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Klima

Nieselregen in der Antarktis

Forscher beobachten erstmals anhaltendes Nieseln bei minus 25 Grad

McMurdo ARM
Messhütten der antarktischen McMurdo-Forschungsstation – dort haben Forscher erstmals einen mehrstündigen Nieselregen beobachtet – bei minus 25 Grad. © DOE/ Atmospheric Radiation Measurement (ARM) user facility

Verblüffendes Phänomen: In der Antarktis kann es selbst bei minus 25 Grad anhaltenden Nieselregen geben – obwohl Wasser bei dieser Kälte längst gefrieren müsste. Beobachtungen zufolge fiel mehr als sieben Stunden lang stetiger Nieselregen aus einer hunderte Kilometer langen Wolke über der Westantarktis. Den Grund für dieses ungewöhnliche Wetterphänomen vermuten Forscher in der extrem sauberen Luft dieser Region: Es fehlt an Kristallisationskeimen für die Eisbildung.

Die Antarktis ist der kälteste und lebensfeindlichste Kontinent der Erde – bis zu minus 98 Grad kann es dort kalt werden. Auf dem mehr als 3.000 Meter hohen Polarplateau ist die Luft zudem so dünn und trocken, dass sich Schnee sogar in der Luft auflöst – er verdampft. Ein solches Phänomen kannte man zuvor nur vom Planeten Mars.

Sieben Stunden Nieselregen – bei minus 25 Grad

Jetzt haben Forscher ein weiteres exotisches Wetterphänomen in der Antarktis beobachtet – Nieselregen bei extremen Minustemperaturen. Typischerweise entsteht Nieselregen in niedrigen, schichtförmigen Wolken, wenn dort winzige Wassertröpfchen kondensieren. Die Voraussetzung ist daher, dass es in den Wolken warm genug ist, um eine Eisbildung zu vermeiden – so jedenfalls könnte man denken.

Umso ungewöhnlicher ist das Phänomen, dass Israel Silber von der Pennsylvania State University und seine Kollegen bei einem Aufenthalt in der McMurdo-Forschungstation in der Westantarktis beobachteten: Dort gab es an einem Tag einen siebeneinhalb Stunden anhaltenden Nieselregen, obwohl die Temperaturen in der Wolke und in der darunterliegenden Luftschicht bei minus 25 Grad lagen.

Flüssig selbst in der Wolke

Dies sei das erste Mal, dass man einen anhaltenden Nieselregen bei Temperaturen so weit unter dem Gefrierpunkt beobachtet habe, sagen die Forscher. „Bei so niedrigen Temperaturen machen Prozesse wie die Eisbildung und das Wachstum von Eiskristallen die Entstehung von Nieselregen normalerweise unwahrscheinlich“, erklärt Silber.

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Nähere Untersuchungen enthüllten: Der antarktische Nieselregen fiel aus einem ausgedehnten Wolkenfeld, das sich über mehr als tausend Kilometer entlang der Küste des Ross-Schelfeises erstreckte. Lasermessungen ergaben, dass die winzigen Wassertröpfchen selbst im Inneren dieser Wolke nicht gefroren, sondern flüssig blieben.

Mangel an Kristallisationskeimen

Aber warum? Um das herauszufinden, führten die Wissenschaftler hochauflösende Modellsimulationen durch, in der sie die in der Wolke herrschenden Bedingungen rekonstruierten. Dabei zeigte sich: Ausschlaggebender Faktor für den ungewöhnlichen Nieselregen ist offenbar die extrem reine Luft über der Antarktis. „Hier gibt es kaum Schadstoffe und auch insgesamt weniger umherfliegende Partikel“, erklärt Silber.

Das aber ermöglicht das Phänomen des sogenannten „Supercooling“ – die Bildung von unterkühltem Wasser. Dabei bleibt Wasser selbst bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt flüssig, weil es an Kristallisationskeimen fehlt. Ohne diese winzigen Verunreinigungen finden die Wassermoleküle keinen Auslöser, um sich zu geordneten Eiskristallen zusammenzulagern. Die Daten von Silber und seinem Team sprechen dafür, dass es in der antarktischen Wolke weniger als 0,2 Partikel pro Liter gab – zu wenig um die Kristallisation anzustoßen.

Wichtig auch für Klimamodelle

„Unsere Studie deutet darauf hin, dass ein anhaltendes Nieseln bei den geringen Aerosolkonzentrationen der Antarktis und der Atmosphäre über dem Südozean häufiger vorkommen könnte – trotz der niedrigen Temperaturen“, sagen die Forscher. Diese Erkenntnis müsse künftig auch in den Klimamodellen berücksichtigt werden, denn es beeinflusse die Wolkenbildung. „Nieselregen verändert die Lebensdauer einer Wolke und das wiederum beeinflusst die Wärmemenge, die die Erdoberfläche erreicht“, so Silber. (Journal of Geophysical Research – Atmospheres, 2019; doi: 10.1029/2019JD030882)

Quelle: Pennsylvania State University

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