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Archäologie

Pompeji droht ein zweiter Untergang

Ein Großprojekt soll das Weltkulturerbe vor dem Verfall retten

Der heute immer noch aktive Vulkan Vesuv thront über den Ruinen von Pompeji © Fraunhofer IBP

Die einzigartigen Ruinen von Pompeji sind in Gefahr: Wind und Wetter setzen den Gebäuden immer stärker zu, der antiken Stadt droht ein zweiter Untergang. Ein Konsortium aus Forschern verschiedener Fachdisziplinen will das verhindern. In einer gemeinsamen Anstrengung wollen Archäologen, Historiker, Ingenieure und Naturwissenschaftler versuchen, die Ruinen vor dem Verfall zu retten. Ihre Erfahrungen könnten helfen, auch andere Weltkulturerbe-Stätten zu bewahren.

Am Vormittag des 24. August des Jahres 79 erschütterten Erdstöße die Stadt Pompeji, Gebäude stürzten ein, dann explodierte der Gipfel des Vesuv und eine riesige schwarze Wolke schoss aus seinem Trichter. Ascheregen prasselte auf die Stadt und Lava strömte talwärts. Während die direkt unter dem Vesuv gelegene Stadt Herculaneum sogleich unter Schlamm, Lava und Wasserfluten begraben wurde, starben in Pompeji die meisten Menschen an den tödlichen Phosphordämpfen oder wurden von Gesteinsbrocken erschlagen. Am Ende des Tages war Pompeji komplett von einer sechs bis sieben Meter dicken Schicht Asche und Bimsstein bedeckt.

Erosion und Verfall

Unter dieser Decke blieben die Ruinen der antiken Stadt jahrhundertelang vor den Einflüssen der Witterung und der über sie hinwegziehenden Geschichte geschützt. Erst um 1600 entdeckte man die verschüttete Stadt durch Zufall wieder und begann sie allmählich auszugraben. Heute gehört Pompeji zum Weltkulturerbe der UNESCO – als größte bekannte zusammenhängende Stadtruine der Welt. Mehr als zweieinhalb Millionen Touristen besuchen die Ruinen pro Jahr.

Die Überreste Pompejis sind den widrigen Umwelt- und Witterungseinflüssen meist ungeschützt ausgesetzt. © Fraunhofer IBP

Aber die Ruinen sind in Gefahr. Die Wiederentdeckung Pompejis ist zugleich ihr zweiter Untergang, denn an den Überresten nagt der Zahn der Zeit. Fresken und Mosaike sind den widrigen Umwelt- und Witterungseinflüssen ausgesetzt und teilweise stürzen mühsam freigelegte Gebäude bereits ein. „Das tut uns in der Seele weh. Zwar wird in Pompeji beständig restauriert, doch fordert allein die schiere Größe der Stadt immer wieder neue Anstrengungen, wenn man dauerhaft und nachhaltig im gesamten Gebiet erfolgreich konservatorisch arbeiten will“, erklärt Ralf Kilian vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP.

Unterirdische Wandelhalle als erstes Objekt

Mit dem „Pompeii Sustainable Preservation Project“ streben Kilian und seine internationalen Forscherkollegen gemeinsam mit den zuständigen Behörden vor Ort eine nachhaltige Lösung für das Weltkulturerbe an. Nicht nur – wie bisher üblich – Archäologen und Restauratoren sollen hier den Ton angeben, sondern auch Naturwissenschaftler und Techniker. Statt sich auf Teilbereiche, wie einzelne Wandgemälde oder Häuser mit aufwendig gestalteten Räumen zu konzentrieren, verfolgen die Partner des Projekts einen ganzheitlichen Ansatz.

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Beginnen wollen die Forscher dabei bei einem Häuserblock der Stadt, einer sogenannten Insula. „Die Aufnahme und Restaurierung der Insula ist die Wirbelsäule des Projekts“, erklärt Ralf Kilian vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP. Als erstes Objekt ausgewählt wurde die Insula des Kryptoportikus sein, eine unterirdische Wandelhalle, die mit einer Fläche von knapp 600 Quadratmetern fast schon selbst eine kleine Stadt in der Stadt ist. Mit ihren sechs unterschiedlich aufwendig ausgestatteten Wohnhäusern, fünf Werkstätten und Läden sowie der größten in Pompeji überlieferten Gerberei vereint sie jene bau- und sozialhistorischen Besonderheiten in sich, die den einmaligen Wert der Ruinenstadt ausmachen.

Notmaßnahme: Schutzdächer sowie weitere Schutzbauten sollen die Ruinen schützen. © Fraunhofer IBP

Von der Bausubstanz über die Bewohner bis zum Pflanzenbewuchs

„Zunächst wird es darum gehen, den heutigen Baubestand zu dokumentieren“, erklärt der Archäologe Albrecht Matthaei von der TU München. Architekten werden die noch stehenden Mauern dokumentieren und die Baugeschichte des Hauses erforschen. Denn schon in der Antike wurden Wohnhäuser oft umgebaut; die Spuren, die diese Baumaßnahmen hinterlassen haben, erlauben Einblicke in die Lebensweise der Hausbesitzer. Sozialhistoriker werden die in den Gebäuden gefundenen Objekte und Inschriften untersuchen, um zu zeigen wie der Wohnraum auf Arme und Reiche, Männer und Frauen, freie Bürger, Handwerker und Sklaven verteilt war. Parallel dazu werden Konservierungsmethoden entwickelt und erprobt. „Auf dieser Grundlage lassen sich erste Notsicherungen durchführen, bevor wir in weiteren Schritten Stück für Stück die gesamte Insula nach dem neuesten Stand der Technik restaurieren.“

Aber nicht nur technische und archäologische Fragestellungen spielen eine Rolle. So werden auch Biologen in Pompeji arbeiten und erforschen, wie man das Areal am besten begrünt, um beispielsweise unerwünschten Bewuchs durch Kletterpflanzen zu verringern. Die für die Bausubstanz schädlichen Herbizide, wie sie bisher in Pompeji eingesetzt werden, wären dann kaum noch nötig. Die umfassenden Arbeiten sollen nicht nur der Erhaltung der Weltkulturerbe-Stätte Pompeji dienen, sondern ebenso neue Technologien liefern, die dann auch international bei anderen antiken Stätten angewandt werden können.

(Fraunhofer-Gesellschaft, 11.12.2013 – NPO)

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