils auf indirekten Daten, die aber unterschiedlich interpretiert werden können. Als allgemein akzeptiert galt aber bisher ein Beginn der Riftbildung vor rund fünf bis acht Millionen Jahren. Ob das stimmt und wie die Kruste unter dem Roten Meer aussieht, hat nun ein Team um Nico Augustin vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel noch einmal aufs Neue untersucht.

Für ihre Studie analysierten die Forschenden hochauflösende Meeresbodenkarten in Verbindung mit seismischen Daten und Schwerefeldmessungen, um die Tektonik des Meeresbeckens zu entschlüsseln. Vergleiche mit Schwerefelddaten von anderen Plattengrenzen halfen dabei, das Stadium der Entwicklung an diesem Grabenbruch einzuordnen.

Anzeige

Ozeanische Kruste auf ganzer Länge

Das Ergebnis: Anders als bisher angenommen liegt unter dem Roten Meer ein junger, aber bereits voll ausgebildeter mittelozeanischer Rücken. Dafür sprechen sowohl die auf ganzer Länge durchgehenden seismischen Signaturen als auch die Bathymetrie und die Schwerefelddaten. „Wir haben mit einer Kombination verschiedener Verfahren erstmals typische Strukturen eines jungen, aber schon voll entwickelten Ozeanbeckens nachweisen können“, sagt Augustin.

Eines der Indizien dafür sind senkrecht zum Grabenbruch verlaufende, positive Schwerkraftanomalien. Diese wurden bisher teilweise für brückenartige Reste kontinentaler Kruste gehalten. Doch der Vergleich mit den Schwerefeldstrukturen an mittelozeanischen Rücken widerlegt dies: „Diese sogenannten ‚off-axis segmentation trails‘ sind sehr typische Merkmale ozeanischer Erdkruste und stammen von magmatisch aktiveren, dickeren und somit schwereren Bereichen entlang der Spreizungsachse“, so Augustin.

Ähnlichkeit mit langsamen Ozeanrücken

Wie die Forschenden erklären, ähnelt der Untergrund des Roten Meeres in vieler Hinsicht dem, was man an langsamen Spreizungszonen wie beispielsweise dem Mittelatlantischen Rücken südlich von Island oder der Verwerfung unter den Galapagos Inseln findet. Wie an diesen „Wachstumsfugen“ der Ozeane besteht auch der Meeresgrund des Roten Meeres schon komplett aus ozeanischer Kruste. Damit ist das Rote Meer keine kontinental geprägte Riftzone mehr, sondern schon ein echter mittelozeanischer Rücken.

Das bestätigen auch die geochemischen Analysen von Gesteinsproben aus den wenigen Gebieten, die nicht von Salzmassen überlagert sind. „Alle Proben, die wir aus dem Rift des Roten Meeres haben, weisen geochemische Fingerabdrücke von normaler ozeanischer Kruste auf“, berichtet Koautorin Froukje van der Zwan von der King Abdullah University of Science and Technology.

Beginn schon vor 13 Millionen Jahren

Und noch etwas enthüllen die neuen Daten: Das Rote Meer ist schon deutlich älter als bisher angenommen. Anhand der Spreizungsraten von 8,1 bis 12,9 Millimeter pro Jahr und der Breite des ozeanischen Krustenbereichs schätzen Augustin und sein Team, dass die Ozeanbildung unter dem Roten Meer schon vor etwa 13 Millionen Jahren begann. „Das ist mehr als das Doppelte des allgemein akzeptierten Alters“, so Augustin.

Das bedeutet, dass das Rote Meer kein Baby-Ozean mehr ist, sondern ein junger Erwachsener, der seine Kindheit als kontinentaler Grabenbruch schon lange hinter sich gelassen hat. Nach Ansicht der Wissenschaftler kann diese Sicht der Dinge auch einige bisher noch offene Fragen klären helfen. „Viele Details in salz- und sedimentbedeckten Gebieten, die bislang schwer zu erklären waren, machen mit unserem Modell plötzlich Sinn“, sagt Augustin. (Nature Communications, 2021; doi: 10.1038/s41467-021-22586-2)

Quelle: GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

News des Tages

Blutstropfen auf Fingerkuppe

Neues Diagnose-Verfahren erkennt zahlreiche Krebsarten

Wie KI das Internet schneller macht

Robo-Spinne soll Marshöhlen erkunden

Wie man beim Dart gewinnt

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Plattentektonik - Kontinent- verschiebung und Gebirgsbildung von Wolfgang Frisch und Martin Meschede

Im Fokus: Geowissen - Wie funktioniert unser Planet? Von Nadja Podbregar und Dieter Lohmann

Top-Clicks der Woche