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Paläontologie

Riesenvogel mit Pseudo-Zähnen entdeckt

Fossilfund setzt neue Maßstäbe für Flügelspannweite von Vögeln

Schädel des Pelagornis chilensis mit Pseudozähnen © Senckenberg Forschungsinstitut

Mit einer Flügelspannweite von mehr als fünf Metern setzt ein jetzt in Chile entdecktes Urvogel-Fossil neue Maßstäbe. Der mit scharfen Pseudozähnen bewehrte Riesenvogel ist größer als alle bisher bekannten verwandten Arten. Er ernährte sich möglicherweise von Tintenfischen und anderen Meerestieren, die er im Flug aus dem Wasser fing. Wie die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Journal of Vertebrate Paleontology“ berichten, erlaubt das zehn Millionen Jahre alte Fossil auch Rückschlüsse über die Maximalgröße, die ein fliegender Vogel überhaupt erreichen kann.

Wissenschaftler eines deutsch-chilenischen Forscherteams haben in der Atacama Wüste, unweit des nordchilenischen Dorfes Bahìa Inglesa fossile Überreste einer neuen Urvogelart entdeckt. Es ist der bisher besterhaltene Fund eines Pseudozahnvogels. Mit einer Flügelspannweite von mehr als fünf Metern segelte der Urvogel vor fünf bis zehn Millionen Jahren über die Küstenregion Chiles. Senckenberg-Wissenschaftler Gerald Mayr und sein chilenischer Kollege David Rubilar haben das Tier, dessen erstaunlich niedriges Lebendgewicht zwischen 16 und 29 Kilogramm lag, jetzt als neue Art beschrieben und Pelagornis chilensis genannt.

Pseudozähne für Tintenfischfang aus dem Flug

„Obwohl diese Tiere wie Kreaturen aus Jurassic Park wirken, waren es bereits echte Vögel“, erklärt Mayr mit einem Blick auf die langen, gut erhaltenen Kiefer aus denen skurril wirkende, zahnähnliche Knochenfortsätze ragen. Was da eher an die Zähne eines Reptils erinnert, sind Pseudozähne, die sich

anatomisch jedoch deutlich von echten Zähnen unterscheiden. Sie sind das charakteristische Merkmal für diese Gruppe ausgestorbener Vögel, die Wissenschaftler den so genannten Pseudozahnvögeln zuordnen.

Pelagornis chilensis konnte damit im Flug Tintenfische und andere glitschige Nahrung von der Oberfläche des Pazifik fischen. Funde von Pseudozahnvögeln belegen, dass diese Vogelgruppe schon vor 50 Millionen Jahren existiert hat und auf allen Kontinenten vorkam. „Es ist durchaus möglich, dass frühe Urmenschen in Nordafrika noch den letzten Verwandten dieser seltsamen Vögel begegnet sind“, sagt Gerald Mayr.

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Rekonstruktion von Pelagornis chilensis © Carlos Anzures

Spannweite setzt neue Maßstäbe

Der mit 70 Prozent nahezu vollständige Fund der neuen Art ist weitgehend dreidimensional erhalten und damit der bislang am besten gesicherte Beleg für die neuen Erkenntnisse über die Größe und Anatomie dieser Riesenvögel. Die Flügelknochen zeigen eine Flügelspannweite von mindestens 5,20 Meter. Damit setzt Pelagornis chilensis neue Maßstäbe. „Wenn Vögel mit einer Flügelspannweite von mehr als fünf Metern und bizarren Pseudozähnen heute noch leben würden, wäre Vogelbeobachtung in Chile sicherlich noch um einiges aufregender“, vermutet Gerald Mayr, während er auf die Nachbildung des beeindruckenden Urzeittiers schaut, die jetzt im Senckenbergmuseum zu sehen ist.

Rückschluss auf Maximalgröße fliegender Vögel

Bedeutender für den Paläontologen vom Senckenberg Forschungsinstitut ist jedoch die Kenntnis der Maximalgröße, die ein fliegender Vogel überhaupt erreichen kann. Daraus lassen sich sowohl wichtige Rückschlüsse zur Evolution der Vögel wie auch über die Physik des Vogelflugs ziehen. Größere Maße, die für einige andere fossile Vögel zuvor angegeben wurden, basieren auf Schätzungen weitaus schlechter erhaltener Belege, die nur als stark zerbrochene Fragmente geborgen werden konnten.

„Die meist nur bruchstückhafte Erhaltung der fragilen Knochen sind der Grund dafür, dass bisher veröffentlichte Untersuchungsergebnisse zur Flügelspannweite dieser Vögel überwiegend auf Schätzungen beruhen“, erläutert Mayr. Der Neufund hat die Autoren veranlasst, in der aktuellen Publikation auch die bisherige wissenschaftliche Zuordnung dieser Vögel zu revidieren. Sie schlagen vor, alle Pelagornithiden-Arten aus dem Neogen in der Gruppe Pelagornis zusammen zu fassen.

„Pelagornis chilensis vertieft in hohem Maß unser Wissen vom Erscheinungsbild einer der faszinierendsten Tiergruppen, die einst den Himmel durchquert haben“, betont Co-Autor Rubilar vom chilenischen Museo Nacional de Historia Natural.

(Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, 16.09.2010 – NPO)

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