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Ökologie

Rote Liste: Alarmstufe rot für Europas Insekten

Verlust von Lebensräumen und Klimawandel bedrohen Käfer, Schmetterlinge und Libellen

Ehrenpreis-Scheckenfalter Melitaea aurelia © Chris van Swaay /IUCN

Der Verlust der Lebensräume und der Klimawandel gefährdet das Überleben von Schmetterlingen, Käfern und Libellen in Europa. Das zeigt die neuesten von der EU-Kommission in Auftrag gegebene europäische Roten Liste. Demnach sind knapp zehn Prozent der Schmetterlinge, 14 Prozent der Libellen und elf Prozent der in verrottendem Holz lebenen Käferarten in Europa vom Aussterben bedroht. Einigen Arten droht sogar das weltweite Aussterben.

Die Europäische Rote Liste bietet einen Überblick über den Erhaltungsstatus von etwa 6.000 europäischen Arten, darunter Säugetiere, Reptilien, Amphibien, Süßwasserfische, Schmetterlinge, Libellen und bestimmte Gruppen von Käfern, Weichtieren und Gefäßpflanzen. Die Arten werden je nach Stärke der Bedrohung in eine von acht Kategorien eingeteilt. Arten die als „vom Aussterben bedroht“, „stark gefährdet“ oder „gefährdet“ gelten, werden insgesamt als „gefährdet“ eingestuft.

Kleine Tiere sind wichtig

Die Rote Liste der IUCN ist eine Zusammenstellung von Informationen über die Bedrohungen, denen die Arten, ausgesetzt sind, deren ökologische Bedürfnisse, deren Lebensraum sowie die Erhaltungsmaßnahmen, die getroffen werden können, um ein Aussterben zu verlangsamen oder zu verhindern. Es werden diejenigen Arten identifiziert, die auf regionaler Ebene vom Aussterben bedroht sind, so dass Erhaltungsmaßnahmen zur Verbesserung ihres Status getroffen werden können.

„Bei gefährdeten Arten denken die Menschen meistens an größere, beeindruckende Tiere wie Pandabären oder Tiger“, erklärt Jane Smart, Direktorin der IUCN-Biodiversitätsgruppe. „Wir sollten jedoch nicht vergessen, dass die kleinen Lebewesen unseres Planeten genauso wichtig sind und ebenso erhalten werden müssen. Schmetterlinge spielen beispielsweise eine Schlüsselrolle als Bestäuber in den Ökosystemen, in denen sie leben.“

Rückgang europäischer Schmetterlingsarten

Die aktuellen Studien zeigen, dass die Populationen von nahezu einem Drittel (31 Prozent) der 435 Schmetterlingsarten in Europa dramatisch sinken und neun Prozent bereits vom Aussterben bedroht sind. So könnte beispielsweise der Madeira-Kohlweißling (Pieris wollastoni) sogar schon ausgestorben sein, da er seit mindestens 20 Jahren auf Madeira nicht mehr gesehen worden ist. Der in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien vorkommende Edelfalter Pseudochazara cingovskii gilt ebenfalls als vom Aussterben bedroht, da Tagebauarbeiten seinen Lebensraum einschränken. Ein Drittel von Europas Schmetterlingen (142 Arten) sind nirgendwo anders auf der Welt zu finden und 22 dieser endemischen Arten sind weltweit gefährdet.

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Gefährdung durch Abholzung und Forstwirtschaft

Die IUCN hat zum ersten Mal holzbewohnende Käfer bewertet, die von verrottendem Holz abhängen und eine entscheidende Rolle beim Nährstoffrecycling spielen. Ein Drittel der 431 Arten kommt nur in Europa vor. Fast elf Prozent – dies entspricht 46 Arten – drohen in der Region verloren zu gehen und 29 Arten sind weltweit vom Aussterben bedroht. Weitere 56 Arten gelten in Europa als gering gefährdet.

Hauptbedrohung für diese Käfer ist auf lange Sicht der Verlust der Lebensräume durch Abholzen und den Rückgang der Anzahl ausgewachsener Bäume. Der Veilchenblaue Wurzelhalsschnellkäfer (Limoniscus violaceous) ist eine bedrohte Art, die typischerweise in großen Baumhöhlen lebt, die Holzmulm enthalten. Grund für die Bedrohung sind veränderte Waldbewirtschaftungspraktiken.

Libellen vor allem in heißen Gebieten gefährdet

Libellen gibt es überall in Europa, mit Schwerpunkt Südfrankreich, den Hügeln am Fuße der Alpen und Teilen der Balkan-Halbinsel. Doch auch von ihnen sind 14 Prozent der 130 bewerteten Libellenarten gefährdet, fünf dieser Arten weltweit vom Aussterben bedroht. Weitere elf Prozent gelten innerhalb Europas als gering gefährdet. Wie bei den Schmetterlingen so sind auch hier die meisten gefährdeten Arten in den südlichen Teilen Europas beheimatet. Zunehmend heiße und trockene Sommer in Kombination mit einer vermehrten Wasserentnahme für Trink- und Bewässerungszwecke führen dazu, dass die Feuchtgebiete der Libellen austrocknen.

Drei der am stärksten gefährdeten Libellenarten Europas sind in den Bächen und kleinen Flüssen Griechenlands und seiner Nachbarländer einschließlich Albaniens, Bulgariens und der Türkei beheimatet. Werden keine Maßnahmen getroffen, so könnten Arten wie die Griechische Adonislibelle in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts aussterben.

Alarmglocke für Ökosysteme

EU-Umweltkommissar Janez Potočnik erklärte: „Die Zukunft der Natur ist auch unsere Zukunft und wenn diese in Gefahr ist, so sind auch wir in Gefahr. Wenn mittels einer solchen Roten Liste die Alarmglocke geläutet wird so ist klar, was dies für unser Ökosystem und für unsere Zukunft bedeutet. Es handelt sich um eine beunruhigende Entwicklung.“

Die Kommission erarbeitet derzeit ihre Position in Bezug auf ein neues weltweites Ziel der Erhaltung der Artenvielfalt, das bei der Konferenz der Vertragsparteien des Abkommens zur Biodiversität im Oktober in Nagoya erörtert werden soll.

Die Weltnaturschutzunion IUCN ist das weltweit größte Umweltnetzwerk mit mehr als 1 000 Mitgliedern (staatliche Organisationen und NGO) sowie fast 11 000 freiwilligen Wissenschaftlern und Sachverständigen in etwa 160 Ländern. Die Arbeit der IUCN wird unterstützt von 1 000 Fachkräften in 60 Einrichtungen und Hunderten von Partnern in öffentlichen und privaten Sektoren und NGO weltweit. Der Hauptsitz der IUCN ist in Gland in der Nähe von Genf (Schweiz).

(EU-Kommission, 17.03.2010 – NPO)

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