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Paläontologie

Ötzis „nichtmenschliches“ Erbgut entschlüsselt

Auch DNA von Krankheitserregern ist in Knochenprobe der Eismumie nachweisbar

Wissenschaftler bei der Entnahme der Knochenprobe im November 2010 © Südtiroler Archäologiemuseum/EURAC/Marco Samadelli

Urzeitliche Besiedler: Die Überreste der Eismumie Ötzi enthalten keineswegs nur sein eigenes Erbgut. Stattdessen haben Forscher jetzt in seinen Knochen auch die DNA mehrerer Bakterienarten nachgewiesen. Darunter sind sowohl gutartige Mikroben als auch Krankheitserreger, die Ötzis Zahnprobleme verursacht haben könnten, wie
die Wissenschaftler im Online-Fachmagazin „PLOS ONE“ berichten. Auch künftige Konservierungspläne könnten von den neuen Funden beeinflusst werden.

Eine winzige Knochenprobe der Eismumie Ötzi hat bereits viel über den Menschen aus der Kupfersteinzeit verraten: Seit 2010 ist sein entschlüsseltes Erbgut bekannt. Damit ließ sich sein Aussehen rekonstruieren, und wir wissen auch, dass er laktose-intolerant war. Wissenschaftler konnten anhand der DNA-Probe sogar 19 noch heute lebende Verwandte von Ötzi ermitteln.

Alles, was an DNA da ist

Weniger bekannt ist hingegen, welche Mikroben Ötzis Körper besiedelten. Aber auch darüber kann die gewonnene DNA-Probe Informationen liefern, wie Wissenschaftler um Frank Maixner von der Europäischen Akademie Bozen (EURAC) nun zeigten. „Neu ist, dass wir keine zielgerichtete DNA-Analyse durchgeführt haben“, erläutert Maixner den Ansatz, „sondern vielmehr untersucht haben, was überhaupt alles an DNA da ist, wie viel und welche mögliche Funktion jeweils damit verbunden ist.“

Dabei kam einiges an Erbgut zutage, das nicht zu Ötzis eigener DNA gehört. „Diese ‚nichtmenschliche‘ DNA stammt großteils von Bakterien, die in und auf unserem Körper leben, was an und für sich nicht bedenklich ist“, erklärt Koautor Thomas Rattei von der Universität Wien. „Erst das Zusammenspiel bestimmter Bakterien oder ein Ungleichgewicht in dieser Bakteriengemeinschaft kann jedoch zu Krankheiten führen. Daher ist es wichtig, die Zusammensetzung der bakteriellen Gemeinschaft im DNA-Gemisch zu rekonstruieren.“

Erreger der Zahnfleischentzündung im Beckenknochen

Besonders ein Bakterium stach dem Team aus Mikrobiologen und Bioinformatikern ins Auge: Ein Erreger namens Treponema denticola, der unter anderem Parodontitis an den Zähnen hervorruft, eine schwere Entzündung des Zahnfleisches. Erstaunlich daran ist, dass auch nach rund 5.300 Jahren diese DNA noch in der Knochenprobe nachweisbar ist. Die Probe stammt aus dem Beckenknochen – die Bakterien müssen sich mit dem Blut vom Mund bis dorthin verbreitet haben.

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Der Fund passt auch zu Ötzis Zahnproblemen, die Forscher anhand einer Computertomographie bereits voriges Jahr diagnostiziert hatten. In weiteren Untersuchungen schlossen die Forscher aus, dass es sich um nachträgliche Kontamination handelt. Die Bakterien waren schon zu Ötzis Lebzeiten auf und in seinem Körper angesiedelt.

Neue Konservierung doch ungünstig?

Neben dem Treponema-Erreger stieß das Forscherteam auch auf sogenannte Clostridien. Diese Bakterien vermehren sich nur unter Luftabschluss, auf der Eismumie sind sie offenbar im zurzeit in einem Ruhezustand. Diese Entdeckung könnte für die weitere Konservierung der Mumie entscheidend sein, denn in einer Umgebung ohne Sauerstoff können die Bakterien wachsen – und Gewebe abbauen. Bisher wird nur tiefgekühlt, aber in normaler Luft aufbewahrt. Es gibt jedoch Pläne, die Mumie unter eine Schutzatmosphäre aus Stickstoff zu bringen.

Das soll aerobe Bakterien am Wachstum hindern und den Mann aus dem Eis so vor dem Verfall schützen. Wie sich jetzt zeigt, könnte diese sauerstoffreie Aufbewahrung den Clostridien aber perfekte Bedingungen bieten. Ihr Wachstum müsste daher besonders gut überwacht werden. Die Wissenschaftler wollen daher die bakteriellen Einflüsse auf die Konservierungsbedingungen des Mannes aus dem Eis noch tiefer erforschen.

(PLOS ONE, 2014; doi: 10.1371/journal.pone.0099994 )

(European Academy Bozen/Bolzano, 16.07.2014 – AKR)

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