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Klima

„Fieber“-Rekord für unsere Ozeane

Weltmeere waren 2019 wärmer als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte

Ozean
Die Ozeane der Erde sind wichtige Klimapuffer – doch inzwischen macht sich die globale Erwärmung auch bei ihnen bemerkbar. © mihtiander/ iStock.com

Marine Überhitzung: Die Ozeane der Erde haben im Jahr 2019 einen neuen Wärmerekord erreicht – ihre Temperatur liegt höher als jemals zuvor gemessen. Zudem nimmt die Rate der marinen Erwärmung immer weiter zu, wie eine neue Studie belegt. Demnach haben die Ozeane in den letzten 25 Jahren schon das Energieäquivalent von 3,6 Milliarden Hiroshima-Bomben als Wärme aufgenommen, wie die Forscher berichten. Quelle dieser Wärmeenergie sei eindeutig der Klimawandel.

Die Weltmeere sind einer der wichtigsten Puffer im Klimasystem. Sie absorbieren mehr als 90 Prozent der zusätzlichen Wärme, die durch den anthropogenen Treibhauseffekt entsteht. Damit tragen die Ozeane entscheidend dazu bei, das Tempo der globalen Erwärmung zu drosseln. Doch dies hat seinen Preis: Schon jetzt führen marine Hitzewellen in vielen Meeresgebieten zu massenhaften Korallensterben, fördern sauerstoffarme „Todeszonen“ und die Massenvermehrung von Algen und Bakterien.

Meerestemperaturen
Veränderungen der Meerestemperaturen von 1960 bis 2019. © Jiang Zhu

Marine Wärmerekorde in Serie

Jetzt belegt eine neue Studie, dass auch die Meerestemperaturen neue Rekordwerte erreicht haben. Im Jahr 2019 waren die Ozeane demnach wärmer als jemals zuvor gemessen, wie Lijing Cheng vom Institut für Atmosphärenphysik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und seine Kollegen berichten. Für seine Studie hatte das internationale Team zwei voneinander unabhängig erstellte Datenreihen ausgewertet, über die es die Entwicklung der Meerestemperaturen seit 1955 bis in 2.000 Meter Tiefe rekonstruieren konnte.

Diesen Daten zufolge haben die Ozeane in den letzten zehn Jahren durchgehend Wärmerekorde erreicht. Gegenüber dem 30-Jahresmittel von 1981 bis 2010 legten die Temperaturen der Weltmeere im Jahr 2019 noch einmal 0,075 Grad zu – auch das ein neuer Rekord. „Die gemessene Ozeanerwärmung ist unwiderlegbar und sie ist ein weiterer Beweis für die globale Erwärmung“, sagt Cheng. „Es gibt keine alternative Erklärung für diese Meereserwärmung außer den menschlichen Emissionen von Treibhausgasen.“

Energie von 3,6 Milliarden Hiroshima-Bomben

Konkret rechneten die Forscher aus, dass die Weltmeere allein in den letzten 25 Jahren 228 Trilliarden Joule an Wärmeenergie aufgenommen haben. „Die Atombombe von Hiroshima explodierte mit einer Energie von rund 63 Billionen Joule“, erklärt Cheng. „Die Wärmemenge, die wir in den letzten 25 Jahren in die Ozeane gepumpt haben, entspricht der Explosion von 3,6 Milliarden Hiroshima-Bomben.“

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Diese Erwärmung betrifft alle Ozeane, wenn auch nicht in gleichem Maße: „Der Atlantik und der Südozean zeigen weiterhin eine stärkere Erwärmung als die meisten anderen Meeresbecken“, so Cheng und sein Team. „Beobachtungen zeigen, dass allein der Südozean für 35 bis 43 Prozent der globalen Wärmeaufnahme im Zeitraum 1970 bis 2017 verantwortlich war.“

Die Analysen bestätigen zudem, dass sich das Tempo der marinen Wärmeaufnahme immer weiter beschleunigt. So ist die Rate der Erwärmung in den letzten 30 Jahren um 450 Prozent höher als noch im Zeitraum von 1955 bis 1986. „Es ist entscheidend zu wissen, wie schnell sich die Dinge ändern“, erklärt Koautor John Abraham von der University of St. Thomas in Minnesota. „Und der Schlüssel dafür liegt in den Ozeanen – denn dort landet der größte Teil der globalen Erwärmung.“

Marine Hitzewallungen mit schwerwiegenden Folgen

So günstig diese Pufferwirkung für das Weltklima ist, so negativ ist sie für die Meeresumwelt. „Der Preis, den wir zahlen, ist der Rückgang des in den Ozeanen gelösten Sauerstoffs, die Beeinträchtigung mariner Lebensformen, schwindende Fischerträge, stärker werdende Stürme und negative Folgen für von den Meeren abhängige Wirtschaftszweige“, sagt Cheng. Auch Massensterben durch marine Hitzewellen werden zunehmend häufiger.

Eine solche marine Hitzewelle, der sogenannte „Blob“, sorgte von 2013 bis 2015 im östlichen Nordpazifik für ungewöhnlich hohe Meerestemperaturen. „Der Blob verursachte einen schwerwiegenden Verlust mariner Organismen, vom Phytoplankton und Zooplankton über Fische – darunter 100 Millionen Kabeljaue – bis hin zu Meeressäugern wie Walen“, berichtet Koautor Kevin Trenberth vom US-National Center for Atmospheric Research. „Solche marinen Manifestationen der globalen Erwärmung haben weitreichende Konsequenzen.“

Es ist noch nicht zu spät

Nach Ansicht der Forscher ist es aber nicht zu spät, etwas gegen diese Entwicklung zu tun. Zwar reagieren die Ozeane sehr träge und mit längerer Verzögerung auf Auslöser von außen. Dennoch kann eine schnelle Reduktion der Treibhausgas-Emissionen verhindern, dass die Weltmeere noch mehr Wärme aufnehmen. Das könnte dann zumindest eine Verschlimmerung der Klimafolgen eindämmen und den nachfolgenden Generationen zugutekommen. (Advances in Atmospheric Sciences, 2020; doi: 10.1007/s00376-020-9283-7)

Quelle: Institute of Atmospheric Physics, Chinese Academy of Sciences

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