Beim Schutz tropischer Regenwälder muss möglicherweise umgedacht werden. Denn bisher galten vor allem große, ungestörte Waldgebiete als besonders schutzwürdig. Doch jetzt haben deutsche Forscher herausgefunden, dass auch in kleinen, vom Menschen stark beeinflussten Waldinseln das Ökosystem noch erstaunlich intakt bleiben kann. Bisher galten solche vereinzelten Waldstücke als ohnehin ökologisch kaputt und daher nicht schutzwürdig. Genau das sei aber keineswegs immer der Fall, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „PloS ONE“ berichten.
„Was wir nicht erwartet haben ist, dass in fragmentierten Wäldern, in denen zudem einzelne Bäume abgeholzt werden, die Intensität von Ökosystemfunktionen wie Streuabbau, Bestäubung oder Samenausbreitung stabil bleibt und in einigen Fällen sogar gestiegen ist“, erklärt Leitautor Matthias Schleuning vom Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt am Main. Das bedeute, dass diese Wälder trotz moderater menschlicher Störung weiterhin ökologisch funktionierten.
Im Gegensatz zu bisherigen Studien hatten Schleuning und seine Kollegen nicht nur Artenvielfalt, sondern auch die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme in einem Regenwald im Westen Kenias über neun Jahre hinweg untersucht. Wie intakt ein Ökosystem ist, kann unter anderem daran gemessen werden, wie gut totes Pflanzenmaterial am Boden abgebaut wird, wie gut die Bestäubung von Pflanzen funktioniert oder wie aktiv Insekten an den Regenwaldpflanzen fressen.
Menschliche Eingriffe nicht generell schädlich
Die Auswertung zeigte, dass keineswegs alle menschlichen Eingriffe die Ökologie der Waldinseln schädigten: „Die Fragmentierung der Wälder verändert die biologische Vielfalt, was ein Risiko für den Erhalt ihrer ökologischen Funktionen birgt“, sagt Schleuning. Im Gegensatz dazu wirke sich die Abholzung einzelner Bäume sogar teilweise positiv aus. Denn dort wo die Bäume fehlen, entstehen beispielsweise kleine Lichtungen, in denen andere Pflanzen wachsen und die Insekten und Vögel anziehen. Das wiederum könne dazu führen, dass die umstehenden Pflanzen besser von Insekten bestäubt würden, sagen die Forscher. Auch die Verbreitung von Pflanzensamen durch Vögel könne sich dadurch sogar verbessern.
Ökologisch gesehen leisteten daher auch solche Waldinseln noch einen wichtigen Beitrag zum Funktionieren des Ökosystems Regenwald. „Unsere Studie zeigt, dass es auch sinnvoll sein kann, die vielen verinselten und vom Menschen überprägten Regenwälder zu schützen“, sagt Schleuning.
Regenwaldgebiet um die Hälfte geschrumpft
Ort der Untersuchung war der Kakamega-Regenwald im Westen Kenias. Er beherbergt eine hohe biologische Vielfalt, unter anderem gibt es hier mehr als 400 Vogel- und mehr als 320 Ameisenarten. Doch der Lebensraum ist bedroht, denn die Fläche des Waldgebiets ist im letzten Jahrhundert um mehr als die Hälfte der früheren Ausdehnung geschrumpft.
Aus dem einst geschlossenen Waldgebiet sind größere Waldinseln geworden, umgeben von einer Agrarlandschaft, in der vor allem Zuckerrohr und Mais angebaut wird. Der verbliebene Wald wird ebenfalls von der Bevölkerung genutzt und trotz Schutzmaßnahmen werden immer wieder einzelne Bäume gefällt.
Elf Versuchsflächen
In diese Waldinseln erfassten die Forscher auf elf Versuchsflächen die Vielfalt von verschiedenen Tiergruppen und studierten deren Ökosystemfunktionen in Experimenten. So wurde beispielsweise Laubstreu ausgelegt und gemessen, wie schnell das Material abgebaut wird. Um die Intensität der Raubzüge der Treiberameisen zu erfassen, wurden hunderte Fallen im Boden vergraben und ausgewertet. (PloS ONE, 2011; doi:10.1371/journal.pone.0027785)
(Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt am Main / PloS ONE / dapd, 25.11.2011 – NPO)