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Archäologie

Rätsel um eiszeitliche Knochenkreise

Vor 25.000 Jahren bauten Jäger ringförmige Wälle aus hunderten Mammutknochen

Knochenkreis
Archäologen beim Ausgraben des Knochenkreises von Kostenki – er ist 12,50 Meter groß und 25.000 Jahre alt. © Alex Pryor

Mysteriöse Bauten: Vor gut 25.000 Jahren errichteten Steinzeitjäger in Russland zahlreiche große Kreisbauten aus aufgehäuften Mammutknochen – die Ringe haben einen Durchmesser von gut zwölf Metern. Bis zu 70 dieser Knochenkreise haben Archäologen inzwischen in Westrussland und der Ukraine entdeckt. Doch wozu sie dienten, ist rätselhaft. Waren es Schutzbauten, Vorratslager oder dienten sie vielleicht rituellen Zwecken?

Die letzte Eiszeit erreichte ihren Höhepunkt vor rund 23.000 bis 18.000 Jahren. Während der Norden Europas in dieser Zeit unter dicken Gletschern lag, herrschte südlich der Eisgrenze ein arktisches Klima: Die Sommer waren kurz und kühl, die Winter lang und mehr als minus 20 Grad kalt. In dieser Zeit zogen sich unsere Vorfahren in geschützte Täler und Höhlen zurück – beispielsweise am Rand der Schwäbischen Alb – oder zogen nach Süden.

Kostenki 11
Der Ringwall aus Knochen besteht aus Dutzenden Mammutschädeln und hunderten Knochen © Alex Pryor

Ringwall aus Tierknochen

Es gab jedoch einige Jäger und Sammler, die trotz Kälte ausharrten: Im Westen Russlands und in der Ukraine haben Archäologen Dutzende rätselhafter Bauten aus der letzten Eiszeit entdeckt. Sie bestehen aus hoch aufgeschichteten Kreisen aus hunderten Tierknochen – zum großen Teil stammen sie von Mammuts.

Bislang hielten Forscher die meisten dieser Bauten für eine Art Schutzhütte – die aufgeschichteten Knochen könnten die Menschen in Ermangelung an Bäumen und Holz vor dem Wind und der Kälte geschützt haben. Möglicherweise waren die Ringe zusätzlich mit einem Dach aus Fellen überdacht.
„Die Archäologie zeigt uns hier mehr darüber, wie unsere Vorfahren in dieser bitterkalten und feindlichen Umgebung auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit überlebten“, erklärt Alexander Pryor von der University of Exeter.

Hunderte Mammutknochen aufgeschichtet

Doch jetzt haben er und seine Kollegen eine Knochenkreis entdeckt, der nicht in dieses Bild passt. Denn der rund 500 Kilometer südlich von Moskau gelegene Knochenkreis Ostenki 11 ist mit 12,50 Meter Durchmesser deutlich größer als die bisher bekannten Bauten – und er ist zu groß, um einst überdacht gewesen zu sein. Zudem muss dieser Knochenwall die eiszeitlichen Jäger erhebliche Zeit und Mühe gekostet haben. Denn er enthält mindestens 51 Mammut-Unterkieferknochen und 64 Mammutschädel, dazu kommen unzählige Langknochen dieser Tiere.

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Merkwürdig auch: Im Innenraum dieses Knochenwalls fanden die Forscher Reste von Steinwerkzeugen, Spuren von Holzfeuern und mehr als 50 angekohlte Pflanzensamen. Das belegt, dass es damals in dieser Gegend sehr wohl noch Bäume und Holz gegeben haben muss. Auch Pflanzen wuchsen trotz der Kälte offenbar noch. Demnach mussten die Jäger und Sammler damals ihre Bauten nicht unbedingt aus Knochen errichten – sie hätten auch Holz nehmen können.

Wozu diente der Knochenkreis?

Mit einem Alter von rund 25.000 Jahren ist Kostenki 11 zudem rund 3.000 Jahre älter als andere Knochenkreise in dieser Gegend. „Die meisten anderen Siedlungsplätze in ähnlichen Breiten waren zu dieser Zeit verlassen, aber diese Gruppen haben es offenbar geschafft, Nahrung, Schutz und Wasser zu finden“, so Pryor. „Aber was könnte die Jäger und Sammler damals ausgerechnet zu diesem Ort gebracht haben?“

Eine Möglichkeit wäre Trinkwasser: In diesem Gebiet entspringt eine natürliche Quelle, aus der selbst während der Eiszeit flüssiges Wasser gesprudelt sein könnte. Für Mammuts und andere Tiere, aber auch für die Menschen jener Zeit wäre dies eine kostbare Ressource gewesen, wie die Archäologen erklären. Eine kleine Menge Tierknochen im Inneren des knöchernen Ringwalls belegt, dass die Jäger damals dort Rentiere, Füchse, Wölfe und sogar Bären erlegten.

Rituelles Bauwerk?

Gleichzeitig schließen die Archäologen aus der Menge und dem Alter der Funde, dass sich die eiszeitlichen Jäger nicht sehr lange in diesen Knochenwall aufhielten. Doch warum machten sie sich erst diese enorme Arbeit, um diesen Knochenkreis aufzuschichten, um ihn dann doch wieder aufzugeben? Bisher haben auch Pryor und sein Team darauf keine eindeutige Antwort.

Eine Möglichkeit wäre, dass diese Knochenkreise rituellen Zwecken dienten und vielleicht nur zu bestimmten Feierlichkeiten gebaut und bewohnt wurden. Noch aber haben die Archäologen nicht genügend Daten, um das Rätsel dieser eiszeitlichen Knochenkreise zu lösen. (Antiquity, 2020; doi: 10.15184/aqy.2020.7)

Quelle: University of Exeter

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