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Erdgeschichte

Ries-Einschlag: Gesteinsregen bis in die Schweiz

Geschockte Quarze belegen Fallout noch 180 Kilometer südlich des Nördlinger Ries

Geschockter Quarz
Die feinen Linien in diesem Quarzkörnchen zeigen Schockspuren oim Kristall. Sie entstanden beim Einschlag im Nördlinger Ries.© Beda Hoffmann

Weiter als gedacht: Beim Einschlag, der vor 15 Millionen Jahren das Nördlinger Ries schuf, wurden Gestein und Trümmer nicht nur in Einschlagsrichtung des Asteroiden weggeschleudert. Selbst 180 Kilometer weiter südlich regnete es damals noch größere und kleinere Gesteinsbrocken, wie geologische Analysen belegen. Überraschend ist dabei, dass selbst scharfkantiger Quarzstaub es bis in die Schweiz schaffte.

Es muss ein denkwürdiger Tag gewesen sein, im subtropisch warmen Alpenvorland vor fünfzehn Millionen Jahren: Aus Südwesten rast ein gut ein Kilometer großer Asteroid heran und schlägt mit enormer Geschwindigkeit ein. Ein greller Feuerball mit der Energie von 16 Millionen Hiroshima-Bomben ist die Folge, in dem große Teile des Untergrundgesteins verdampfen und neue Minerale entstehen. Heute zeugt von dieser Katastrophe das Nördlinger Ries – einer der am besten erhaltenen Einschlagskrater der Welt.

Ries-Einschlag
Lage des Nördlinger Ries, der nordöstlichen Trümmerfelder und des Schweizer Blockhorizonts. © Holm-Alwmark et al./ Scientific Reports, CC-by-sa 4.0

Während die direkt beim Einschlag ausgeschleuderten Gesteinstrümmer eine meterdicke Schicht bis in 40 Kilometer Entfernung bilden, geht das verdampfte Material weiter entfernt nieder: Als Regen aus glasig erstarrten Gesteinströpfchen fällt dieser Suevit in einem Umkreis von bis zu 500 Kilometer – allerdings vorwiegend in nordöstlicher Richtung, in Flugrichtung des Asteroiden.

Fund inmitten des Blockhorizonts

Doch es gab damals noch andere „Ferntransporte“ von Einschlags-Relikten, wie nun Sanna Holm-Alwmark von der Universität Kopenhagen und ihre Kollegen herausgefunden haben. Entdeckt haben sie dies, als sie den sogenannten „Blockhorizont“ in der Nordost-Schweiz näher untersuchten – eine rund zehn Zentimeter dicke Schicht aus durcheinandergewürfelten, eckigen Gesteinsbrocken.

Man wusste bereits, dass diese Brocken vor rund 15 Millionen Jahren aus dem Norden in diese Gegend geschleudert worden sein müssen. Wissenschaftler gingen daher davon aus, dass es sich um Trümmer des Ries-Einschlags handeln muss. Aber als nun Holm-Alwmark und ihre Kollegen Proben dieses Blockhorizonts näher analysierten, stießen sie auf eine weitere, zuvor unerkannte Komponente.

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Rätsel um scharfkantige Quarzkörnchen

Bei den neu entdeckten Einschlags-Relikten handelt es sich um winzige Quarzkörnchen von 140 bis 630 Mikrometer Größe. Verformungen der Kristallstruktur deuten darauf hin, dass viele dieser Körnchen einem abrupten, starken Druck ausgesetzt gewesen sein müssen – wie beim Ries-Einschlag. Diese Quarzkörnchen müssen dabei einen Druck von bis zu 25 Gigapascal erfahren haben – dem 250-fachen des normalen atmosphärischen Drucks.

Blockhorizont
Blick auf den Blockhorizont. © Rainer Wieler/ Naturhistorisches Museum Bern

Das Überraschende jedoch: „Die Quarze sind alle scharfkantig“, berichtet Holm-Alwmark. Das bedeutet, dass diese Kristalle anders als das Gesteinsglas durch den Einschlag nicht geschmolzen und verglast wurden. Sie waren demnach nicht Teil des weit verteilten Glas-Fallouts. Auch über Flüsse können diese Quarzkörnchen nicht in die Schweiz gelangt sein, denn auch dabei wären sie durch die Wassererosion rundgeschliffen worden.

Wie kam der Quarz in die Schweiz?

Wie aber kam dieser geschockte Quarzstaub dann vom Nördlinger Ries bis in die Schweiz? Bei den bis zu 40 Zentimeter großen Brocken des Blockhorizonts reichte die Energie des Einschlags, um sie auf ballistischen Bahnen direkt ins Alpenvorlang zu schleudern. „Mich fasziniert der Gedanke, dass ein faustgroßer Gesteinsblock 180 Kilometer weit durch die Luft geschleudert werden konnte. Diese unglaublichen Kräfte sind für uns Menschen nur schwer vorstellbar“, sagt Koautor Matthias Meier vom Naturmuseum St. Gallen.

Doch beim Quarzstaub kommt eine solche ballistische Flugbahn nicht in Frage: „Bei den nur 0,25 Millimeter kleinen Quarzen ist dies aufgrund des Luftwiderstands nicht möglich“, sagt Holm-Alwmark. Die neuen Funde belegen demnach, dass bei einem Einschlag wie dem im Nördlinger Ries sowohl ballistische wie nicht-ballistische Gesteinstrümmer über weite Entfernungen transportiert werden können.

Weitreichende Staubwolke

Nach Ansicht der Forschenden könnten die Quarzkörnchen Teil einer gigantischen Staubwolke gewesen sein, die beim Einschlag aufgewirbelt wurde. Sie wurde dann von Winden nach Süden transportiert und Teile des Staubs lagerten sich auch in der Nordschweiz ab. „Die Entstehung einer solchen Staubwolke wird in neueren Computer-Simulationen für große Asteroiden-Einschläge vorhergesagt“, erklärt die Forscherin.

Bisher wurde aber weltweit noch bei keinem anderen Krater dieser Größe die Ausbreitung einer solchen Staubwolke über 180 Kilometer Entfernung nachgewiesen. Wie das Forschungsteam berichtet, erreichen die gesamten Ejekta des Einschlags im Schweizer Blockhorizont noch eine Dichte von rund zwei Kilogramm pro Quadratmeter – angesichts der großen Entfernung sei das beachtlich und müsse damals zu signifikanten Störungen der Umgebung geführt haben.

Insgesamt belegen die Ergebnisse, dass Ejekta eines Einschlags trotz verschiedener Ursprungsgesteine, Größen und Transportwegen letztlich eine gemeinsame Trümmerschicht bilden können – wie beim Blockhorizont in der Schweiz der Fall. (Scientific Reports, 2021; doi: 10.1038/s41598-021-86685-2)

Quelle: Naturhistorisches Museum Bern

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