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Geowissen

Pazifik-Koralle enthüllt Ozeanveränderungen um 1900

Salzgehalt verringerte sich vor 100 Jahren deutlich

Beprobung der Pazifik-Koralle © H. Adachi, Geoact Co., Ltd

Das Klima auf unserem blauen Planeten wird entscheidend von Meeresströmungen mitbestimmt. Eine gewichtige Rolle spielen dabei deren Temperaturen und Salzgehalte. Ein deutsch-japanisches Forscherteam hat jetzt in der Fachzeitschrift „Geology“ enthüllt, wie sich der Salzgehalt im nördlichen Pazifik vor 100 Jahren drastisch verringerte. Gleichzeitig wurden die Winde, die den westpazifischen Kuroshiostrom antreiben, schwächer.

Kurz darauf kam es nach Angaben der Wissenschaftler auch zu Veränderungen im Nordatlantik: Dort wurde deutlich weniger arktisches Meereis gen Süden transportiert. Diskutiert wird nun, ob und wie die Klimaprozesse im Pazifik und Atlantik zusammenhängen.

Korallenkolonie begann 1873 zu wachsen

Für ihre Untersuchungen griffen Thomas Felis vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen und seine internationalen Kollegen auf einen im Pazifik erbohrten Korallenkern zurück. Bei dem Kern, der 2002 in knapp sechs Meter Wassertiefe auf den zu Japan gehörenden Ogasawara-Inseln gewonnen wurde, handelt es sich um den nördlichsten, jemals im Pazifik erbohrten Korallenkern. Die rund 30 Vulkaneilande umfassende Inselgruppe liegt etwa 1.000 Kilometer südöstlich von Japan in den Weiten des Pazifiks.

Zunächst röntgte der MARUM-Mitarbeiter den 1,74 Meter langen Kern aus Korallenkalk, um sein Alter zu bestimmen. Wie Bäume so bilden auch Korallen jährliche Wachstumsringe, so genannte Dichtebänder, aus. Vom Jahr 2002 zurückzählend kam Felis zu dem Ergebnis, dass die Korallenkolonie 1873 zu wachsen begann.

Dichtebänder der Pazifik-Koralle für denZeitraum 1900 bis 1928 © T. Felis / Universität Bremen

Winde wurden schwächer

Die Wissenschaftler entnahmen anschließend jedem jährlichen Dichteband sechs Proben und bestimmten deren Gehalte an Strontium, Uran und Kalzium sowie die Zusammensetzung der Sauerstoff-Isotope. Die im Lauf der Jahre wechselnden Verhältnisse dieser Elemente beziehungsweise der Sauerstoff-Isotope zueinander konnten sie dann in Temperatur- und Salzgehaltsänderungen umrechnen.

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„Die größte Überraschung boten die Jahre 1905 bis 1910“, sagt Felis: „In dieser kurzen Zeitspanne ging der Salzgehalt im Oberflächenwasser des westlichen subtropischen Nordpazifiks drastisch zurück.“ Der MARUM-Wissenschaftler deutet den abrupten Wechsel zum niedrigeren Salzgehalt als Anzeichen für weiträumige Klimaveränderungen. „Die atmosphärische Zirkulation über dem westlichen Nordpazifik änderte sich. Das führte dazu, dass die Winde, die den Kuroshiostrom antreiben, schwächer wurden“, erklärt der Bremer Geowissenschaftler.

Warme und salzhaltige Wassermassen

Wie der Golfstrom im Nordatlantik, so führt auch der Kuroshiostrom im Nordpazifik warme und recht salzhaltige Wassermassen aus den Tropen entlang der japanischen Küsten gen Norden in gemäßigtere Breiten. Der Gedanke liegt also nahe, dass die plötzliche Änderung im Salzgehalt durch eine Abschwächung des Kuroshiostroms mitverursacht wurde.

Interessanterweise regnete es ab 1905 im Westen der Vereinigten Staaten, dessen Klima unmittelbar vom Pazifik beeinflusst wird, über Jahre deutlich mehr als im langjährigen Mittel. Sogar im Nordatlantik kam es nach 1905 zu Veränderungen: Durch die Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen wurde erheblich weniger arktisches Meereis gen Süden transportiert als vorher.

„Dies könnte darauf hinweisen, dass die pazifische Klimaänderung sich weit über den Pazifik hinaus auswirkte“, bilanziert Felis. „Unsere Befunde zeigen, dass wir gut beraten sind, solche Informationen aus der Klimageschichte zu berücksichtigen; etwa dann, wenn wir Rechenmodelle nutzen, um Klimaszenarien für die Zukunft zu entwerfen“, sagt der Bremer Geowissenschaftler, der im Übrigen von der reibungslosen Zusammenarbeit zwischen japanischen und deutschen Wissenschaftlern sehr angetan ist.

Viele neue Fragen

Wie immer, so wirft auch diese Untersuchung für Felis und das internationale Team neue Fragen auf: „Anfang des letzten Jahrhunderts stieg die globale Durchschnittstemperatur deutlich an. Für mich stellt sich daher die Frage: Wie weit spielen menschliche Einflüsse, sprich der Treibhauseffekt, bei dem in unserem Korallenkern dokumentierten plötzlichen Klimawandel eine mit entscheidende Rolle?“

(idw – MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen, 15.06.2009 – DLO)

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