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Geowissen

Rätsel-Eruption des Jahres 1258 aufgeklärt

Eruption des Samalas auf Lombok könnte die stärkste des gesamten Holozäns gewesen sein

Caldera des Samalas-Vulkans heute und Rekonstruktion des Aussehens vor der Eruption. © Lavigne et al. /National Academy of Sciences

Im Jahr 1257 hinterließ ein gewaltiger Vulkanausbruch weltweite Spuren. Welcher Vulkan aber dafür verantwortlich war, blieb ein Rätsel. Jetzt haben Forscher den Schuldigen gefunden: auf der indonesischen Insel Lombok. Ihre Untersuchung enthüllt nicht nur, dass der Vulkan Samalas damals tatsächlich ausbrach. Seine Eruption könnte sogar eine der heftigsten des gesamten Holozäns gewesen sein. Möglicherweise liegt noch heute unter seinen Aschenablagerungen eine ganze Stadt verborgen – ein Pompeji des Fernen Ostens.

Das Jahr 1258 war ein Jahr ohne Sommer: Es war ungewöhnlich nasskalt und in vielen Gegenden gab es Missernten, wie mittelalterliche Chronisten berichten. Geoforscher schließen daraus, dass es in diesem oder dem vorhergehenden Jahr einen Vulkanausbruch gegeben haben muss, dessen Asche und Aerosole sich wie ein Schleier in der Atmosphäre sammelten und so zur Klimaabkühlung führten. Tatsächlich entdeckte man in der entsprechenden Schicht von Eisbohrkernen Aschespuren, die auf eine gewaltige Eruption zu dieser Zeit hindeuten.

Aus den Spuren ging hervor, dass es sich sogar um einen der stärksten Vulkanausbrüche der letzten 7.000 Jahre gehandelt haben musste. Die Eruption setzte zehn Mal mehr Schwefel in die Atmosphäre frei als beim Ausbruch des Krakatau im Jahre 1883. Aber welcher Vulkan war schuld an dieser Eruption? Als mögliche Kandidaten wurden drei Vulkane gehandelt: der Okataina in Neuseeland, der El Chichón in Mexiko und der Quilotoa in Ecuador. Doch keiner der Ausbrüche dieser Feuerberge passte zu dem Ausmaß, der Zeit und den geochemischen Eigenschaften der Eruptionsspuren in den Eisbohrkernen.

Bericht auf Palmblättern

Wer aber war es dann? Ein internationales Forscherteam um Franck Lavigne von der Universität Paris hat nun einen neuen Verdächtigen für den mysteriösen Ausbruch ausfindig gemacht: den Feuerberg Samalas auf der indonesischen Insel Lombok. Eine 8,5 Kilometer breite und 800 Meter tiefe Caldera kündet heute noch von der explosiven Vergangenheit dieses Vulkans. Den ersten Hinweis erhielten die Forscher aus einem historischen Text, geschrieben in Alt-Javanisch auf Palmblättern. In diesem sogenannten Babad Lombok ist die Rede von einem katastrophalen Vulkanausbruch, der einen gewaltigen Krater aufriss.

„Die Quelle beschreibt auch eine Reihe von vulkanischen Phänomenen wie Aschenfall und pyroklastische Ströme, die das Land und die Dörfer um den Vulkan zerstörten“, berichten Lavigne und seine Kollegen. Auch die Hauptstadt des damaligen Königreichs, Pamatan, soll dabei verschüttet worden sein und tausende Menschen starben. Dem Text nach ereignet sich diese Eruption vor dem Ende des 13. Jahrhunderts – zeitlich würde dies daher gut zu einem Ausbruch 1257 passen.

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Ausdehnung des Aschen- und Tephrafalls bei der Eruption des Samalas im 13. Jahrhundert © Lavigne et al. / National Academy of Sciences

Mehr Lava und Asche als der Tambora

Aber stimmten auch die anderen Merkmale mit dem Rätsel-Ausbruch überein? Um das zu prüfen, analysierten die Forscher 130 Proben der Sedimente und Lavaablagerungen rund um die heute von einem See gefüllte Caldera des Vulkans und auch von den umgebenden Inseln. „Unsere Feldarbeit enthüllt ausgedehnte Ascheablagerungen auf Lombok, aber auch auf Bali, Sumbawa und Ostjava“, berichten die Forscher. Sie erreichten Dicken von 35 Metern noch in 25 Kilometern Entfernung von der Caldera – und das, obwohl die Erosion schon einen Großteil dieser Schichten abgetragen haben muss.

„Wir kalkulieren, dass der Mount Samalas ursprünglich 4.200 Meter über den Meeresspiegel hinausragte“, berichten die Forscher. Ein Großteil dieses Berges wurde bei der Eruption abgesprengt und fiel ein. Der Ausbruch muss ihren Berechnungen nach damals mindestens 40 Kubikkilometer an Magma und Gesteinsbrocken ausgeworfen haben. Das ist deutlich mehr als beim Ausbruch des Tambora auf der Nachbarinsel Sumbawa im Jahr 1815, die bisher als die stärkste historische belegte Eruption galt. Auch sie zog ein Jahr ohne Sommer nach sich, das weite Teile der Nordhalbkugel traf.

Übereinstimmung mit Eisbohrkernen

Die bei der Eruption des Samalas ausgeschleuderte Asche wurde damals bis in Höhen von 43 Kilometer geschleudert, wie die Forscher mit Hilfe eines Modells errechneten. Der Aschenfall erstreckte sich über 49.000 Quadratkilometer. Geochemische Analysen zeigten, dass die Asche des Samalas geochemisch weitgehend mit den Aschenspuren der Eisbohrkernen übereinstimmt. Diese Ergebnisse sprechen daher dafür, dass die anhand der Analysen auf Mitte des 13. Jahrhunderts datierte Eruption schuld am Jahr ohne Sommer 1258 gewesen sein könnte.

„Mit einer Magnitude von 7.0 und einer Intensität von 12 ist die Samalas-Eruption eindeutig eine der stärksten des gesamten Holozäns“, konstatieren die Forscher. Die Identifizierung des Samalas als Auslöser des Jahrs ohne Sommer rücke nun nach Toba, Tambora und Krakatau einen weiteren indonesischen Vulkan in die Riege derjenigen, die durch ihre Ausbrüche abrupte Veränderungen von Umwelt und Gesellschaften verursachten. Selbst im weit entfernten London sorgte der vulkanische Winter für massenhafte Todesfälle.

Pompeji des Fernen Ostens

Noch schlimmer waren die Folgen im unmittelbaren Umfeld: „Weite Teile von Lombok, Bali und Sumbawa waren vermutlich über Generationen hinweg steril und unbewohnbar“, erklären Lavigne und seine Kollegen. Dies könnte auch erklären, warum der Javanische König Kertanegara Bali im Jahr 1284 ohne viel Gegenwehr durch die lokale Bevölkerung erobern könnte.

Und auf Lombok selbst könnte sogar noch ein „Pompeji des Fernen Ostens“ auf seine Entdeckung warten, spekulieren die Forscher. Denn den historischen Berichten des Babad Lombok nach wurde die Hauptstadt des damaligen Königreichs komplett von Asche verschüttet. „Ihre Entdeckung könnte daher wichtige Einblicke nicht nur in die Geschichte Indonesiens bieten, sondern auch verraten, wie diese Gesellschaften mit den Gefahren des Vulkanismus umgingen“, sagen Lavigne und seine Kollegen. (proceedings of the National Academy of Sciences, 2013; doi: 10.1073/pnas.1307520110)

(PNAS, 01.10.2013 – NPO)

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