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Klima

Rekord-Tief beim Meereis der Antarktis

Südpolarmeer ist so eisfrei wie noch nie seit Beginn der Satellitenmessungen

Antarktis-Meereis
Schon am 8. Februar 2023 – noch vor Ende des Südsommers – hat das antarktische Meereis ein neues Rekord-Minimum erreicht. © meereisportal.de

Historischer Tiefstand: Das lange stabile Meereis rund um die Antarktis hat in diesem Jahr ein neues Rekordminimum erreicht. Anfang Februar 2023 waren nur noch 2,2 Millionen Quadratkilometer des Südozeans von Meereis bedeckt – ein so geringer Wert wurde seit Beginn der Satellitenmessungen vor 40 Jahren noch nie dokumentiert. Damit setzt sich die schon in den letzten Jahren stark beschleunigte Eisschmelze im antarktischen Sommer fort.

Während das arktische Meereis schon Jahrzehnten immer weiter schrumpft, galt das antarktische Meereis lange als relativ stabil. Zwar ist es insgesamt eher dünn und taut im Sommer stark ab, es wird aber in den kalten Wintern in entsprechend großer Fläche wieder neugebildet. Durch diese starken saisonalen Schwankungen variiert die Fläche des antarktischen Meereises zwischen 18 bis 20 Millionen Quadratkilometer im Winter und einem sommerlichen Minimalwert von rund drei Millionen Quadratkilometer.

POlarstern
Das Forschungsschiff Polarstern durchfuhr schon im Januar 2023 ein nahezu eisfreies Bellingshausenmeer. © James Kirkham

Neues Rekord-Minimum

Doch inzwischen zeigt sich auch in der Antarktis ein Wandel: Schon im letzten Jahr hatte das Meereis im Südpolarmeer ein neues Rekordminimum erreicht, jetzt bahnt sich ein noch drastischerer Tiefstand an, wie Satellitenaufnahmen zeigen. „Am 8. Februar 2023 wurde mit einer Ausdehnung von 2,20 Millionen Quadratkilometern das bisherige Rekordminimum aus dem Jahr 2022 bereits unterschritten“, berichtet Meereisphysiker Christian Haas vom Alfred-Wegener-Institut (AWI).

Damit hat das antarktische Meereis einen historischen Tiefstand erreicht. Eine so geringe Fläche wurde seit Beginn der Satellitenmessungen vor rund 40 Jahren noch nie gemessen – und sie könnte noch weiter zurückgehen: „Da die Meereisschmelze in der Antarktis voraussichtlich bis in die zweite Februarhälfte weiter andauert, können wir heute noch nicht sagen, wann der neue Negativrekord erreicht sein wird und wie viel Meereis bis dahin noch zusätzlich schmilzt“, sagt Haas.

Kaum noch Eis rund um die Westantarktis

Besonders ausgeprägt ist die Eisschmelze im westantarktischen Bellingshausen- und im Amundsenmeer, das Bellingshausenmeer ist nahezu eisfrei. Dort ist derzeit auch das Forschungsschiff Polarstern unterwegs. „Eine solche extreme eisfreie Situation habe ich hier zuvor noch nicht erlebt. Der Kontinentalschelf, der immerhin die Größe Deutschlands hat, ist vollständig eisfrei“, berichtet Expeditionsleiter Karsten Gohl vom AWI. „Für die Forschungsarbeiten auf dem Schiff sind diese Bedingungen natürlich von Vorteil, aber es gibt einem zu denken, dass diese Änderung in so kurzer Zeit geschehen ist.“

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Wie sehr sich das antarktische Meereis und Klima im Vergleich zu früheren Jahrhunderten verändert hat, zeigen auch historische Aufnahmen: Vor 125 Jahren war das belgische Forschungsschiff Belgica mehr als ein ganzes Jahr lang unfreiwillig im massiven Packeis des Bellingshausenmeeres eingefroren. Selbst im Südsommer konnte sich das Schiff nicht aus dem Eis befreien. Heute dagegen kann das Forschungsschiff Polarstern in einem nahezu eisfreien Bellingshausenmeer operieren.

Entwicklung des Meereises
Monatsmittelwerte der Meereisausdehnung im Januar in der Antarktis seit 1979. © meereisportal.de

Ursache für rasante Abnahme nur in Teilen klar

Unklar ist zurzeit noch, warum sich die sommerliche Eisschmelze in den letzten Jahren so verstärkt hat. „Die rasante Abnahme des Meereises in den letzten sechs Jahren ist sehr erstaunlich, weil sich die Eisbedeckung in den fünfunddreißig Jahren davor kaum verändert hatte“, sagt Haas. “ Es ist unklar, ob dies der Anfang vom schnellen Ende von sommerlichem Meereis in der Antarktis ist, oder ob es sich nur um eine neue Phase mit geringerer aber weiterhin stabiler Meereisbedeckung im Sommer handelt.“

Als mögliche Ursache für die starke Schmelze in diesem Südsommer sehen die Meereisforscher überdurchschnittlich hohe Lufttemperaturen westlich und östlich der Antarktischen Halbinsel. Dort war es in diesem Südsommer im Schnitt 1,5 Grad wärmer als im langjährigen Monatsmittel. Dazu kommt eine natürliche Klimaschwankung, der sogenannte Southern Annular Mode (SAM).

In einer positiven Phase des SAM entwickelt sich über der Antarktis ein anomal niedriger Luftdruck. Dadurch zieht sich der abschirmende Westwindgürtel enger um die Antarktis zusammen. Dies wiederum führt dazu, dass mehr wärmeres Tiefenwasser aufsteigt und auf den antarktischen Schelf gespült wird. Dort kann es dann das Meereis und die Schelfeise von unten abtauen.

Quelle: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Meereisportal

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