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Ökologie

Ohne Meer geht’s nicht

Studie beziffert ökologischen und ökonomischen Wert der Ozeane

Wertvolle Ressource Meer © IMSI MAsterClips

Nahrung, Katastrophenschutz, Klimaschutz, Medizin und neue Technologien – die Meere liefern der Menschheit eine enorme Vielfalt an natürlichen Dienstleistungen. Eine gestern am Rande des UN-Umweltgipfels in Bonn vorgestellte WWF-Studie hat den Wert der Meere und die Kosten menschlicher Ausbeutung, Verschmutzung und Zerstörung des Lebensraumes Ozean genauer untersucht.

„Wir haben mehr als eine moralische Pflicht, die biologische Vielfalt der Meere zu bewahren. Die Menschheit ist auf intakte Ozeane angewiesen. Sie sind ein Eckpfeiler der wirtschaftlichen Entwicklung und der Armutsbekämpfung. Ihr Schutz ist um ein vielfaches billiger als die Folgekosten ihrer Zerstörung“, so Christian Neumann vom Internationalen WWF-Zentrum für Meeresschutz in Hamburg. Die UN-Umweltkonferenz hatte sich bereits 2004 vorgenommen, bis 2012 ein weltweites Netz an Meeresschutzgebieten zu schaffen. Bislang stehen jedoch lediglich 0,5 Prozent der Ozeane unter Schutz. „Wenn die Staaten nicht endlich handeln, verlieren wir den Reichtum der Ozeane“, warnt Neumann.

Ökonomischer Wert bei 21 Billionen US-Dollar

Nach groben Expertenschätzungen liegt der ökonomische Wert der Meere bei etwa 21 Billionen US-Dollar im Jahr. Allein der Wert des weltweiten Fischfangs belief sich 2004 auf knapp 85 Milliarden US-Dollar. In diesem Industriezweig arbeiten 40 Millionen Menschen. „Geht die Überfischung ungebremst weiter, brechen bis Mitte des Jahrhunderts nicht nur die Fischereien zusammen, sondern es gehen auch Millionen Arbeitsplätze verloren“, warnt der WWF-Experte. In Regionen wie Westafrika verschärft die Überfischung schon heute die Armut und trägt zur Migration nach Europa bei.

Der Reichtum der Meere zeigt sich auch in der Medizin. Viele der derzeit erforschten neuen pharmazeutischen Wirkstoffe sind marinen Ursprungs. Insbesondere in Schwämmen und anderen wirbellosen Tieren lassen sich Substanzen gegen Krebs und Alzheimer, aber auch neue Antibiotika finden. Regionen mit einer besonders hohen Artenvielfalt wie Korallenriffe haben allein aus medizinischer Sicht einen Wert von 6.000 US-Dollar pro Hektar.

Meeresorganismen als Vorbild für moderne Technik

In der Bionik, der Verknüpfung von Biologie und Technik, finden immer häufiger Prinzipien Anwendung, die sich der Mensch vom Meereslebewesen abgeschaut hat. So toleriert der menschliche Körper den Klebstoff, mit dem sich Muscheln in der Brandung festhalten. Dieser kann zum Wundverschluss und zur Heilung von Knochenbrüchen verwendet werden. Die Baupläne von Kieselalgen werden zur Vorlage für Autofelgen, Entwickler übertragen die Struktur von Haihaut auf Hochleistungs-Schwimmanzüge.

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„Niemand weiß, welche ungeahnten Möglichkeiten für die Medizin und die Bionik noch in den Meeren schlummern. Der wirtschaftliche Wert ist enorm, wenngleich letztlich unschätzbar. Wir laufen jedoch Gefahr, viele Arten zu verlieren, bevor wir ihre wertvollen Fähigkeiten überhaupt erforschen können“, so WWF-Experte Neumann.

Bollwerk und Klimapuffer in einem

Zu den wichtigsten Leistungen des Ökosystems zählt der Küstenschutz. Intakte und geschützte Korallenriffe dienen als natürliches Bollwerk gegen mächtige Brandungen. Der Wert dieser Dienstleistung liegt bei etwa 9 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Auch die Salzwiesen an der deutschen Nordsee leisten Küstenschutz im Wert von 1,1 Millionen US-Dollar jährlich – bei Kosten von 800.000 US-Dollar für ihre Bewirtschaftung.

Meere binden Kohlendioxid und tragen so entscheidend zur Stabilisierung des Weltklimas bei. Ohne biologische Aktivität in den Ozeanen läge der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre 50 Prozent höher. Der Wert dieser Leistung wird auf etwa 0,5 bis 10 Billionen Euro pro Jahr geschätzt. Zum Vergleich: der Gesamtetat des Bundes im Jahr 2008 beläuft sich auf 124 Milliarden Euro.

Sanfter Tourismus als Zukunftsoption?

Zahlreiche Beispiele zeigen zudem, dass sich mit dem Schutz der Ozeane deutlich mehr Geld verdienen lässt als mit ihrer Zerstörung. Im Bunaken Meeres-Nationalpark in Sulawesi, Indonesien, verdienen Angestellte im Tourismus im Schnitt 114 US-Dollar im Monat. Wären sie Fischer, müssten sie mit nur 44 US-Dollar auskommen.

Ein Vergleich von 18 Fallstudien im Pazifik, Atlantik und Indischen Ozean zeigt, dass sich mit sanftem Schildkröten-Tourismus dreimal soviel Geld verdienen lässt wie mit der Jagd auf die bedrohten Meerestiere. Aber auch für Deutschland bringt der Naturschutz einen echten Mehrwert. So locken die Wattenmeer-Nationalparks seit über 20 Jahren neue Touristen an. Dadurch sind 5.900 Vollzeitstellen entstanden. Die zusätzlichen Urlauber bringen jedes Jahr 85 Millionen Euro in die Region.

(WWF Deutschland, 27.05.2008 – NPO)

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