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Umwelt

Ölpest im Golf: Ökologische Langzeitwirkungen befürchtet

Mehr als 400 Tier- und Pflanzenarten in der Golfregion betroffen

Manatee © USGS

Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko droht nach Einschätzung der Umweltorganisation WWF zu einem Desaster für die Tier- und Pflanzenwelt der Region zu werden. Mehr als 400 Tierarten könnten langfristig betroffen sein, darunter vom Aussterben bedrohte Meeresschildkröten, Manatees und der Blauflossenthunfisch. Das Öl könnte zudem die wertvollen Mangrovenwälder der Golfküste sogar für immer vernichten, da eine Reinigung der komplexen Ökosysteme vom Öl so gut wie unmöglich ist.

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Noch immer strömt Öl aus der im Golf von Mexico gesunkenen Ölplattform „Deepwater Horizon“ ins Meer. Wenn sich der Ölteppich weiter entlang der Küste von Louisiana bis nach Florida ausbreitet, könnten insgesamt 400 bis 600 Tier und Pflanzenarten Arten betroffen sein, schätzen Experten der Naturschutzorganisation WWF. Darunter sind auch stark bedrohte Vögel, Fische, Meeresschildkröten sowie die Seekühe und Manatees der Golfküste.

Dauerhaftes „Aus“ für die Mangrovenwälder?

Ein besonders sensibles Gebiet sind die Mangrovenwälder der Golfküste. Sie sind besonders artenreiche Ökosysteme, die sehr empfindlich auf Verschmutzungen reagieren. Zudem nutzen viele Fische, Reptilien, Amphibien und Krebstiere die Mangroven als Kinderstube. Sollte das Öl in die Mangrovengebiete gelangen, ist eine Reinigung dieser Lebensräume nach Ansicht des WWF nicht möglich. „Das Öl nimmt den Mangroven buchstäblich die Luft zum Atmen. Wenn die Luft- und Stelzwurzeln verkleben, sterben die Pflanzen ab“ erklärt Alfred Schumm, Leiter des Internationalen WWF-Zentrums für Meeresschutz.

Im Schlick der Mangrovenwälder leben Krebse und Würmer, die das Öl in tiefere Bodenschichten eintragen. Dort kann es ohne Luftzufuhr nicht abgebaut werden und vergiftet Tiere und Pflanzen auf Jahre. Den Schlick abzutragen käme der Zerstörung des Ökosystems gleich. „Ohne Mangroven verlieren die Küsten einen Schutzwall gegen die in dieser Region häufigen Hurricans“, so der WWF Experte.

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Vögel: Verölung schwächt auch Nachwuchsgeneration

Vier Naturschutzgebiete allein in der Krisenregion Louisiana sind Heimat zahlloser Vogelarten. Im vom Öl betroffenen Schutzgebiet Breton National Wildlife Refuge, dessen Ausläufer das Öl bereits erreicht hat, brüten schätzungsweise 34.000 Seevögel, davon etwa 2000 Brutpaare des Braunen Pelikans sowie etwa 5.000 Brutpaare der Königsseeschwalbe. Die Küstenvögel ernähren sich größtenteils von Fisch und geraten daher bei der Futtersuche leicht in den Ölteppich.

„Wenn die Elterntiere bei der Nahrungssuche verölen, bleiben die Küken zurück und verhungern“ so Schumm weiter. „Watvögel und Reiher können bei der Nahrungssuche auch giftiges Öl mit aufnehmen“ Auch beim Versuch ihr ölverklebtes Gefieder zu reinigen, vergiften sich die Vögel. Die Ölpest trifft zudem mit der beginnenden Brut- und Laichsaison vieler Arten zusammen, so dass sich die ökologischen Schäden potenzieren. „Der Nachwuchsjahrgang wird massiv geschwächt. Einige Populationen werden diesen Aderlass durch das Öl auch in kommenden Jahren nicht wieder wettmachen können“

Manatees und Seekühe vom Aussterben bedroht

Die pflanzenfressenden Meeressäuger siedeln und wandern in Herden an der Golfküste von Florida bis Mississippi. Es gibt in der Region zwei Unterarten. Laut wissenschaftlichen Schätzungen sind ihre Populationen auf jeweils weniger als 2.500 erwachsene Tiere geschrumpft. Die Manatees leben in Mündungsgebieten von Flüssen, Seegraswiesen und küstennahen Gewässern, in denen sie geeignete Futterpflanzen finden. Sie halten sich zumeist unter der Wasseroberfläche auf. „Für die Seekühe könnte in erster Linie vergiftete Nahrung zur Bedrohung werden, da die Pflanzen Giftstoffe aus dem Öl aufnehmen“ so Schumm. „Wo Seegraswiesen und küstennahe Vegetation beschädigt werden, verlieren die Seekühe zudem ihre letzten Rückzugsräume.“

Laichgebiet des Blauflossentunfischs verseucht

Der Bestand des stark bedrohten westatlantischen Blauflossentunfischs, dessen wichtigster Laichgrund im nördlichen Golf von Mexiko liegt, wird durch das Öl massiv belastet. In den letzten 30 Jahren ist der durch Überfischung enorm strapazierte Bestand um rund 80 Prozent eingebrochen und dem diesjährigen Nachwuchsjahrgang droht nun das Aus: Die Laichsaison des Blauflossentunfischs reicht von April bis Juni. „Die Fische laichen in oberflächennahen Wasserschichten – der empfindliche Laich der Tunfische hat gegen den Ölfilm keine Chance“ so der WF-Experte. „Der ausbleibende Nachwuchs wird den Westatlantischen Bestand weiter schwächen und sich in zwei bis drei Jahren auch in den Fischereierträgen widerspiegeln.“ Der Blauflossentunfisch zählt zu den teuersten Speisefischen der Welt.

Höhepunkt der Brutzeit für Meeresschildkröten

Fünf verschiedene Arten von gefährdeten Meeresschildkröten leben oder nisten im Golf von Mexiko, darunter auch die Echte Karrettschildkröte, die Karibische Bastardschildkröte, die Lederrückenschildkröte – alle drei Arten sind vom Aussterben bedroht. Die Grüne Meeresschildkröte und die Unechte Karett-schildkröte werden auf der Roten Liste der IUCN als bedroht eingestuft. Die Brutzeit der Meeresschildkröten erreicht derzeit ihren Höhepunkt. Insbesondere die Unechte Karettschildkröte nistet an den Stränden von Mississippi bis Florida.

Der riesige Ölteppich liegt auf der Route zu den Stränden, die sie zur Eiablage ansteuern. Eine besonders ernste Gefahr stellt der Ölteppich für die nach etwa sechs Wochen schlüpfenden Schildkrötenjungen dar. „Als Lungenatmer sind Meeresschildkröten gezwungen, an der verseuchten Wasseroberfläche aufzutauchen. Der Ölfilm schädigt dann ihre Atmungsorgane.“ so Schumm.

In unserem Special finden Sie mehr zum Thema „Ölpest im Golf“

(WWF, 10.05.2010 – NPO)

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