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Umwelt

Ölpest: Sonnenlicht hemmt Lösungsmittel

Photooxidiertes Öl an der Wasseroberfläche ist resistent gegen Chemikalien

Feuer auf der Bohrinsel Deepwater Horizon nach dem Blow Out des Bohrlochs am 20. April 2010 © U.S. Coast Guard

Nutzloser Einsatz: Bei einer Ölkatastrophe sollen Lösungsmittel den Ölteppich in kleine Tropfen verwandeln und den Abbau beschleunigen. Doch Forscher haben nun herausgefunden, dass Sonnenlicht das Öl an der Meeresoberfläche chemisch verändert und unempfindlich für die Chemikalien macht. Ihren Berechnungen zufolge blieb ein Großteil der Sprüheinsätze während der Deepwater Horizon-Katastrophe dadurch erfolglos.

Vor ziemlich genau acht Jahren sprengte ein Blowout das Bohrloch der Lösungsmitteln genau dies verhindern sollen. Über 61 Tage hinweg versprühten Flugzeuge in 412 Einsätzen insgesamt 3,7 Millionen Liter der Chemikalien über der Meeresoberfläche. Im Lösungsmittel enthaltene Detergenzien spalten den Ölteppich in kleine Tröpfchen aus, welche sich anschließend im Ozean verteilen und von Mikroben abgebaut werden können. Damit die Chemikalien ihre Arbeit leisten, müssen sich Öl, Wasser und Lösungsmittel jedoch zunächst vermischen. Schon länger ist bekannt, dass das Wetter einen gewissen Einfluss auf diesen Prozess hat – die Sonnenstrahlung wurde bislang jedoch als unwichtig erachtet.

Künstliches Licht

Um diese Annahme auf die Probe zu stellen, setzten Collin Ward von der Woods Hole Oceanographic Institution in den USA und seine Kollegen Ölproben im Labor über 24 Stunden hinweg künstlichem Sonnenlicht aus. Anschließend analysierten sie die chemischen Eigenschaften des Öls und bewerteten die Effektivität des Lösungsmittels. Vorige Studien hatten stets „frisches“ Öl verwendet. Für diese Studie hatten die Forscher jedoch Öl während des Deepwater Horizon-Unglücks direkt vom Leck am Meeresboden abgeschöpft.

Lösungsmittel enthalten Detergenzien, die den Ölteppich in kleine Tröpfchen aufbrechen. Photooxidiertes Öl mischt sich schlechter mit Wasser. © Natalie Renier, Woods Hole Oceanographic Institution

Sonnenlicht hemmt das Lösungsmittel

Das Ergebnis: Je länger das Öl dem Sonnenlicht ausgesetzt war, desto stärker veränderte es sich. Es wurde zäher, dichter und klebriger. Die Lichtenergie spaltete die chemischen Bindungen in den Ölbestandteilen und machte Platz für hochreaktiven Sauerstoff. Dieser Prozess ist als Photooxidation bekannt und gleicht dem Vorgang, durch den Sonnenlicht die Farbe von Kleidung ausbleicht.

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Die lichtbedingte Veränderung des Öls wirkte sich auch auf die Wirksamkeit des Lösungsmittel aus: Während die Chemikalie zu Beginn noch 93 Prozent des Öls in Tröpfchen verwandelte, konnte das Mittel nach 24 Stunden Sonnenlicht nur noch 60 Prozent des Öls im Wasser lösen. Unter natürlichen Bedingungen würde dies bedeuten, dass der Einsatz von Lösungsmittel nach etwa zweieinhalb Tagen nur noch gut die Hälfte des Öls beseitigen würde. Nach fünf bis acht Tagen wäre das Versprühen komplett umsonst.

„Es wurde gedacht, dass der Einfluss von Sonnenlicht auf die Effektivität von Lösungsmitteln vernachlässigbar wäre“, sagt Erstautor Collin Ward. „Unsere Ergebnisse zeigen jedoch, dass Sonnenlicht ein primärer Faktor dabei ist und bestimmt, wie gut Lösungsmittel funktionieren. Und weil photochemische Veränderungen schnell passieren, begrenzen sie das Zeitfenster, in dem Lösungsmittel effektiv angewendet werden können.

Einsatzkräfte versprühen 2010 Lösungsmittel über dem Ölteppich im Golf von Mexiko. © Stephen Lehmann, US Coast Guard

Flugeinsätze bei Deepwater Horizon waren oft nutzlos

Als nächstes rekonstruierten die Forscher in einer Simulation , wie stark die Photooxidation die Gegenmaßnahmen während der Deepwater Horizon-Katastrophe beeinflusst haben könnte. Dafür simulierten sie jene Konditionen, die während des Unglücks herrschten, wie Winde und Sonneneinstrahlung, und fügten ihre eigenen Daten sowie die insgesamt 412 Flugeinsätze mit Lösungsmittel dem Szenario hinzu.

Das Ergebnis war ernüchternd: Die Mehrheit der geflogenen Einsätze nahm damals vor allem bereits photooxidiertes Öl ins Visier. Das Lösungsmittel war somit vermutlich höchst ineffektiv und hätte nicht einmal die minimale Effektivität erreicht, die von der amerikanischen Umweltbehörde EPA für solche Einsätze vorgeschrieben wird. Selbst unter besten Bedingungen, also bewölktem Himmel und starken Winden, könnten Dutzende von Sprüheinsätzen kaum etwas gebracht haben, so die Forscher.

„Diese Studie zeigt, wie wichtig es ist, Grundlagenforschung zu betreiben, welche die chemischen Reaktionen in der Umwelt untersucht“, kommentiert Henrietta Edmonds von der National Science Foundation. „Die Ergebnisse helfen uns dabei zu lernen, wie wir effektiv auf eine Ölpest reagieren müssen.“ Zukünftig sollten die Einsatzkräfte das Zeitfenster möglichst verkürzen, um den Einfluss von Photoxidation so gering wie möglich zu halten, empfehlen die Forscher. (Environmental Science & Technology Letters, 2018; doi: doi/10.1021/acs.estlett.8b00084)

(Woods Hole Oceanographic Institution, 27.04.2018 – YBR)

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