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Klima

Ozeane: Hitzewellen sind das neue „Normal“

Die Hälfte der Meere überschreitet heute regelmäßig einstige Extremtemperaturen

Ozeanhitze
Mehr als die Hälfte der globalen Ozeanfläche überschreitet heute nahezu dauerhaft Temperaturen, die dort noch vor 100 Jahren als seltene Hitzeextreme galten. Die Farbskala zeigt die Häufigkeit, grün sind die extremsten Gebiete markiert. © Tanaka und Van Houtan, PLOS Climate, CC-by-sa 4.0

Marine Hitze: Für mehr als die Hälfte unserer Ozeane sind Hitzewellen zum Normalzustand geworden. Die Temperatur dieser Meeresgebiete liegt inzwischen dauerhaft in Bereichen, die dort noch vor 100 Jahren als seltene Hitzeextreme galten, wie Forscher ermittelt haben. Besonders ausgeprägt ist diese marine Hitze im Indischen Ozean, im Südatlantik und im Nordpolarmeer. Für viele marine Ökosysteme bedeutet dies eine akute Bedrohung.

Dass die Ozeane im Zuge des Klimawandels immer wärmer werden ist nicht verwunderlich. Denn als wichtige Klimapuffer nehmen sie einen Großteil der vom anthropogenen Klimawandel verursachten Wärme auf. Seit einigen Jahren erreichen die globalen Meerestemperaturen dadurch immer wieder Rekordwerte. Aber auch marine Hitzewellen nehmen zu und verursachen schwere Korallenbleichen und andere Massensterben.

Marine Hitzeextreme im Blick

Wie häufig gerade die extremen Hitzephasen in den Meeren geworden sind, haben nun Kisei Tanaka vom Monterey Bay Aquarium in Kalifornien und Kyle Van Houtan von der Duke University näher untersucht. Dafür werteten sie zunächst historische Messdaten aus, um die zwischen 1870 und 1919 extremsten Temperaturwerte für Meeresgebiete weltweit zu ermitteln. Als Extremwerte galten dabei jeweils die oberen zwei Prozent der Messwerte.

Im zweiten Schritt nutzten die Forscher die Messdaten von 1920 bis 2019, um den langfristigen Trend für diese Extremwerte zu untersuchen. Sie ermittelten für jedes der sieben Weltmeere und für jede Unterregion bis in die nationalen Hoheitsgewässer hinein, wie wann und wie oft diese Hitzegrenzwerte überschritten wurden. „Wir haben zudem ermittelt, ab welchem Jahr mindestens die Hälfte eines Meeres dauerhaft über diesen Grenzwerten geblieben ist“, erklärt das Team.

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Anteil der betroffenen Meeresfläche nach Ozeanbecken der Nordhalbkugel (oben) und er Südhalbkugel. In Klammern steht das Jahr, seit dem die einstigen Extremwerte dauerhaft überschritten werden.© Tanaka und Van Houtan, PLOS Climate, CC-by-sa 4.0

Einstige Extreme sind heute der Normalzustand

Das Ergebnis: Die Temperaturen, die einst als seltene Extreme galten, sind heute in weiten Teilen der Ozeane das neue Normal – sie sind zur Regel geworden. „57 Prozent der globalen Meeresoberfläche haben heute dauerhaft Temperaturen, die vor mehr als hundert Jahren noch als seltene, nur alle 50 Jahre einmal vorkommende Hitze-Ereignisse galten“, berichtet Van Houtan. In vielen wirtschaftlich und ökologisch wichtigen Meeresgebieten haben die Temperaturen ihre historischen Grenzen verlassen.

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Das erste Jahr, an dem alle Ozeane diese Schwelle überschritten haben, war 2014, wie die Forscher ermittelten. In einigen Meeresgebieten sind die einstigen Extremtemperaturen aber schon erheblich früher zur Regel geworden – im Südatlantik seit 1998 und im Indischen Ozean seit 2007. Sie sind bis heute am stärksten von der Erwärmung betroffen. Aber auch kühlere Meeresgebiete wie die Barentssee und das Meeresgebiet vor Norwegen haben heute Temperaturen, die sie einst nur bei extremen Hitzewellen erreichten.

„Über die Toleranzgrenzen hinaus“

Nach Ansicht der Forscher demonstrieren diese Ergebnisse einmal mehr, wie stark sich der Klimawandel vor allem auf die Ozeane auswirkt. „Diese drastischen Veränderungen sind ein weiterer Weckruf“, sagt Van Houtan. „Dieser Wandel findet jetzt statt und er beschleunigt sich immer mehr.“ Problematisch seien die zunehmenden „Hitzewallungen“ der Meere vor allem für die marinen Ökosysteme.

„Dieser Zustand und weitere Zunahmen der Hitzeextreme könnten viele Ökosysteme über ihre Toleranzgrenzen hinaus bringen“, warnt der Wissenschaftler. Bereits 2021 zeigte eine Studie, dass bis zu 95 Prozent der heutigen marinen Klima-Nischen bis zum Jahr 2100 verschwinden könnten.

Korallen verlieren ihre Refugien

Was dies konkret für Meeresbewohner bedeutet, zeigt eine weitere aktuelle Studie. In ihr hat ein Team um Adele Dixon von der University of Leeds untersucht, wie sich die Erwärmung der Ozeane auf die thermischen Refugien von Korallen auswirkt – Gebiete, in denen kühlere Strömungen und andere ausgleichende Faktoren die Meereserwärmung abpuffern. Zurzeit liegen noch 84 Prozent der weltweiten Korallenriffe in solchen Refugien.

Doch das wird sich bald ändern: Selbst bei einer globalen Erwärmung um 1,5 Grad gegenüber präindustriellen Verhältnissen werden nur noch 0,2 Prozent der Korallenriffe weltweit genügend Erholungszeit zwischen den Hitzephasen haben, wie das Team ermittelte. 90,6 Prozent der Riffe werden einem für sie nicht tolerierbaren Hitzestress ausgesetzt sein. Bei zwei Grad Erwärmung würden auch die letzten thermischen Refugien verschwinden.

Auch der Mensch ist betroffen

Betroffen von diesen Veränderungen wäre aber auch der Mensch: „Wenn sich die Struktur solcher Meeresökosysteme verändert, leiden auch wichtige ökologische Dienstleistungen“, erklärt Van Houtan. Dazu gehören der Schutz der Küstengebiete vor Flut und Wellen, die Produktion von Fischen und Meeresfrüchten für die Ernährung und die Wirkung als Kohlenstoffsenke und Klimapuffer. (PLOS Climate, 2022; doi: 10.1371/journal.pclm.0000007; doi: 10.1371/journal.pclm.0000004)

Quelle: Monterey Bay Aquarium

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