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Ostsee: Frischwasser-Einstrom hilft nur wenig

Wassereinbrüche aus der Nordsee mindern Überdüngung und Sauerstoffmangel weniger als gedacht

Ostsee
Selbst starke Frischwasser-Einbrüche aus der Nordsee helfen nur kurzfristig gegen die sauerstoffarmen "Todeszonen" der Ostsee. © NASA/JSC

Keine Atempause: Alle paar Jahre wird vermehrt frisches Salzwasser aus der Nordsee in die Ostsee gespült. Doch anders als gedacht hilft diese Frischwasser-Kur nur wenig und kurzzeitig gegen den Sauerstoffschwund am Ostseegrund. Auch die Überdüngung der Ostsee wird durch die bei diesem Wasserschüben ausgelöste Ausfällung von Phosphor kaum verringert, wie nun Langzeitmessungen belegen. Das bedeutet: Die „Todeszonen“ in der Ostsee werden allein dadurch nicht zurückgehen.

Die Ostsee hat es schwer: Weil sie flach und an fast allen Seiten von Land umschlossen ist, reagiert sie besonders anfällig auf übermäßige Nährstoffeinträge und den Klimawandel. Als Folge nehmen Algenblüten, sommerliche Temperaturrekorde und die Sauerstoffzehrung am Meeresgrund zu. Schon jetzt ist die sauerstoffarme Todeszone am Grund der Ostsee eine der größten weltweit.

Verstärkt wird dies durch einen Teufelskreis: Die Zersetzung der massenhaft absinkenden Algen zehrt Sauerstoff und setzt gleichzeitig Phosphor frei. Dieser Pflanzennährstoff steigt auf und heizt das Algenwachstum an der Oberfläche noch weiter an.

Was bringt das Frischwasser aus der Nordsee?

Diesem Trend entgegenwirken kann jedoch der alle paar Jahre verstärkt eintretende Einstrom von frischem Salzwasser aus der Nordsee – so jedenfalls dachte man bisher. Denn dabei strömt salziges, sauerstoffreiches Frischwasser in das Ostseebecken und sinkt dort aufgrund seiner höheren Dichte bis zum Grund ab. Dadurch wird Sauerstoff in die Tiefe transportiert und hemmt so die Ausbreitung der sauerstoffarmen Todeszonen.

Doch was bringen diese Frischwasserschübe wirklich? Das haben Olaf Dellwig und seine Kollegen vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde in einer Langzeitstudie untersucht. Ausgangspunkt war ein besonders ausgeprägter Salzwassereinbruch im Dezember 2014 – der drittgrößte Einstrom aus der Nordsee seit 1880. Für ihre Studie ermittelten die Forschenden mittels Wasser- und Sedimentproben, wie sich dies in den folgenden fünf Jahren auf die Bedingungen im Gotlandbecken auswirkte.

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Kein nachhaltiger Effekt auf Sauerstoff und Nährstoffe

Das enttäuschende Ergebnis: Trotz des „Jahrhundert-Einstroms“ hielt die Wirkung der Frischwasser-Kur nicht lange an. Schon 1,5 Jahre nach dem Ereignis waren die Sauerstoffreserven im Gotlandbecken wieder verbraucht. In den tiefen Zonen der zentralen Ostsee herrschten ab dann wieder ähnlich sauerstoffarme Bedingungen wie vor dem Einstrom, wie das Forschungsteam berichtet.

Ähnliches galt für die Nährstoff-Situation: Normalerweise sorgt der Sauerstoffeinstrom für eine Reihe von Oxidationsprozessen, in deren Verlauf Phosphat-Verbindungen ausgefällt und im Sediment gebunden werden. Dadurch wird der Nährstoff dem Wasser entzogen und kann keine neuen Algenblüten befeuern. Doch auch in diesem Punkt brachte der Frischwassereinbruch weniger als erhofft: Der Phosphatgehalt im Tiefenwasser sank nach dem Salzwassereinbruch nur um maximal 30 Prozent ab und nach eineinhalb Jahren ging der Großteil des ausgefällten Nährstoffs wieder in Lösung.

Keine Besserung zu erwarten

Für die Ostsee sind dies alles andere als erfreuliche Ergebnisse. Denn sie belegen, dass selbst sehr große Mengen an sauerstoffhaltigem Wasser nur geringe und vorübergehende Verbesserungen für die Nährstoffsituation in der zentralen Ostsee bringen. Daher ist von solchen sporadischen Salzwassereinbrüchen auch in Zukunft keine nachhaltige Verkleinerung der „Todeszonen“ und der Überdüngung zu erwarten, so das Fazit von Dellwig und seinem Team.

Eher Bedeutung für die Grundlagenforschung hat dagegen ein weiteres Resultat ihrer Langzeitstudie: Bei dem Salzwassereinbruch entstanden andere Ablagerungen als bislang gedacht. Statt Mangan-Karbonat, das bisher als Zeuge für vergangene Salzwassereinbrüche genutzt wurde, bildeten sich vorwiegend Ablagerungen von Kobaltverbindungen, gleichzeitig kam es zu einer Verarmung an Molybdän und Uran.

Nähere Analysen alter Sedimentschichten bestätigten, dass diese Vorgänge auch bei früheren Einbrüchen von Nordseewasser vorkamen: „Wir haben in datierten Sedimenten der letzten 70 Jahre gezielt nach diesem Muster aus Kobalt-Anreicherung bei gleichzeitiger Verarmung an Molybdän und Uran gesucht und fanden bestätigt, dass es seit den 1980er Jahren immer parallel zu den Salzwassereinbrüchen auftauchte“, erläutert Dellwig. Das legt nahe, dass diese Kombination an Spurenmetallen ein besserer Indikator für vergangene Salzwassereinbrüche ist als die eher unsicheren Mangan-Karbonat-Lagen. (Continental Shelf Research, 2021; doi: 10.1016/j.csr.2021.104449)

Quelle: Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde

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