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Geowissen

Riesenkrater auf dem Seegrund

Quellen im Neuenburgersee lassen einige der größten Unterwasser-Krater der Welt entstehen

"Crazy Crater" im Querschnitt: Durch den schlammgefüllten Schlot unter dem Krater steigt Wasser auf. © ETH Zürich / Reusch et al.

Unerwarteter Fund: Auf dem Grund des Neuenburgersees in der Schweiz befinden sich mehrere riesige Krater. Ihr Ursprung ist nicht etwa vulkanisch, sondern es handelt sich um riesige Wasserquellen, wie ein Team von Geologen nun herausgefunden hat. Die überraschenden Krater gehören zu den größten derartigen Unterwasserstrukturen der Welt, schreiben die Forscher in der Fachzeitschrift „Geophysical Research Letters“.

Eine Routinefahrt auf dem Neuenburgersee in der Schweiz brachte für Anna Reusch von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) und ihre Kollegen eine im wahrsten Sinne riesige Überraschung. Bei Sonar-Messungen von ihrem Forschungsboot aus zeichnete sich auf dem Kontrollbildschirm plötzlich eine ungewöhnliche Kontur ab: Kreisrund, mit einem Durchmesser von 160 Metern. Genauere Auswertung der Daten zeigte, dass es sich um einen zehn Meter tiefen Krater am Grund des Sees handelt.

„Crazy Crater“ mit 160 Metern Durchmesser

Ursprünglich hatten die Geologen im Sediment des Sees nach Hinweisen auf vergangene Erdbeben gesucht. Doch der Überraschungsfund ließ diese Suche in den Hintergrund treten – denn es blieb nicht bei einem einzigen Krater. „Die Krater waren so interessant, dass wir dieses Phänomen unbedingt genauer untersuchen wollten“, sagt Reusch. Insgesamt vier dieser Strukturen machten die Forscher im Neuenburgersee ausfindig.

Alle liegen am Nordwestufer, in einer Tiefe von über hundert Metern. Die meisten befinden sich in der Verlängerung von bekannten tektonischen Bruchzonen. Die Krater haben einen Durchmesser von 80 bis 160 Metern und sind 5,5 bis 30 Meter tief. Dem größten Vertreter gaben die Forscher den Spitznamen „Crazy Crater“. Denn nicht nur seine Ausmaße sind ungewöhnlich, sondern auch seine Form: Der Krater ist kreisrund. Vergleichbare Strukturen auf dem Meeresboden werden in der Regel durch die Strömung verformt.

Krater sind eigentlich Quellen

Das Innere des „Crazy Crater“ lieferte auch Hinweise darauf, wie die Krater entstehen: Der Boden des Kraters besteht nicht aus festem Sediment, sondern aus flüssigem Schlamm. Bohrkerne ließen sich aus diesem Material nicht gewinnen. Die Erklärung der Geologen: Durch einen rund 60 Meter tiefen Schlot strömt ständig Wasser nach oben in den See und hält die Sedimente in Bewegung, so dass sie sich nicht verfestigen können. „Mit anderen Worten handelt es sich bei den Kratern um Quellen“,

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so Reusch.

Und auch den wahrscheinlichen Ursprung des Wassers dieser riesigen Unterwasserquelle machten die Forscher ausfindig. Das schlammige Wasser im Schlot des Kraters ist mit rund 8,4 Grad Celsius deutlich wärmer als das Tiefenwasser und das umgebende Sediment mit nur 5,8 Grad. Die höhere Wassertemperatur passt jedoch zum Oberflächenwasser des angrenzenden Karstgebiets im Schweizer Juragebirge.

Nicht vulkanisch, aber trotzdem Ausbrüche

Die Krater am Seegrund sehen nicht nur vulkanähnlich aus. Zwar ist ihr Ursprung nicht vulkanisch, sie scheinen jedoch ab und zu auch Schlamm über ihre Kraterränder zu spucken, wie Bohrkerne aus ihrer direkten Umgebung zeigen. Allerdings ist dies ein seltenes Ereignis, in den letzten 12.000 Jahren lass sich bislang nur vier solcher „Ausbrüche“ bestätigen. Der „Crazy Crater“ hat seit über 1.600 Jahren kein Sediment mehr ausgeworfen.

Bei den Geologen haben die Riesenkrater eine Art Entdeckerfieber ausgelöst: Viele der Schweizer Seen sind bislang nicht in einer Auflösung kartiert, wie es das moderne Sonar erlaubt. Dadurch könnten noch zahlreiche weitere Überraschungen auftauchen, die wie die Unterwasserquellen des Neuenburgersees bislang unbekannt waren. „Das zeigt, dass selbst im 21. Jahrhundert in der Schweiz spannende und aufregende Entdeckungen möglich sind!“, freut sich Reusch. (Geophysical Research Letters, 2015; doi: 10.1002/2015GL064179)

(Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich), 18.05.2015 – AKR)

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